Hinter den Zahlen: Die Femizide des Jahres 2025
Anmerkung: In der folgenden Infobox findest du Daten und Beschreibungen aller Femizide des Jahres 2025. Es wird dabei auch Gewalt beschrieben. Wir finden, du solltest das wissen, bevor du dich zum Lesen entscheidest.
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Was ein Femizid ist
Zur Erinnerung: Bei unserer Auflistung folgen wir der Definition der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF). Demnach ist ein Femizid „die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts bzw. aufgrund von ‘Verstößen’ gegen die traditionellen sozialen und patriarchalen Rollenvorstellungen, die Frauen zugeschrieben werden. Femizide gehören daher zu den Hassverbrechen.“
Weltweit wird alle zehn Minuten eine Frau von ihrem Partner oder männlichen Verwandten ermordet. Das macht etwa 60 Prozent aller rund 83.000 ermordeten Frauen des Jahres 2024 aus.
Weniger Femizide? Was steckt hinter den Zahlen?
Auch in Österreich bleibt Gewalt gegen Frauen ein ernstes Problem: 2024 wurden 27 mutmaßliche Femizide und mehr als 40 Mordversuche oder Fälle schwerer Gewalt registriert.
Heuer sind es etwas weniger - bislang 15 Femizide und 34 Mordversuche bzw. schwere Gewaltfälle. Ein Femizid ist wohlgemerkt nur der letzte Teil einer Gewaltspirale gegen Frauen, die lange vorher beginnt. In Österreich werden zum Beispiel jedes Jahr ungefähr 15.000 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. All diese Zahlen sind zuletzt leicht gesunken, doch was steckt dahinter?
„15 Femizide sind für ein Land wie Österreich immer noch zu viel“, betont Gewaltschutzexpertin Maria Rösslhumer. Gleichzeitig sieht sie ein positives Signal. Vermehrte Bewusstseinsarbeit und Berichterstattung hätten einen wichtigen Beitrag geleistet.
Einen weiteren Faktor sieht Rösslhumer im Ausbau von Gewaltschutzzentren, Frauenhäusern und Übergangswohnungen. Das Projekt StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt gibt es mittlerweile an 46 Standorten, davon 12 allein in Wien. Mindestens zwei Standorte existieren in jedem Bundesland.
Was sich zuletzt verändert hat
Seit Jahresbeginn gibt es eine Gewaltschutzambulanz an der Medizinischen Universität Wien. Sie bietet Gewaltbetroffenen gerichtsfeste Dokumentation, Spurensicherung und Betreuung. In den ersten acht Monaten wurden bereits 400 Fälle bearbeitet. „Wir erhoffen uns gerichtsfesteres Material“, sagt Julia Brož, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser. Dadurch könnten mehr Täter verurteilt werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Opferschutzzentrum der Wiener Polizei. Seit Oktober 2024 werden dort Gefährdungsanalysen erstellt und Gespräche mit Opfern und Gefährdern geführt. Wird etwa ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen, werden Hochrisiko Fälle sofort an das Opferschutzzentrum weitergeleitet. Ziel ist Prävention: Risiken für eine mögliche weitere Gewalteskalation sollen früh erkannt und entschärft werden.
Wie stark diese Maßnahmen letztlich wirken, lässt sich aber noch schwer beurteilen. Der Zulauf bei den Frauenhäusern habe sich in den letzten Jahren kaum verändert – daher könne man bei den leicht rückläufigen Zahlen noch nicht von einer Entwicklung sprechen. „Wir werden erst in einigen Jahren wissen, ob es der Beginn eines Trends oder ein Ausnahmejahr war“, sagt Brož.
Forderung nach Schulungen
Woran es noch fehlt, ist die Schulung der Justiz. „Richter:innen, Staatsanwält:innen und besonders Familiengerichte sollen zu häuslicher Gewalt ausgebildet werden“, betont Brož. Das gehöre in den Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Dieser wurde kürzlich beschossen und soll bis 2029 verbindlich umgesetzt werden.
Auch Rösslhumer kritisiert den Plan als oberflächlich: Weder das Konsensprinzip („Nur Ja heißt Ja“) noch Schulungen für Justiz sind darin enthalten. „In Österreich haben wir noch immer keine starke Politik an unserer Seite“, sagt sie.
Frauenministerium: „Schwankung keine Trendwende“
Das Frauenministerium betont hingegen, dass der Nationale Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen bewusst Lücken erkennen und schließen soll: „Gewaltschutz ist niemals ein starres Konzept, unter das man ein Häkchen setzen kann. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass kurzfristige Schwankungen leider keine nachhaltige Trendwende bedeuten.“
Das Ministerium betont außerdem Prävention und frühe Intervention: Schon in Kinderbildungseinrichtungen und Schulen sollen patriarchale Denkmuster erkannt und Gewalt verhindert werden. Auch gerichtsfeste Beweissicherung in Gewaltambulanzen und scharfe Konsequenzen für Täter, etwa durch elektronisches Tracking für Hochrisiko-Täter oder Verschärfungen im Sexualstrafrecht, gehören dazu. Moderner Gewaltschutz müsse alle Räume beleuchten – privat, öffentlich und digital, inklusive rechtlicher Konsequenzen bei Deepfakes.
Was sollte ich zu dem Thema noch wissen?
Woher kommt die Gewalt gegen Frauen? Wie erzeugen wir Täter? Wer sind die Opfer und ihre Angehörigen? Welche Schuld tragen oder welchen Beitrag leisten Gesellschaft, Kultur, Medien und Staat? Und was lässt sich verbessern? In unserem preisgekrönten MOMENT.at Podcast "Man tötet nicht aus Liebe" besprechen wir all das ausführlich.
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