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Arbeitswelt

Ein Interview mit Maria Muhar? Keine großartige Leistung.

Ein Interview mit Maria Muhar? Keine großartige Leistung.
@Lisa Wohlgenannt/ Moment.at
Maria Muhar ist Kabarettistin, Autorin und Sprecherin. Nach der Matura machte sie eine Lehrausbildung zur Köchin, studierte später an der Akademie der bildenden Künste und Sprachkunst an der Angewandten. Mit ihrem ersten Programm “Storno” hat sie 2023 den Förderpreis des Österreichischen Kabarettpreises gewonnen. Die Bühnenfigur des Programms kommt aus einem akademischen, finanziell abgesicherten Elternhaus, aber beansprucht den Arbeiter:innenbegriff nach einer Kochlehre für sich. Sie “steht mit einem Fuß in der Lächerlichkeit”, wie Maria Muhar sagt. Es ist ihre eigene Karikatur.

MOMENT.at: Am 30. Oktober gestaltest Du gemeinsam mit Barbara Blaha einen Abend in der Kulisse. Da geht es um das Märchen von der Leistung, die sich lohnt. Warum bewegt Dich das Thema?

Maria Muhar: Der Leistungsbegriff schwingt immer dann mit, wenn es um Fragen der Gerechtigkeit geht. Deshalb kann eigentlich nur im Zusammenhang mit Chancengleichheit darüber gesprochen werden. Das habe ich in meiner Lehrzeit unmittelbar mitbekommen. Eine Lehre neben einem 40 Stunden Job ist eine Leistung, die gesellschaftlich nicht wertgeschätzt wird. Alle freuen sich dann zwar später, wenn es Fachkräfte gibt, aber der Lehrling gilt trotzdem als der gescheiterte Schüler. Das spüren die jungen Menschen schon sehr früh. 

Ich habe das gesehen, aber eben nur ums Eck. Ich musste nie mit 14 Jahren Vollzeit hackeln, sondern habe die Lehre nach der Matura aus freien Stücken und Interesse am Handwerk gemacht. Andere hatten Existenzängste, den Druck aus dem Elternhaus und die Dringlichkeit, möglichst schnell am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Bei mir war Leerlauf möglich, ich konnte mich entscheiden, wohin die Reise gehen sollte. 

MOMENT.at: Nach der Kochlehre hast Du an der Angewandten studiert. Wie hat sich Dein Leistungsbegriff mit diesen Phasen verändert?

Maria: Ich bin dadurch nicht die Reflektiertheit in Person. Aber ich kann verstehen, warum eine Kellnerin nach einem 12-Stunden-Arbeitstag nicht mehr freundlich ist. Ich habe die Arbeitsbedingungen in der Gastro und Küche mitbekommen und immer noch stark im Hinterkopf. Das macht mir bewusst, wie sehr es ein Privileg und absolute Ausnahme ist, Geld mit etwas zu verdienen, das mir Spaß macht. Natürlich darf ich auch sudern über meinen Beruf. Letztens habe ich mit schwierigen Auftritten gekämpft und meinem Agenten davon erzählt. Er hat gesagt: ”Ich habe kein Mitleid mit dir. Du bist privilegiert.” “Du hast recht”, habe ich gesagt, “aber das will ich jetzt nicht hören.” 

Gerade war ich eine Woche auf Tour und bin geschlaucht und gerädert. Trotzdem ist das alles innerhalb einer Arbeit, die ich mir bewusst ausgesucht habe. Und das mit egoistischen Selbstverwirklichungs-Absichten. Das unterscheidet massiv von Arbeitsverhältnissen, in denen man nur steckt, um sich selbst und die eigenen Kinder zu ernähren. Das versuche ich  mir vor Augen zu führen. Ich glaube, es würde allen Ächzenden im Kunst- und Kulturbetrieb guttun, nachzudenken, unter welchen Vorzeichen sie jammern dürfen. 

MOMENT.at: In welcher Form reflektierst Du dieses Thema auch in Deiner Kunst?

Maria: Die Figur in meinem Kabarett ist zum einen an mir selbst angelehnt und auf der anderen Seite sehr überspitzt. Sie ist lächerlich, weil sie glaubt, sie hat die Arbeiter:innenschaft verstanden, bloß weil sie zwei Jahre lang die Lehre gemacht hat. Gleichzeitig versteht sie nicht, warum ihr von den Arbeiter:innen der Mittelfinger gezeigt wird. Es ist ein erbärmliches “sich den Arbeitskampf an die Fahnen – Heften” aus einer sehr privilegierten Position heraus. Ich beobachte das immer wieder und bin wahrscheinlich auch selbst nicht ganz davon gefeit. 

Auf der anderen Seite erfüllt die Figur auch geringfügige Tätigkeiten, ist zwischendurch beim AMS gemeldet und bewirbt sich für Stipendien. Es stimmt schon: Künstlerische Tätigkeit hat eine gewisse Art von Prekarität in sich. Es ist nur die Frage, wer mit Notfallplänen ausgestattet ist und bei wem die Familie in die Bresche springen könnte. 

MOMENT.at: Wie elitär ist akademische Kunst heute? 

Maria: Ich kann nur über die Bildende und die Angewandte sprechen. Überall gab es Kolleg:innen, die wirklich nicht auf die Butterseite gefallen, aber trotzdem an der Kunstuni gelandet sind. Die mussten schauen, wie viele Jobs sie wie lange aufrechterhalten konnten. Wer wirklich im Kunstbetrieb bleiben will, braucht einen langen Atem, um einmal Fuß zu fassen und auch was zu verdienen. Auf diese Art wird ausgesiebt. Die, die es sich leisten können, prekär zu studieren und nebenbei zu arbeiten, schaffen vielleicht wirklich einmal den Durchbruch. Die, die unter zwei Gastro-Jobs und Studium zusammenbrechen, geben irgendwann auf. 

