Hohe Kakaopreise: Chance auf faire Arbeitsverhältnisse?
In Ghana koordiniert die staatliche Firma Cocobot den Handel. Im Moment bekommen Bäuer:innen in Ghana ca. 700€ für eine Tonne Kakaobohnen. Ab Herbst sollen sie laut Cocobot um 1.000€ mehr bekommen. Die “faire” Bezahlung für Landwirt:innen soll auch den Schmuggel unterbieten. Der ist wegen der hohen Kakaopreise zum Problem geworden.
Es klingt wie eine gute Nachricht. Doch mehr Transparenz oder faire Arbeitsverhältnisse schafft diese Entscheidung dabei nicht. Ghanas Ambitionen verpuffen in der Problematik um Rohstoffknappheit und Großkonzerne.
Hohe Kakaopreise: Klimakrise sorgt für Knappheit
Pro Jahr werden rund 5 Millionen Tonnen Kakao produziert (Stand 2021/22). 60 Prozent stammen von der Elfenbeinküste und Ghana. Die Wirtschaft dieser Länder ist so sehr von Kakao bestimmt, dass der gehandelte Preis täglich im Radio verkündet wird.
“Die gesamte Elfenbeinküste gilt als Massenindustrie für Kakao. Nirgendwo gibt es einen so günstigen Preis für Kakaobohnen,” sagt Expertin Gudrun Glocker vom Verein Südwind. Der Handel sei aber seit Jahren ein Wettlauf mit der Zeit: Die Nachfrage steige beständig, gleichzeitig werde das Angebot geringer.
In den letzten Jahren haben vor allem extreme Wetterbedingungen und zu viel Regen dafür gesorgt, dass sich Pflanzen-Krankheiten verbreiten. Die Klimakrise sorgt für schlechte Erträge, während die bäuerliche Bevölkerung älter wird. Zwar gibt es Ansätze, resistentere Bäume zu pflanzen oder sie in Kombination mit anderen Nutzpflanzen zu züchten. Der Großteil der Kakaopflanzen werden aber auf Feldern angepflanzt, auf denen zuvor illegal Wälder abgeholzt wurden. Das ist vor allem günstig, denn Landwirt:innen haben nicht viel Geld.
Scheinbare Lösung der Regierung
Ab dem Saisonbetrieb im Herbst soll in Ghana zumindest der Geldmangel in der Kakaoproduktion enden. Abhilfe für die Landwirt:innen schafft dies aber aus zwei Gründen nicht.
Erstens werden Kakaobohnen eingelagert. Die Preisänderung wirkt sich also erst mit dem nächsten Saisonende tatsächlich auf die Bevölkerung aus. “Auch sogenannte ‘Future-Geschäfte’ spielen eine Rolle”, sagt die Expertin Glocker. Bauern und Bäuerinnen hätten Kakao, den sie erst ernten werden, schon an die Abnehmer verkauft. So würden sich Großkonzerne den derzeitigen Niedrigpreis sichern.
Zweitens werden Landwirt:innen auch in Zukunft aufgrund der Klimakrise weniger Kakaobohnen verkaufen. Laut den Einschätzungen von Glocker gleicht der höhere Preis höchstens aus, was an Mengen weniger verkauft werden kann.
Das EU-Lieferkettengesetz als mögliche Lösung
“In einer Tafel Schokolade sind circa 9 Prozent roher Kakao. Der Preis setzt sich nur zu einem kleinen Teil aus dem Rohprodukt zusammen.”, sagt Glocker. Wegen der steigenden Energiekosten werde in Zukunft der Preis für die Lieferwege und die Weiterverarbeitung steigen. Dass sich teure Schokolade nicht gleich in faire Arbeitsverhältnisse übersetzten lässt, zeigt auch der Osterhasen-Check von Südwind. Nur wo ausdrückliche Marken für faire Produktion draufsteht, ist das auch der Fall. Großkonzerne würden sich, so Glocker, oft nicht um solche Gütesiegel kümmern, da sie eine große Menge an Rohstoffe brauchen.
Ein Weg, wie man Großkonzerne wie Nestlé oder Lindt & Sprüngli zur Verantwortung ziehen könnte, ist das EU-Lieferkettengesetz. Darauf hat sich der EU-Rat vor drei Wochen geeinigt. Der Kern der neuen EU-Lieferkettenrichtlinien sieht vor, dass Unternehmen verpflichtet sind, ihre Zulieferer auf Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechte zu kontrollieren. Glocker schätzt vorsichtig, “dass erst beurteilt werden kann, zu welchem Ausmaß das Lieferkettengesetz greift, wenn es umgesetzt wird.”.
EU-Waldschutzrichtlinie: Hinderlich für Landwirt:innen
Die EU-Waldschutzrichtlinien sehen eine weitere Verordnung vor. Damit wird die Zulieferung aus Anbaugebieten, für die Wälder gerodet wurden, verboten. Das ist zwar gut für die Umwelt, würde aber Bauern und Bäuerinnen aus Ghana treffen, die sich die Einhaltung dieser Standards nicht leisten können. Laut der Expertin würden die Waldschutzrichtlinien vor allem die treffen, die an ihren Verkauf am meisten angewiesen sind.
Ghana selbst hat Ambitionen, die Weiterverarbeitung im Land weiter auszubauen und so neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das deutsch-ghanaische Unternehmen Fairafric beispielsweise stellt seine Schokolade ganz in Ghana her. Um tatsächlich faire Verhältnisse in der Kakaoindustrie zu schaffen, müsste einerseits das kommende Lieferkettengesetz greifen. Dadurch könnte auch die Kinderarbeit eingeschränkt werden, die in der Kakao-Ernte immer noch weit verbreitet ist. Andererseits sollten Unternehmen ihre Schokolade komplett an der Elfenbeinküste herstellen. Wenn das Gesamtprodukt Schokolade in den Ernteländern des Kakaos produziert wird, würde mehr Wertschöpfung in den Produktionsländern bleiben. “Dass das im großen Stil passieren wird, halte ich eher für unwahrscheinlich”, sagt Glocker.