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Demokratie

Julian Assange: Was hat er gemacht?

Julian Assange steht in der ecuadorianischen Botschaft in London und zeigt ein Dokument in die Kamera. Er hat lange weiße Haare und einen Bart
Ein Gericht in Großbritannien entscheidet aktuell darüber, ob Julian Assange an die USA ausgeliefert werden darf. Dort erwartet ihn lebenslange Haft. Für Kritiker:innen ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Was hat Julian Assange eigentlich gemacht?

Wer ist Julian Assange?

Der 52-jährige Australier Julian Assange ist ehemaliger Hacker, investigativer Journalist und Aktivist. Er hat 2006 mit anonymen Partner:innen die Enthüllungsplattform WikiLeaks gegründet. Dort wurden immer wieder sensible Informationen veröffentlicht, die von Journalist:innen oder Whistleblower:innen gesammelt wurden.

Weltweit bekannt wurden Julian Assange und WikiLeaks 2010 mit der Veröffentlichung von Dokumenten über militärische und diplomatische Tätigkeiten der USA. Darunter befand sich unter anderem auch das Video eines Hubschrauberangriffs in Bagdad, bei dem auch Kriegsberichterstatter getötet wurden.

Was hat Julian Assange gemacht?

Julian Assange hat Videos und Dokumente veröffentlicht, die er von Whistleblower:innen zugespielt bekam. Für investigative Journalist:innen ein üblicher Vorgang – sofern die Informationen wichtig für die Öffentlichkeit sind. Das sind die Dokumente über die US-Aktivitäten im Irak und in Afghanistan zweifellos.

Ab 2010 veröffentlicht WikiLeaks Geheimdokumente und Videos, auch bekannt als „Cablegate“. Sie stammten aus Depeschen von US-Botschaften weltweit. Diese zeigen unter anderem, wie die USA die diplomatische Situation weltweit einschätzt. Sie zeigen aber auch mögliche Menschenrechtsverletzungen der USA.

Für die USA gilt das Ausspielen der Dokumente als Akt der Spionage. Assange hat sich deswegen früh darum bemüht, einer Auslieferung an die USA zu entgehen. Er hat sich ab 2012 sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt.

Bis 2019 bekam er dort politisches Asyl, danach wurde er nach einem Machtwechsel in Ecuador und vielen Schikanen schließlich an Großbritannien ausgeliefert und festgenommen. Kurz darauf stellen die USA ein offizielles Auslieferungsverfahren.

Seitdem befindet sich Assange in einem Hochsicherheitsgefängnis. Dort ist er 22 Stunden am Tag in einer Isolationszelle. 2022 hat die britische Regierung der Auslieferung zugestimmt, seine Anwält:innen haben dagegen berufen.

Was wird bei der aktuellen Anhörung im Fall Assange verhandelt?

Der britische High Court entscheidet in der Anhörung darüber, ob Julian Assange noch Rechtsmittel gegen eine Auslieferung an die USA einlegen kann. Die Gewährung der Auslieferung wurde bereits erteilt. Ob die rechtskräftig war, muss das Gericht jetzt entscheiden.

Fällt die Entscheidung für Assange aus, ist eine Auslieferung noch nicht vom Tisch. Er könnte aber zumindest dagegen berufen. Fällt sie gegen ihn aus, könnte er innerhalb weniger Tage an die USA ausgeliefert werden.

Was passiert, wenn Julian Assange an die USA ausgeliefert wird?

Unterstützer:innen von Assange befürchten, dass ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu 175 Jahren unter harten Bedingungen droht. Laut Angaben seiner Anwälte werde Assange in 17 Fällen der Spionage bezichtigt.

Whistleblower:innen, die WikiLeaks sensible Dokumente zukommen haben lassen, wurden dafür in den USA bereits angeklagt. Chelsea Manning erhielt 35 Jahre, wurde aber nach sieben Jahren vom damaligen Präsidenten Barack Obama begnadigt.

Was ist die Kritik an der Behandlung von Julian Assange?

“Die Tatsache, dass er jetzt schon fünf Jahre eingesperrt ist, halten wir für politische Strafjustiz”, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Sie sieht in der möglichen Auslieferung von Julian Assange an die USA einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Arbeit von Journalist:innen. Das betont auch die Organisation “Reporter ohne Grenzen”. Assange habe mit der Veröffentlichung keine Spionage betrieben, sondern wichtige Vorgänge gezeigt, die sonst nicht an die Öffentlichkeit gelangt wären.

