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Arbeitswelt

"Hast du ein Herz für Kinder?" Das Geschäftsmodell der SpendensammlerInnen

Aufnahme der Mariahilfer Straße Ecke Neubaugasse: Fundraising auf der Straße ist eine umstrittene Methode, um Geld zu sammeln.
Foto: Wikimedia, CC0
Du kennst die jungen Menschen, die dir auf der Straße auflauern. Mit Sprüchen wie "Hast du ein Herz für Kinder?" oder "Fünf Euro im Monat kann sich wirklich jeder leisten, das sind bloß 17 Cent am Tag!" versuchen sie, deine Unterschrift zu bekommen. Ein wenig versteckter agieren die FundraiserInnen, die von Tür zu Tür gehen. Ob im Wiener Gemeindebau oder im Innsbrucker Villenviertel.

Diese Art von Fundraising von Gesicht zu Gesicht ist seit Jahrzehnten in Österreich verankert - und das, obwohl die Methode immer wieder unter Kritik steht. Zahlt sich das aus?
Danny* ist sehr gut in einem Job, den die meisten Menschen nicht mehr als ein paar Wochen durchhalten. Als Spendensammler ging er von Tür zu Tür und drehte Menschen Spendenverträge an. „Ich war erfolgreich und hab daher auch viel verdient“, sagt er. Der Preis? Sechsmal die Woche 10 bis 11 Stunden-Tage, unbezahlte Anfahrten, weder Privatsphäre noch Freizeit. Und das fünf Wochen am Stück.

Die meisten gemeinnützigen Vereine lagern das Spendensammeln an professionelle Agenturen aus. Mit Prämiensystemen machen diese die Arbeit schmackhaft, die zu einem Großteil aus Ablehnung besteht. Das Bonussystem kann sehr kompliziert sein. Je nach Alter der SpenderInnen, Häufigkeit und Betrag bekam Danny mehr oder eben weniger. Er schloss im Schnitt jeden Tag vier bis fünf Spendenverträge ab und gilt damit als Spitzenperformer. Rund 2.000 Euro netto hatte er am Ende des Monats in der Tasche.

„Der Verein zahlt nur, wenn gespendet wird“

Laut Robert Buchhaus rechnet sich das für die NGOs leicht. Er ist Geschäftsführer einer der größten Fundraising-Agenturen Face2Face Fundraising, für die auch Danny arbeitete. „Ein durchschnittlicher Spender bleibt sechs bis acht Jahre erhalten“, sagt Buchhaus, „Für jeden investierten Euro bekommt der Verein vier bis sechs Euro zurück.“ Die NGOs hätten dabei kaum selbst Risiken. „Im Normalfall trägt die Agentur das Risiko. Der Verein zahlt nur, wenn gespendet wird.“ Das macht die Sache für gemeinnützige Vereine lukrativ. Der Erfolgsdruck liegt auf den Agenturen, die den oft an ihre ArbeitnehmerInnen weitergeben.

Im Endeffekt zahlen die Organisationen im Schnitt 15 bis 30 Prozent auf den Gesamtertrag an die Agentur, sagt Buchhaus. „Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass die Spenden gesammelt direkt an die Vereine gehen. Am Ende der Aktion stellt die Agentur dann eine Rechnung.“ Auch die Prämien für die MitarbeiterInnen würden sich auszahlen. „Wenn einer 100 Euro Prämie bekommt, kann er davon ausgehen, dass er das 15-fache für den Verein eingenommen hat. Den Job kann man mit gutem Gewissen machen“, sagt Buchhaus.

Der große Druck geht auf die Psyche

„Man steht unter großem Druck und muss jeden Tag Spender anwerben“, erzählt Danny. „Ein, zwei Tage ohne Spender sind in Ordnung, sind es mehr, fliegt man raus. Das geht stark auf die Psyche. Dann gab es noch die firmeninternen Wettkämpfe. Wir haben untereinander um die besten Zahlen konkurriert.“ Trotz des großen Drucks, der unbezahlten Probetage und den unheimlich langen Arbeitszeiten hat Danny die Zeit in guter Erinnerung. „Für mich war es ein super Job, ein Abenteuer.“

Cordula* hat über die Arbeit kaum Gutes zu berichten. Nach der Matura arbeitete sie für AIWWF, einem Zusammenschluss der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und der Umwelt-NGO WWF. Dort werden MitarbeiterInnen direkt angestellt und haben Anspruch auf Sonderzahlungen, sowie größere Jobsicherheit. „Ich dachte, ich kann Geld verdienen und dabei etwas Gutes tun“, sagt Cordula. Das Fixum betrug etwa 900 Euro netto für einen Monat Vollzeit. „Das war mit 18 Jahren unglaublich viel Geld für mich.“

„Das mit dem schlechten Ruf stimmt nicht“

Schon am ersten Tag erkannte sie, dass der Job nichts für sie war. „Ich habe gleich am ersten Tag geweint. Keine einzige Person wollte spenden und ich war nicht gefasst auf die vielen negativen Reaktionen.“ Ziemlich schnell kam ihr der Gedanke, ob diese Art von Fundraising den NGOs nicht mehr schaden würde.

„Das mit dem schlechten Ruf stimmt nicht“, sagt Karin Ortner, Leiterin der Abteilung Spendenkommunikation der Volkshilfe Österreich. „Es gibt einzelne, die rummeckern und das wird irrsinnig aufgebauscht. Der Erfolg gibt uns Recht“, sagt sie. Für Ortner ist diese Art von Fundraising eine gute Art, direkt mit SpenderInnen in Kontakt zu kommen, die der Volkshilfe lange Jahre treu bleiben.

Frei oder angestellt: Eine Frage des Gelds

Rund 2.000 neue UnterstützerInnen kommen jährlich durch direktes Fundraising zur Organisation, sagt sie. Dafür engagiert die Volkshilfe gleich drei Agenturen. Das komme billiger als eine eigene Abteilung. Das liegt wohl auch daran, dass in der Volkshilfe alle MitarbeiterInnen angestellt sind, Agenturen wiederum oft auf freie DienstnehmerInnen setzen. Das kommt den ArbeitgeberInnen billiger, für die MitarbeiterInnen bedeutet das eine größere Unsicherheit.

Cordula war bei AIWWF fix angestellt. Der Druck beim Spendensammeln auf der Straße war ihr dennoch viel zu groß. Nach ein paar Wochen durfte Ex-Fundraiserin Cordula in das Team wechseln, das von Tür zu Tür ging, um Spenden zu sammeln. Das Team fuhr unter anderem in große Gemeindebauten. Dort kamen ihr noch mehr Zweifel. „Einmal hat eine Frau aufgemacht, im Hintergrund haben Kinder geschrien. Hinter ihr habe ich das Wohnzimmer gesehen, das keine Möbel hatte außer einem einzigen Sessel. Da habe ich mich schon gefragt, wieso ich sie jetzt überzeugen soll, Geld zu spenden, wenn sie doch selbst offensichtlich selbst nicht genug hat.“

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*Die Namen wurden geändert, sind der Redaktion aber bekannt.

 

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