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Ungleichheit

Kategoriemieten steigen schon wieder: Ganz automatisch immer teurer

Ab Juli müssen Hunderttausende Haushalte schon wieder mehr Miete zahlen. Die Kategoriemieten wurden erhöht. Gesetzlich festgeschrieben wurden sie an die galoppierende Inflation angepasst. Geht es so weiter, steigen die Mieten bis Jahresende noch einmal. Mieter:innen müssten insgesamt 400 Millionen Euro mehr für die Wohnung ausgeben. Das fette vor allem die Gewinne der Vermieter:innen auf, sagen Kritiker:innen. Aber müssen Gemeinden die Mieten in ihren Wohnungen erhöhen? Ausgerechnet die beiden größten Städte Österreichs geben völlig gegenteilige Antworten.

Ab Freitag wird Wohnen für viele Mieter:innen teurer – schon wieder. Weil die Teuerung immer weiter galoppiert, stiegen die sogenannten Kategoriemieten mit Anfang Juni. Ab Juli werden die erhöhten Mieten erstmals fällig. Um 5,5 Prozent mehr müssen betroffene Haushalte jetzt zahlen. Erst im April war der Kategoriemietzins um 5,47 Prozent nach oben geklettert. Und zum Jahresende erwarten Expert:innen schon den nächsten Sprung.

„Bei uns laufen jetzt die Telefone heiß“, sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung zu MOMENT. „Dass die Mieten schon zum zweiten Mal heuer steigen und noch ein drittes Mal steigen könnten, ist sehr problematisch“, sagt sie.

Kategoriemieten steigen mit der Inflation, Haushalte haben noch weniger

Grund für den erneuten Preissprung ist eine im Mietrechtsgesetz verankerte Inflationsschwelle für Wohnungen, die unter den Kategoriemietzins fallen. Es gilt: Erreicht die Teuerung die Marke von 5 Prozent mehr im Vergleich zur letzten Erhöhung, werden die eingeforderten Mieten um diesen Satz erhöht.

Warum nur zwei Monate nach der letzten Erhöhung die Mietkosten erneut steigen, liegt aber nicht nur an der hohen Inflation: Wegen der Coronakrise setzte die Regierung die eigentlich schon 2021 fällige Mietensteigerung aus – um sie in diesem Jahr in vollem Umfang nachzuholen.

Jetzt leiden insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen sehr darunter, dass etwa die Preise für Lebensmittel steigen und die Kosten für Strom und Heizen geradezu explodieren. Doch die erneuten Mieterhöhungen auch in diesem Jahr auszusetzen, scheiterte dem Vernehmen nach an der ÖVP. „Die haben da nicht mitgemacht“, heißt es aus Kreisen damit befasster Ministerien zu MOMENT. Vorschläge dafür hätten zwar auf dem Tisch gelegen, die ÖVP habe sich aber quergestellt.

Klausel auch am privaten Wohnungsmarkt verbreitet

Von den steigenden Kategoriemieten direkt betroffen sind 145.000 Haushalte, in denen mehr als 250.000 Personen leben. Ihre Wohnungen fallen unter das Mietrechtsgesetz. Die Mietverhältnisse wurden vor 1. März 1994 begonnen. Das betrifft vor allem städtische und genossenschaftliche Wohnungen und auch Altbauten im Privatbesitz, die vor 1945 erbaut worden sind.

Aber auch 434.000 weiteren Haushalte am privaten und ungeregelten Wohnungsmarkt flattern jetzt erhöhte Mietbescheide ins Haus. Denn sie haben eine Klausel im Vertrag, die genauso wirkt: Sobald die Inflation um 5 Prozent steigt, steigt die Miete. Diese sogenannten Wertsicherungsvereinbarungen, „sind flächendeckend verbreitet“, sagt Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) zu MOMENT.

Und das ist noch nicht alles: Mit den Kategoriemieten steigen auch die Verwaltungskosten für Mieter:innen – und zwar in einer Million Haushalten in Österreich. Dort leben 2 Millionen Menschen. Mieter:innen müssen also immer tiefer in die Tasche greifen: Die Mieterhöhungen von April, Juni und der zum Jahresende erwarteten neuerlichen Steigerung kosten sie mehr als 400 Millionen Euro mehr an Mieten. Das berechnete die Arbeiterkammer.

