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Arbeitswelt
Ungleichheit

Hohe Arbeitslosigkeit? Die Arbeitslosen sind schuld!

Die enorm hohe Arbeitslosigkeit in Österreich braucht Schuldige. Warum sind so viele Menschen arbeitslos? 3 Gründe, warum Arbeitslose nicht selbst schuld sind.

Sind Arbeitslose selbst schuld? Seit Monaten diskutieren wir in Österreich über die hohe Arbeitslosigkeit, ist ja auch ein wichtiges Thema, die Zeitungen sind voll davon. Dort liest man vor allem was man alles tun muss, damit die Arbeitslosen wieder arbeiten gehen: Mehr Zwang, mehr Druck, weniger Geld. Also an der hohen Arbeitslosigkeit sind …. die Arbeitslosen sind selbst schuld? Das ist zumindest der Eindruck, wenn man den Zeitungen glaubt. 

Die Arbeitslosen sind selbst schuld?

Gehen wir die “Argumente” mal kurz durch:

#1 Das Arbeitslosengeld ist so hoch, dass sich niemand um einen Job bemüht

Leute, wenn es so leiwand wär, arbeitslos zu sein: Warum geht dann überhaupt noch irgendwer arbeiten, hm? Die Wahrheit ist doch: Wer arbeitslos wird, hat von einem Tag auf den anderen nur mehr knapp die Hälfte seines Einkommens. Miete, Strom, Gas, Essen: Das alles halbiert sich aber nicht über Nacht. Rechnet euch das mal kurz durch: Wie sähe das eigene Leben aus, wenn ab morgen nur mehr halb so viel Geld wie bisher da ist? 9 von 10 Arbeitslosen leben an oder unter der Armutsgrenze und hanteln sich irgendwie durchs Monat: Sie verkaufen, was sie an Wertgegenständen noch haben, sie überziehen ihr Konto und warten bei jeder Rechnung, bis die zweite Mahnung kommt. Jeder Vierte borgt sich im Freundeskreis oder in der Familie Geld aus. Jeder 5. geht davon aus, dass er seine Miete im nächsten Halbjahr  nicht mehr zahlen kann.

#2 Arbeitslose sind selbst schuld, dass sie keinen Job mehr haben.

Einfach: Nein. Acht von zehn Arbeitslosen wurden gekündigt, entlassen, ihr Betrieb hat geschlossen oder der Vertrag ist ausgelaufen. Die paar, die von selbst gegangen sind, sind die, die beruflich und finanziell besser gestellt sind. Und: Das Risiko arbeitslos zu werden ist nicht für alle gleich. Der Großteil der Menschen, die arbeitslos sind, waren vorher in Berufen, die schlecht bezahlt und wenig angesehen sind.

#3 Arbeitslose wollen ja nicht arbeiten

So gut wie alle arbeitslosen Menschen suchen aktiv eine Beschäftigung. Im Schnitt hat jede und jeder Arbeitslose im  vergangenen Monat 6 Bewerbungen verschickt. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde jede*r aber im Schnitt nur ein einziges Mal eingeladen. Deutlich schlechtere Chancen, überhaupt zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, haben übrigens: Frauen, ältere Arbeitslose und Arbeitslose, die schon länger arbeitslos sind. Schon nach sechs Monaten ohne Job müssen Arbeitslose im Schnitt 14 Bewerbungen versenden, um einmal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Es ist übrigens auch wurscht, ob man neben der Arbeitslose noch einen kleinen Job hat: 97 Prozent der Arbeitslosen mit Gelegenheitsjobs suchen aktiv nach einer festen Anstellung. Genauso viele Arbeitslose ohne Zuverdienst suchen aktiv einen Job. So gut wie alle also.

Arbeitslose sind nicht selbst schuld

Wir tun aber seit Jahren so, als sei Arbeitslosigkeit ein persönliches Versagen. Das ist praktisch, denn die wirtschaftlichen und politischen Ursachen für Arbeitslosigkeit müssen so weder angesprochen noch gelöst werden. Wem in der Arbeitsmarktpolitik immer nur die Arbeitslosen als Sündenbock einfallen, dem bleiben nur Scheinlösungen.

Was Leute wirklich motiviert, einen Job anzunehmen? Eine faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen, Wertschätzung und Mitbestimmung am Arbeitsplatz, Aufstiegschancen, planbare Arbeitszeiten. Und: Es braucht die Stellen dafür. Wer langzeitarbeitslose Menschen wirklich wieder in einen Job bringen will, der muss diese Jobs halt schaffen. Der Markt wird das nicht richten. Bekämpfen wir Arbeitslosigkeit. Nicht arbeitslose Menschen.

 

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