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Arbeitswelt
Demokratie
Ungleichheit

Eine Wiener Krankenschwester protestiert: “Wenn sich nichts ändert, kündige ich”

Illustration mit dem Titel Was ich wirklich denke in der Mitte

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Angelika* (32) arbeitet als Krankenschwester (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin) im Wiener AKH. Der Beruf wird immer schwieriger. Sie und viele KollegInnen demonstrieren seit Monaten. 

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An Tagen, wo alles läuft, ist der Beruf einer Krankenpflegerin schön. Wenn ich meine Arbeit in Ruhe machen kann. Wenn ich nette Patienten habe. Dann ist alles wunderbar. Aber so läuft es nur mehr fünf Prozent der Zeit. 

Ich wollte schon immer Krankenschwester werden. Das hat mir am meisten Spaß gemacht. Meine Mama war auch eine. Bei ihr habe ich mir viel abgeschaut. Nach der Ausbildung wollte ich auch unbedingt ins Wiener AKH. Es gibt hier die spannendsten Fälle. 

Auf meiner Station sind die Fälle nicht leicht. Es geht um Leben und Tod. Wir sind nicht nur medizinische BetreuerInnen, sondern auch psychische. Wir sind einfach 24 Stunden für die Leute und ihre Angehörigen da. Da bekommt man viel Dankbarkeit zurück. Das zu spüren, das ist viel wert. Wenn die PatientInnen dann von unserer Station weg dürfen, sind sie oft auch noch nicht wieder voll im Leben. Aber manchmal kommt jemand auch Monate später wieder zu Besuch und es geht ihm wieder gut. Und dann hat sich das alles ausgezahlt. 

Es wird immer härter

Aber der Beruf wird auch immer schwieriger. Wir PflegerInnen werden immer weniger, Stellen werden schleppend nachbesetzt. Und die PatientInnen werden älter und mehr. Auch das Material wird schlechter – in Handschuhe schlüpft man oft rein und hat schon ein Loch drinnen.

Außerdem bekommen wir immer mehr Aufgaben ab. Zum Beispiel von ÄrztInnen. Blutabnahmen waren früher ärztliche Tätigkeiten. Jetzt machen das wir.

Wenn in der Physiotherapie Leute unter der Woche ausfallen, helfen wir aus. Wenn Leute am Wochenende mobilisiert werden müssen, machen das wir.

Oder wenn am Wochenende jemand verlegt werden muss, bleibt es auch an uns hängen, alles an seiner alten Position zu reinigen.

Das Gehalt kommt da nicht mit

Aber das Gehalt ist dafür nur wenig angehoben worden. Seit 2018 gibt es einen neuen Vertrag. Dort gibt es von Anfang an ein höheres Grundgehalt und höheres Urlaubsgeld. Die jüngeren KollegInnen bekommen im höheren Alter dann zwar weniger Geld und weniger Urlaub als die älteren früher, außerdem sind sie etwas leichter zu kündigen. Aber der neue Vertrag ist insgesamt super.

Das Problem ist, dass wir, die schon etwas länger dabei sind, nicht in diesen Vertrag wechseln dürfen. Deshalb haben wir uns organisiert und protestieren. Die Initiative heißt “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit”. (Anm.: Mehr zu diesem Protest hat Moment hier berichtet.)

Weniger Geld als der Neuling

Was die ungleiche Behandlung bedeutet, kann ich an mir selbst zeigen: Ich habe im Vorjahr einen neuen Kollegen eingeschult. Drei Monate lang hab ich ihm alles beigebracht, was ich wusste. Er war frisch aus der Ausbildung, hatte keine Berufserfahrung. Ich war da schon seit etwa zehn Jahren im Dienst. Und dann haben wir unser Einkommen verglichen und sind draufgekommen: Er als Neuling verdient zwei- bis dreihundert Euro mehr im Monat und bekommt fast tausend Euro mehr Urlaubsgeld.

Alle wissen, dass die Neuen ja nichts dafür können. Es ist ja sogar sehr gut, dass es den neuen Vertrag gibt. Aber der Frust über die Ungleichbehandlung ist halt trotzdem da. Manchmal spürt man das im Alltag. In manchen Stationen haben ältere KollegInnen gesagt: “Die Jüngeren verdienen mehr, die sollen auch was dafür tun.” Zum Beispiel bei Zusatzdiensten – wenn zum Beispiel für jemanden eingesprungen werden muss – werden die Leute im neuen Vertrag besser bezahlt. Deshalb haben sich die Älteren gewehrt. Wenn andere Leute mehr für den Dienst bekommen, ist mir meine Freizeit halt wichtiger.

Steht Österreich nicht für ein gutes Sozialsystem?

Die Stadt hat keine Argumente vorgebracht, die mich überzeugt hätten. Sie haben gesagt, das Geld sei nicht da. Aber das lasse ich nicht gelten. Wir geben so viel Geld für Blödsinn aus. Und Österreich steht für ein gutes Sozialsystem, oder?

Ich glaube nicht, dass mein Job gefährdet ist, weil ich protestiere. Aber ganz ehrlich: Es wäre mir auch egal. Man stellt sich bei den ganzen Verschlechterungen langsam die Frage, ob es der Job es überhaupt noch wert ist – ob man ihn so auch bis zur Pension durchhält.

Ich glaube, dass unser Protest etwas bewirken wird und auch schon etwas bewirkt hat. Aber ich habe Glück, bin jung, habe keine Kinder und kann mir erlauben, mir etwas anderes zu suchen. Wenn man uns nicht in den neuen Vertrag umsteigen lässt, werde ich kündigen. Das können nicht alle, aber ich glaube nicht, dass ich mit dieser Einstellung allein bin.

In der Serie „Was ich wirklich denke“ erzählen Menschen über ihre Lebenserfahrungen und wie sie sich in schwierigen oder außergewöhnlichen Situationen fühlen. Wenn du auch so jemand bist oder jemanden kennst, melde dich doch bei uns.

 

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