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Ungleichheit

“Wo Widerstand und Willenskraft aufeinandertreffen, ist der Handlungsspielraum groß”

Porträt der Autorin, Aktivistin und Mitbegründerin der Schwarze Frauen Community Ishraga Mustafa Hamid.
Ishraga Mustafa Hamid ist Aktivistin, Autorin und Mitbegründerin der Schwarze Frauen Community. Anlässlich des Black History Month spricht sie mit MOMENT über Sichtbarkeit, Demos und Literatur.
Ishraga Mustafa Hamid wurde im Sudan geboren und lebt seit 29 Jahren in Österreich. 2020 erhielt sie als Würdigung für ihre herausragenden Leistungen das goldene Verdienstzeichen des Landes Wien. Als Aktivistin setzt sie sich mit dem Empowerment und der Selbstbestimmung von Schwarzen Frauen und Mädchen, sowie Frauen aus anderen migrantischen Kontexten, die aufgrund ihres Aussehens diskriminiert werden, auseinander. Hamid ist außerdem Mitbegründerin der Schwarzen Frauen Community.

“Wir schreiben unsere Geschichte/n selbst”, so lautet eines ihrer Projekte. Das Schreiben ist ein bedeutsames Werkzeug in Hamids Leben. Sie sieht es als eine Möglichkeit, Erfahrungen zu teilen und andere zu motivieren, ebenfalls ihre Stimme nach außen zu tragen. Ihre Autobiographie soll im kommenden Jahr erscheinen. Damit will sie nicht nur ihre eigene Geschichte erzählen, sondern auch Migrantinnen, vor allem aus der Schwarzen Community, darin bestärken, sozialen Wandel zu fördern.

Im Interview mit MOMENT erzählt Hamid, was Schwarze Geschichte und Schwarze Zukunft für sie bedeuten.

MOMENT: Was bedeutet der Black History Month und Schwarze Geschichte für dich?

Ishraga Mustafa Hamid: Wenn sich Schwarzsein und Lyrik verzahnt, ergibt das einen leidenschaftlichen Widerstand. Es bedeutet, dass unsere Geschichten als Schwarze Menschen, auch nach Generationen und Generationen, fortwährend überleben. Es zeigt unseren Widerstand und schöpft Empowerment. Ganz nach dem Gedicht der herausragenden Maya Angelou “Still I rise”, so steigen auch wir stetig auf und lassen uns nicht unterkriegen.          

“Just like suns and like moons, With the certainty of tides, Just like hopes springing high, Still I’ll rise.”
Maya Angelou

Welches Ereignis in der Schwarzen Geschichte prägt dich bis heute?

Hamid: In all ihrer Form, von jeder Seite, von jedem Blickwinkel, aus jeder Perspektive ist Schwarze Geschichte zugleich prägende Geschichte. Das Civil Rights Movement trägt natürlich auch viel dazu bei. Rosa Parks und Martin Luther King zeigen, wie groß der Handlungsspielraum sein kann, wenn Willenskraft und Widerstand aufeinander treffen. Die Willenskraft, sich für eine sozial gerechte Gesellschaft einzusetzen, in der sich Schwarze Menschen entfalten können, und der Widerstand, nicht in einem inhärent rassistischen und diskriminierenden System zu fungieren.

Gleichzeitig kann nicht von Geschichte gesprochen werden, ohne den immensen Einfluss von Geschichten selbst zu berücksichtigen. Speziell Geschichten von Schwarzen Kulturschaffenden, wie Audre Lorde, die mir da sofort in den Sinn kommt, formen und prägen Schwarze Geschichte, aber auch Schwarze Identität und Schwarze (Selbst-)Wahrnehmung.

Die Mobilisierung von Schwarzen Menschen für soziale Gerechtigkeit geht aber natürlich weit über den US-amerikanischen Kontext hinaus. Ich erinnere an die Demonstration am 8. Mai 1999 nach dem Tod von Marcus Omofuma. Mehr als 3.000 Menschen zogen durch die Straßen, um sich gegen strukturellen Rassismus auszusprechen. Die traurigen Todesfälle von sowohl Marcus Omofuma im Jahr 1999 als auch von Seibane Wague im Jahr 2003 begleiten mich und prägen weiter mein Bewusstsein als Schwarze Frau.
                       

Wie können wir, BPOC, unsere Geschichte selbst schreiben?

Hamid: Wir haben nicht nur eine Geschichte, sondern Geschichten. Das allein, unsere Identität, unser Wissen, unsere Erfahrungen, schenkt uns einen Reichtum an Geschichten und kann durch das Schreiben verewigt werden. Wir sind die einzigen, die unsere Geschichten selbst schreiben können. Dafür müssen wir zusammenkommen, an uns und unsere Fähigkeiten, Kompetenzen und Stärken glauben, und Raum für Austausch und Solidarität schaffen.
                       

Was wünscht du dir von der Mehrheitsgesellschaft?

Hamid: Wahrnehmung! Ich wünsche mir, dass die Mehrheitsgesellschaft uns wahrnimmt. Ich wünsche mir, dass wir von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen werden, so wie wir sind, ohne Vorurteile, Stereotypen, Klischees und diskriminierende und rassistische Zuschreibungen.

Wie kann politische und aktivistische Arbeit geleistet werden, um BPOC zu unterstützen?

Hamid: Nur gemeinsam können wir es schaffen, weil genau diese Gemeinsamkeit uns stärkt und mobilisiert. Es ist aber auch wichtig, dass wir unsere eigenen Ressourcen anerkennen und für unsere Arbeit finanzielle Unterstützung bekommen.

Wie sieht Schwarze Zukunft für dich aus?

Hamid: Schwarze Zukunft ist auf Solidarität, Zusammenhalt und Sichtbarkeit aufgebaut. Die neue Generation gibt und schöpft Hoffnung. Ich bin davon überzeugt, dass sie die Welt verändern können. Wir sind da, wir sind laut: Black Lives Matter.

 

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