Gendern: Sollten wir geschlechtergerechte Sprache verwenden?
Was ist Gendern?
Gendern bedeutet, in der Sprache alle Geschlechter zu verwenden, die betroffen sind. In vielen Sprachen – auch im Deutschen – wird oft nur die männliche Form verwendet, auch wenn wir über Gruppen von Männern und Frauen sprechen. Diese Ausdrucksform nennt man das “generische Maskulinum”.
Wie kann man Gendern?
Man kann grundsätzlich auf vier Arten Gendern. Durch:
- das Ausschreiben von beiden Geschlechtern: “Lehrerinnen und Lehrer”
- das Verwenden einer Partizipform: “Lehrende”
- einen geschlechtsneutralen Begriff: “Lehrkräfte”
- Sonderzeichen: “Lehrer:innen, Lehrer*innen, Lehrer_innen”
Welche Argumente gibt es für das Gendern?
Beim Gendern sollen Frauen nicht mehr nur mitgemeint sein, sondern auch in unserer Sprache vorkommen. Wer nur die männliche Form verwendet, schließt viele Menschen aus.
Studien zeigen es immer wieder. Verwendet man das generische Maskulinum, stellen sich Menschen meistens auch Männer vor. Wer nach “Politikern” gefragt wird, liefert deutlich öfter Männer als Antwort, als wenn nach “Politiker:innen” oder “Politikerinnen und Politikern” gefragt wird. Hören Mädchen ständig nur männliche Berufsbezeichnungen, sind diese Berufe für sie auch männlich besetzt. Sie trauen sich weniger zu, diesen zu ergreifen. Das gilt auch umgekehrt für Buben, wenn weibliche Bezeichnungen verwendet werden. Rollenbilder setzen sich so fest.
In den Köpfen entsteht so ein falsches Bild der Realität. Wer Frauen wirklich mitmeinen will, muss sie auch direkt ansprechen. Darüber hinaus kann Gendern Menschen mit einschließen, die sich einer anderen oder keiner Geschlechtsidentität zugehörig fühlen.
Kann Gendern und geschlechtergerechte Sprache zu mehr Gleichstellung führen?
Ja. Frauen bewerben sich etwa häufiger für Jobs, die geschlechtsneutral formuliert wurden. Werden Stellenausschreibungen männlich beschrieben, werden Frauen als weniger passend für die Stelle angesehen – obwohl ihnen eine gleich hohe Qualifikation zugeschrieben wird.
Die Sprache erklärt und beseitigt nicht alle Probleme. Aber unterscheiden Sprachen nicht oder weniger nach Geschlecht, gibt es auch mehr Gleichstellung. In solchen Ländern stimmen Menschen seltener mit traditionellen Geschlechtervorstellungen überein, Frauen sind häufiger erwerbstätig und politisch aktiv.
Welche Argumente gibt es gegen das Gendern?
Das wahrscheinlich wichtigste Argument gegen das Gendern: Texte können dadurch schwieriger zu verstehen sein. Das kann durchaus vorkommen. Es kommt dabei allerdings darauf an, wie man gendert. Eine Studie mit Menschen, die auf leichte Sprache angewiesen sind, zeigt: Geschlechterneutrale Bezeichnungen und die Nennung beider Geschlechter hat keinen Einfluss auf das Verständnis. Auch ein Genderstern wird verstanden, wenn er vorher erklärt wurde.
“Zerstört” Gendern durch diese Konstruktionen die Deutsche Sprache? Früher sind wir ja auch ohne ausgekommen. Das stimmt, aber Studien zeigen eben, dass die traditionelle Ausdrucksweise mit dem generischen Maskulinum Nachteile hat. Sie lässt uns die Wirklichkeit falsch verstehen (siehe die Argumente für das Gendern). Und: Sprache steht nie still. Wir reden und schreiben heute anders als noch vor 10, 50 oder gar 100 Jahren. Sprache passt sich an gesellschaftlichen Wandel an. Veränderung kommt manchmal von unten, manchmal von oben – und oft gegen Widerstände: Die Einführung der neuen Rechtschreibung war lange sehr umstritten. Dass wir Delfin statt Delphin schreiben, regt heute niemand mehr auf.
Ich habe ein lustiges Beispiel, das zeigt, wie unsinnig Gendern ist. Ist das kein Grund gegen geschlechtergerechte Sprache?
“Lustige” Beispiele sind ein häufiges Argument gegen das Gendern – etwa zusammengesetzte Wörter wie “Bürger:innenmeister:innenwähler:innen”.
Doch solche Formen werden von niemanden tatsächlich gefordert. Sie dienen eher dazu, die Diskussion ins Lächerliche zu ziehen. Sie kommen in der Realität kaum vor (wie oft sprichst du überhaupt von “Bürgermeisterwählern”?). Und Ungetüme können leicht vermieden werden.
Warum wird aktuell so viel über das Gendern diskutiert?
Gendern gilt vielen als zu fortschrittlich und “woke”. Es wird nicht als Vorschlag für eine gerechtere Sprache gesehen, sondern gilt als Zeichen einer Weltanschauung. Rechte Parteien nutzen diese Stimmung aus und befeuern sie. Sie kämpfen gegen das Gendern an und verbieten es sogar.
Dabei sind die meisten Menschen eigentlich kaum davon betroffen. Nur in wenigen Bereichen wird man damit konfrontiert, etwa Universitäten. Dort gilt geschlechtergerechte Sprache häufig als Beurteilungskriterium. Doch das gilt auch für andere Formalitäten wie korrektes Zitieren oder Layout.
Ist der Rat für deutsche Rechtschreibung gegen Gendern?
Das wird häufig behauptet, aber: Nein.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung gibt vor, wie die Rechtschreibung im deutschen Sprachraum aussehen soll. Er hat im Dezember 2023 bekräftigt, “dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll.” Er ist der Meinung, dass das nicht nur mit veränderter Rechtschreibung geschehen kann.
Sonderzeichen wurden nicht in das amtliche Regelwerk aufgenommen, wofür es eine Zweidrittelmehrheit braucht. Sie seien jedoch sehr wohl zu akzeptieren. Und man beobachte die Situation weiterhin.
Der Verein Deutsche Sprache hat sich klar gegen das Gendern ausgesprochen. Sollte man dem folgen?
Nein.
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) klingt, als wäre er eine offizielle Einrichtung, aber das täuscht. Der Verein ist ganz im Gegenteil höchst kritisch zu sehen. Er ist rechtspopulistisch und heißt auch rassistische Sprache gut. Eines seiner Vorstandsmitglieder nahm an dem rechtsextremen Geheimtreffen im November 2023 in Deutschland teil, bei dem über die Vertreibung von Millionen von Menschen diskutiert wurde.
Durch Gendern werden Frauen nicht gleichgestellt. Sollten wir unsere Energie nicht auf etwas anderes konzentrieren?
Gendern alleine wird die Gesellschaft nicht verändern. Das behauptet auch niemand.
Aber geschlechtergerechte Sprache hat Auswirkungen auf die Realität. Gendern ist eine Möglichkeit, mit der man für mehr Gleichbehandlung sorgen kann. Sie ist relativ einfach umzusetzen.
Die Diskussion darum kann natürlich Aufmerksamkeit von anderen Themen abziehen. Diesen Vorwurf müssen sich vor allem auch Feind:innen des Genderns gefallen lassen, die oft am meisten darüber sprechen.