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Ungleichheit

In einem reichen Land wie Österreich ist doch niemand wirklich arm

In einem reichen Land wie Österreich ist doch niemand wirklich arm
Der Mythos, dass Armut erst beginnt, wenn der Hungertod nah ist, hält sich hartnäckig. Damit werden Menschen, die von Armut betroffen sind, mundtot gemacht. Wer will schon die eigene Situation anprangern, wenn es doch so viele Menschen in anderen Ländern gibt, denen es viel schlechter geht?
Vor gar nicht so langer Zeit war ich in einer absurden Situation. Ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, konnte aber die 20 Euro Fahrtkosten einfach nicht aufbringen. Und wegen der Armut war ich schon so zurückgezogen, dass es niemanden gab, den ich fragen konnte. Ohne Geld kein Job, ohne Job kein Geld.

Der Mythos, dass Armut erst beginnt, wenn der Hungertod nah ist, hält sich hartnäckig. Damit werden Menschen, die von Armut betroffen sind, mundtot gemacht. Wer will schon die eigene Situation anprangern, wenn es doch so viele Menschen in anderen Ländern gibt, denen es viel schlechter geht?

Natürlich bin ich froh, in Österreich leben zu dürfen. Armut gibt es hierzulande aber eben auch. Sie bedeutet, sich den Lebensstil des jeweiligen Landes nicht leisten zu können, sich aus der Nachbarschaft zurückzuziehen, weil gemeinsame Aktivitäten nicht mehr leistbar sind. Armut in Österreich zeichnet sich vor allem durch einen Mangel an Perspektiven aus, auch wenn das Essen manchmal ebenfalls knapp wird.

Rückenprobleme? Pech gehabt

Dinge, die für einen Großteil der Menschen in diesem Land selbstverständlich sind, waren für uns lange einfach nicht machbar. Ich hatte etwa einen Bandscheibenvorfall und brauchte eine Physiotherapie. Aber die konnte ich nicht machen, weil der Selbstbehalt nicht bezahlbar war. Und ein Kassenplatz war auch nicht möglich, weil die Fahrtkosten zu hoch waren.

Armut in Österreich beginnt nicht erst, wenn du kein Dach mehr über dem Kopf hast. Sie beginnt da, wo du mit den gesellschaftlichen Standards nicht mehr mithalten kannst. Und das können inzwischen sehr viele nicht mehr. Doch da sie Angst vor Beschämung haben, Angst davor, dass ihre Kinder deswegen belächelt und ausgeschlossen werden, bleibt die Armut so gut es geht verborgen. Und somit unsichtbar, unauffällig. Wenn wir weiter so tun, als würde „echte“ Armut hierzulande nicht existieren, dann werden wir sie nie besiegen können.

Über mich:

Ich heiße Daniela Brodesser, bin 1975 in Linz geboren, habe vier wundervolle Kinder zwischen 11 und 23 und bin verheiratet. Zwei Krankheiten in der Familie haben unser Leben ab 2008 vollends auf den Kopf gestellt. Die Folge war ein Teufelskreis aus Armut, Beschämung, Selbstzweifel und Isolation. 2018 begann ich damit an die Öffentlichkeit zu gehen und über Armut und deren Folgen zu twittern.

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