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Feiertag streichen ist Lohnraub

Die deutschen Wirtschaftslobbyist:innen und ihre Think Tanks haben schon wieder eine Idee, um die Wirtschaft anzukurbeln: Ein Feiertag soll gestrichen werden. Warum das keine gute Idee ist, analysiert Natascha Strobl.

8,6 Milliarden Euro zusätzlich, Steigerung der BIP um 0,2% – alles wird besser, wenn man einfach einen Feiertag streicht. so oder so ähnlich melden Wirtschaftslobbyist:innen Ansprüche an die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD an. Es klingt ja so gut – einfach nur einmal statt auszuschlafen, in die Arbeit fahren und zack: geht es Deutschland besser.

Wer braucht denn schon wirklich Christi Himmelfahrt oder weiß, was der Buß-und Bettag überhaupt ist? Manche progressive Kräfte lassen sich naiverweise vielleicht sogar auf Überlegungen ein, ob christliche Feiertage nicht sowieso antiquiert sind und man sie gut und gerne ersatzlos streichen kann. Schließlich ist man ja nicht mehr (so) religiös. Mehr zu arbeiten, wird fast als emanzipatorischer Akt gedeutet. 


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Weniger Feiertage: Mehr arbeiten für weniger Lohn

All dies geht aber am Kern der Debatte vorbei. Jeder Tag, den man zusätzlich arbeitet, ohne ihn zusätzlich bezahlt zu bekommen, ist Lohnraub.

Rechnen wir das ganz kurz beispielhaft durch. Nehmen wir den Dezember 2025 her. In Österreich hat er 3 Feiertage, zusätzlich zu 8 Wochenendtagen hat. Es bleiben also 20 Arbeitstage. Streicht man nun einen Feiertag, dann arbeitet man für denselben Lohn 21 statt 20 Tage.

Das wären Lohneinbußen von 5 Prozent, damit die Wirtschaft wieder Boni und Dividenden zu vergeben hat. Wenn man das am mittleren Einkommen von Angestellten berechnet (40.160€/Jahr), dann verliert jede und jeder Angestellte 143€. Es wäre eine der größten Umverteilungen von unten nach oben. Alle, die von Arbeitseinkommen abhängig sind, müssen etwas hergeben. Alle, die Aktien oder Unternehmensanteile besitzen, werden belohnt.

„Individuelle Urlaubstage“ statt Feiertage? Auch Lohnraub

Immer wieder taucht auch das ultraliberale Phantasma auf, überhaupt alle Feiertage zu streichen und durch individuelle Urlaubstage zu ersetzen. Auch das kann im ersten Moment einleuchtend klingen. Aber es ist völlig unerheblich, ob man einen speziellen Feiertag mag oder begeht – die Funktion des Feiertags ist wichtig.

Und damit meine ich eine finanzielle Funktion für die arbeitende Bevölkerung: Muss man an einem Feiertag arbeiten, dann bekommt man Feiertagszuschläge. Und tatsächlich tun das sehr viele Menschen. Unsere Gesellschaft würde nicht funktionieren, wenn Menschen zum Beispiel in Einsatzorganisationen, im Krankenhaus und in der Pflege oder im öffentlichen Verkehrswesen an irgendeinem Tag einfach frei machen würden. Aber auch im Unterhaltungsbereich, in der Gastro oder in Hotels wird an Feiertagen gearbeitet, weil andere Menschen diese Tage genießen und ausnutzen wollen.

Aber dass Menschen auch an diesen Tagen arbeiten müssen, ist eben kein Grund gegen den Feiertag. Für genau diese Menschen wäre dieser Tag sonst ab sofort nur noch ein normaler Arbeitstag. Und das würde bedeuten: Es wäre ein Tag an dem man nur den normalen Stundensatz bekommt. Das wäre ein enormer Lohnraub.

Wer Feiertage angreift, greift die Arbeitseinkommen an

Man darf sich bei dieser Feiertagsdiskussion nicht mit losgelösten Kulturdebatten aufhalten. Diese werden gerne vorgeschoben. Aber es geht hier um handfeste materielle Interessen: Wer soll den nötigen Impuls für die Wirtschaft bezahlen? Jeder Abbau an Feiertagen bedeutet, dass dies die arbeitende Bevölkerung tut.

Die umgekehrte Debatte wäre nötig: Sollten Feiertage nicht gesellschaftliche Realitäten abbilden? Sollten wir nicht die gestiegene Produktivität würdigen? Sollte es deshalb nicht längst eher viel mehr Feiertage geben? Wann ist eigentlich das letzte Mal ein Feiertag dazu gekommen, den man gemeinsam als Gesellschaft begehen kann?

In Anbetracht der faschistischen Gefahr würde sich der 8. Mai als Tag der Befreiung anbieten. In Anbetracht der patriarchalen Gewalt und der Angriffe auf Errungenschaften, wäre auch der 8. März als feministischer Kampftag ein wichtiges Zeichen.

Lasst uns über zusätzliche Feiertage diskutieren, statt dem Lohnraub das Wort zu reden.


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