Zudem sei der “Espionage Act”, unter dem Assange in den USA angeklagt wird, rechtsstaatlich problematisch, so Hashemi. Bei einer Anklage unter diesen Gesetzen von 1917 kann sich Assange nicht damit verteidigen, dass die Veröffentlichung der Informationen von großer Bedeutung für die Öffentlichkeit war.

“Wenn man Assange unter diesen Bedingungen an die USA ausliefert, schafft man einen Präzedenzfall. Auch für andere Journalist:innen weltweit, die über Menschenrechtsverstöße berichten und dafür dann bestraft werden”, sagt Hashemi.

Was ist die Kritik an Julian Assange?

Auch an Assange gibt es viel Kritik, die sowohl sein Arbeits- als auch sein Privatleben betreffen.

So wurde Julian Assange 2010 von zwei Schwedinnen der Vergewaltigung und sexuellen Belästigung beschuldigt. Sie erstatteten deswegen Anzeige gegen ihn. Wie sich später herausstellte, wollten es die Frauen aber nie bis zu einer Anklage kommen lassen. Zudem wurden einige Details der Klage im Nachhinein umgeschrieben. Das Verfahren wurde jahrelang von Schweden in der Schwebe gehalten. 2017 wurden schließlich alle Ermittlungen ruhend gestellt.

Assange wird auch Nähe zu Russland vorgeworfen. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 veröffentlicht WikiLeaks tausende E-Mails der Demokratischen Partei. Deren Inhalt zeigt, wie die Parteiführung die Nominierung von Bernie Sanders zum Präsidentschaftskandidaten verhindern wollte. Es wurde schließlich Hillary Clinton, die dann gegen Donald Trump die Wahl verlor. Der wiederum äußerte sich mehrfach als großer Fan von WikiLeaks. Bis heute steht der Verdacht im Raum, dass WikiLeaks die E-Mails vom russischen Geheimdienst erhalten hat. Assange bestreitet das.

Assange habe vor allem US-kritische Dokumente veröffentlicht, so Kritiker:innen. Als WikiLeaks 2016 Dokumente zu russischen Geheimdienstaktivitäten bekamt, lehnte man eine Veröffentlichung ab. Erst nach der US-Wahl veröffentlicht WikiLeaks Dateien – über ein Programm, das schon hinlänglich bekannt war.

Wegen eines Datenlecks bei WikiLeaks kam es bei „Cablegate“ zu weiteren Problemen. Durch das Leck kamen nicht nur geprüfte und geschwärzte Informationen an die Öffentlichkeit. Der gesamte Datensatz war einzusehen – inklusive der Namen von Informant:innen und Quellen. 

Warum sind Whistleblower:innen und Journalist:innen wie Assange wichtig?

Es gibt viel berechtigte Kritik an Julian Assange und der Arbeit von WikiLeaks. Doch Dokumente zu veröffentlichen, mit denen die Bevölkerung aufgeklärt wird, gehört zu einer Kernaufgabe von Journalist:innen: “Assange hat mit seiner Enthüllungsplattform Kriegsverbrechen aufgedeckt. Das ist etwas, das aus unserer Sicht absolut schützenswert ist”, sagt Hashemi.

Tatsächlich gehe es um Bestrafung. Die Argumentation von den USA und einiger Medien laute, dass Assange Nachrichtendienste in Gefahr gebracht habe. “Aber das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen wie etwa Verbrechen gegen die Menschlichkeit steht für uns in der Wertigkeit darüber”, sagt Hashemi. Was Assange gemacht habe, sei durch die Pressefreiheit überdies auf jeden Fall gedeckt.

Ist der Fall von Julian Assange mit dem von Alexei Navalny vergleichbar?

Nur oberflächlich. Alexei Navalny hat diktatorische Zustände kritisiert. Er wurde deswegen vergiftet und danach jahrelang zermürbt und gefoltert. Er starb kürzlich in Haft, wurde von einem autoritären Regime ermordet. “Ich würde ein Straflager in Sibirien mit unmenschlicher Behandlung und Folter nicht mit einem britischen Gefängnis vergleichen”, sagt Hashemi. Man könne vielleicht beides unter politischer Strafjustiz einordnen. Doch bei Navalny hatte dieses ein viel größeres Ausmaß als bei Assange.

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