MOMENT.at: Klassisches Kabarett bewegt sich ja auch oft in “akademischen” und exklusiven Räumen: zum Beispiel im Theater und mit Eintritt. Kann Kabarett selbst einem Klassismus etwas entgegensetzen?

Maria: Der Kabarettbetrieb kämpft selbst immer ein wenig damit, nicht zur “richtigen Kunst” zu gehören, sondern als “Kleinkunst” zu gelten. Er wird anders bewertet, als Teil einer Unterhaltungsindustrie. Aus diesen Kunstinstitutionen kommend, hat es fast schon einen anti-elitären Anspruch. Es kommt stark auf die Spielstätte an. Auf der einen Seite gibt es prestigeträchtige, große Häuser, in denen die Granden aufgetreten sind. Auf der anderen Seite spiele ich genauso in kleiner strukturierten Kulturvereinen am Land. 

Grundsätzlich ist das Publikum im Kabarett um einiges heterogener, als es jemals in einer meiner Ausstellungen war. Kabarett hat einen niederschwelligen und einladenden Charakter. Gerne zu lachen ist ja auch etwas Volkstümliches. Man muss keinen kompletten Diskurs auf der Metaebene bearbeitet haben, um zu verstehen, was auf der Bühne passiert. Was nicht heißt, dass es keinen Anspruch hat. 

MOMENT.at: Du stehst jetzt mit deinem ersten Kabarettprogramm auf der Bühne. Welche Leistung wird im Kabarettbetrieb belohnt, welche nicht? 

Maria: Es gibt immer noch diese krasse Schere zwischen männlichen und weiblichen Künstler:innen. Für viele Frauen führen Kinder zu einem Karriereende. Und das passiert mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und ist mit ein Grund, wieso immer noch so wenige Künstlerinnen gefeatured werden. Durch diese Care-Arbeit verschwinden viele Frauen vom “Markt” und haben es schwer wieder zurückzukommen. In Interviews werden renommierte, ältere Kabarettisten, die fast alle Kinder haben, nie gefragt, welchen Herausforderungen sie mit der Kinderbetreuung gegenübergestanden sind. Dabei würden mich die Antworten darauf sehr interessieren. Für Frauen ist das ein sehr bedrohliches Thema. 

MOMENT.at: Wie spiegelt sich das in Deinem neuen Programm wider?

Maria: Auf der Handlungsebene geht es darin um Elternschaft, aus der Perspektive einer kinderlosen Person. Sie kriegt mit, wie die Freundin als Schauspielerin keine Jobs mehr bekommt, der Mann wegen eines Jobangebots nicht in Karenz geht. Das sind Faktoren, die Kinderkriegen nicht unbedingt attraktiv machen. Die Geschichte entstand auch aus einem persönlichen Antrieb heraus. Ich stehe gerade vor der Entscheidung: Kind, oder nicht? Leibliches Kind, oder nicht? Was bedeutet das für meine Karriere, die ebenfalls gerade in den Kinderschuhen steckt? Über diese Dinge denkt die Bühnenfigur auch nach. 

MOMENT.at: Mit Sexismus ist man in der Kabarettbranche vermutlich schnell konfrontiert. Man denke nur an das falsche Klischee “Männer sind lustiger als Frauen”. Wie gehst Du damit um?

Maria: Ich glaube, das wird auch immer sehr schön am Köcheln gehalten. Wenn Frauen einmal auftreten, wird das oft auf eine seltsame Weise exotisiert und schnell zu einem Frauenpower-Abend mit rosa-eingefärbtem Namen. Die Veranstalter machen damit leider eine seltsame Geschlechtertrennung auf. 

MOMENT.at: Um zum Schluss noch einmal auf den Begriff Leistung zurückzukommen und ihn herunterzubrechen: Was ist für Dich persönlich eine Leistung? Leisten wir hier gerade etwas?

Maria: Es ist keine großartige Leistung, aber auch nicht meine Freizeit. Es ist Arbeit und wohl schon eine Leistung, mich darauf vorzubereiten, über die Fragen nachzudenken und mit dir darüber zu sprechen. Aber es ist nicht mehr wert, als putzen zu gehen. Ich verstehe nicht, was den Unterschied ausmacht. Das kann mir auch niemand erklären. 

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  • frizzdog
    25.10.2024
    gerade auch für kabarettistinnen ist diese bezeichnung "WERTgeschätzt" ein anachronismus. dieses wort ist eine erfindung von Nehammers redeschule glaube ich, die leistung in die verfassung zwingen will.
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  • frizzdog
    25.10.2024
    den ursprung hat das eigentlich im verqueren schulsystem, das bei uns "seit menschengedenken" durch stockkonservative "pädagogen" wie "Professor Karl" der universität Wien geprägt wurde. Richard MEISTERS karriere war auch durch dre regimewechsel 1934, 1938 und 1945 nicht aufzuhalten. sein einfluss wirkt bis heute nach: das GESAMTSCHUL-NEIN der ÖVP zum beispiel.(gute lektüre dazu: uniprof. KarlHeinz GRUBER - Bildungsreform)
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  • frizzdog
    25.10.2024
    ich hasse dieses wort "WERTgeschätzt": es reduziert die persönliche achtung vor einem menschen auf seinen monetären wert. ich kann doch einen menschen schätzen, auch ohne dass er geld abwirft. besonders deutlich wird das am beispiel: behindertenarbeit.
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