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Ungleichheit

Warum ist Flüchtling ≠ Flüchtling?

Barbara Blaha hält einen blauen Luftballon auf dem "Welcome" geschrieben steht
Ukrainer:innen bekommen Zugang zu Arbeitsmarkt, Sozialleistungen und Bildung. Alle anderen Kriegsopfer nicht. Warum macht es einen Unterschied vor welchem Krieg man geflohen ist? Und was brauchen Kriegsopfer - egal woher sie kommen? Gar nicht so viel anderes wie alle anderen, die hier leben: Eine Arbeit, von der man leben kann. Eine bezahlbare Wohnung. Und kostengünstige, ganztägige Kinderbetreuung.
Die Ukraine ist “kein Dritte-Welt-Land”. Wie der “Irak” oder “Afghanistan”. Diese Weisheiten wurden direkt in den ersten Tagen des Krieges betont. US-amerikanische und britische Korrespondent:innen haben festgestellt, dass die Ukraine „europäisch“ und „zivilisiert“ ist. Alles sei besonders emotional, weil die Opfer dieses Mal „blond und blauäugig“ sind, wie die BBC letztens gesendet hat. In deutschen Talkshows wird sinniert, dass ES “diesmal funktionieren könnte”. Weil, das letzte Mal hat es nicht geklappt? Moment mal!
 

Kriegsopfer: 2015 war alles anders

Ob es klappt, oder nicht klappt, mit dem Ankommen aus einem Kriegsgebiet, dafür sorgen eigentlich: Wir. Und die Gesetze, die wir uns geben. Haben wir da seit „dem letzten Mal“ was gelernt? Wer 2015 oder danach aus dem Syrien-Krieg nach Europa geflohen ist, hatte es richtig schwer: Legale Fluchtrouten gab keine, gibts übrigens immer noch nicht. Sebastian Kurz hat ja so gut wie jede Route geschlossen, ob auf dem Landweg, dem Seeweg oder rein in seinen Kopf. Wer es doch geschafft hat, hier Asyl zu beantragen, musste dann mal warten und warten und warten. In den schlimmsten Fällen: jahrelang.

Wer nun vor dem Krieg in der Ukraine flüchtet, erhält automatisch einen Schutzstatus: ganz ohne langwieriges Asylverfahren.

Kriegsopfer erster und zweiter Klasse?

Asylwerber:innen aus der Ukraine haben eine Sonderstellung: Sie haben sofort Zugang zu Arbeitsmarkt, Sozialleistungen und Bildung. Wer aus anderen Ländern nach Österreich flieht, bekommt die gleichen Rechte erst mit einem positiven Asylbescheid. Und während alle anderen auf genau diesen Bescheid warten – jahrelang manchmal – sind sie in der Grundversorgung: Privat oder organisiert untergebracht und verpflegt – oder bekommen ein Verpflegungsgeld.

Arbeiten dürfen sie in der Zeit nicht. Bei Ernte- und Saisonarbeit dürfen sie aushelfen, allerdings darf nur bis 110 Euro im Monat dazuverdienen. Verdienen sie  nur einen Euro mehr, fliegen sie aus der Grundversorgung: Das Dach über dem Kopf ist dann weg. Österreich hat nun wenige Wochen nach Kriegsausbruch nachgebessert: Die Leistungen in der Grundversorgung werden erhöht. Davon profitiert jeder und jede in der Grundversorgung, unabhängig davon, wovor oder woher er geflüchtet ist.

Ukrainer:innen dürfen arbeiten – und mehr verdienen

Bei der Zuverdienstgrenze schaut es anders aus: Die soll NUR für Menschen aus der Ukraine angehoben werden. Statt 110 Euro dürfen sie, wenn es nach dem Innenminister geht, zukünftig 486 Euro im Monat zu ihrer Grundversorgung dazuverdienen. Alle anderen: weiterhin nur 110 Euro im Monat. Wir schaffen hier Kriegsopfer erster und zweiter Klasse: Die einen dürfen so rasch als möglich in den Arbeitsmarkt, gerne auch mehr dazuverdienen, für alle anderen heißt es: Leider warten.

Ganz unabhängig von der Höhe des Zuverdienstes gibt es noch eine ganze andere Frage: 70 Prozent der Flüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen. Viele davon sind mit ihren Kindern nach Österreich gekommen. Selbst wenn sie ein passendes Jobangebot finden, werden sie Kinderbetreuung brauchen. Gerade in den ländlichen Regionen, wo es zum Teil viele offene Stellen gibt, sind die Kindergärten mehr zu als offen. In Oberösterreich hat nur rund einer von 10 Kindergärten länger als 10 Stunden offen. Aber wenn es für die Kinder nur Halbtagsplätze gibt, heißt das für die alleinerziehenden Mamas halt auch nur Halbtagsjobs.

Doch ein Blick in die Job-Datenbank vom AMS zeigt: Die drei Jobs, die für Ukrainer:innen am häufigsten angeboten werden, sind Gastro-Jobs, also Jobs, die gerade nicht besonders familienfreundlich sind – und für Alleinerziehende ohne Kinderbetreuung überhaupt nicht machbar. Ukrainer:innen brauchen Kinderbetreuung, um zu arbeiten.

Ukrainer:innen: Kinderbetreuung dringend benötigt

Dass es anders geht, zeigt übrigens Wien vor: Hier haben 7 von 10 Kindergärten länger als 10 Stunden offen. Übrigens: Wenn geflüchtete Menschen, egal woher sie sind, in Österreich einen Job finden, dann haben wir alle was davon: Die Person hat ein Einkommen, von dem man leben kann, Unternehmen können offene Stellen besetzen und werden produktiver und wer einen Job hat, trägt zu unserem gemeinsamen Haushalt bei – mit Steuern und Sozialabgaben.

Was brauchen geflüchtete Menschen?

Was braucht es also, damit unser Umgang mit geflüchteten Menschen, egal ob aus der Ukraine oder von anderswo, zu einer Erfolgsgeschichte wird:

  • Eine Gleichbehandlung ALLER Kriegsflüchtlinge, egal aus welcher Region. Mit raschem Zugang zum Arbeitsmarkt und menschenwürdiger Unterbringung.
  • Vor allem Alleinerziehende – geflüchtet oder nicht – sind auf gute Kinderbetreuungseinrichtungen angewiesen, die ihnen ermöglichen, Jobs auch anzunehmen. Besonders auf dem Land ist hier eine Brache.
  • Ausreichend lange Übergangsfristen, wenn Geflüchtete die Grundversorgung verlassen sollen – damit sie in Ruhe eine Wohnung finden können.

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