MOMENT erfragte die Zahlen im Detail: Wer zur Kategoriemiete lebt, würde dann im Schnitt 449 Euro mehr pro Jahr nur für die Wohnung zahlen müssen. Noch mehr zahlen Mieter:innen am privaten Wohnungsmarkt: 641 Euro pro Jahr könnten für sie im Durchschnitt fällig werden. In die Berechnung flossen auch die schon im April angehobenen Richtwertmieten ein. Im Schnitt 294 Euro zahlen die 354.000 davon betroffenen Haushalte seit April mehr. Und: Im April 2023 steht hier schon die nächste Erhöhung ins Haus.

Kritik: Was haben Mieten mit dem Preis für die Butter zu tun?

„Menschen, die sich jetzt wenig leisten können, müssen immer mehr zahlen. Sozialleistungen werden dagegen nicht erhöht“, sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunal und Wohnen bei der AK. Aus seiner Sicht ist es nicht nachvollziehbar, warum die gesetzliche Erhöhung der Kategoriemieten an den Verbraucherpreisindex gekoppelt ist. Das ist eine Auswahl von Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs – etwa Nahrungsmittel und Fahrtkosten, aber auch Wohnung und Energie. Letztere Kategorie war zuletzt größter Preistreiber.

Ritt sieht keinen Grund, warum Mieten automatisch teurer werden sollten, nur weil die Butter im Supermarkt mehr kostet oder die Gaspreise wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine explodieren. „Das ist kein Argument für erhöhte Mieten“, sagt er. Schließlich würden Mieteinnahmen häufig verwendet, um laufende Kredite auf die Häuser zu tilgen. Die wurden durch die Inflation aber nicht teurer.

Kosten, die entstehen, um das Haus zu erhalten, würden durch den sogenannten Erhaltungsbetrag abgedeckt. Der stieg jetzt ebenfalls und sei aus Sicht von Ritt ausreichend. Die wegen der Inflation automatisch steigenden Mieten, würden also vor allem die Gewinne der Vermieter:innen auffetten, so Ritt. Dagegen wehren können sich Mieter:innen nicht.

Immobilienbranche hält Erhöhung für gerechtfertigt

Naturgemäß anders sieht das Anton Holzapfel vom Verband der Immobilienwirtschaft. „Die Erhöhung ist gerechtfertigt“, sagt er. Bei den derzeit fälligen Kategoriemieten von rund 4 Euro pro Quadratmeter für Wohnungen der Kategorie A bis runter zu einem Euro für Kategorie-D-Behausungen, „brauchen sie das, wenn sie die Erhaltung sicherstellen wollen“. Mehr Gewinne für Vermieter:innen bringe das nicht.

Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung widerspricht: Mieten von 8 bis sogar 12 Euro pro Quadratmeter für Wohnungen am freien Markt, die jetzt ebenfalls erhöht wurden, stünden Erhaltungsbeträge von 2 Euro pro Quadratmeter entgegen. „Also das geht sich schon aus“, sagt Hanel-Torsch. „Es geht nur darum, höhere Gewinne zu machen.“

Aus Sicht des ÖVI stimmt das nicht. „Bei privaten Vermietungen wird immer das Bild gepflegt, sie wollten größtmögliche Profite machen“, sagt Anton Holzapfel. „Wenn sie jetzt fordern, Mieterhöhungen auszusetzen, müssten sie genauso die Preise für Diesel und Lebensmittel begrenzen“, sagt Holzapfel. Er könnte sich allerdings vorstellen, die Mieten nicht mehr ab 5 Prozent Inflation automatisch anzupassen, sondern erst ab 10 Prozent – dann aber natürlich selbstredend auch um diesen Satz. Weniger teurer wird Wohnen für Mieter:innen dadurch nicht. „Es würde die Erhöhungen nicht aussetzen, aber strecken“, sagt Holzapfel.

Auch Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung möchte das System der Kategoriemieten ändern. Es sei nicht einzusehen, Mieterhöhungen an die generelle Teuerung zu koppeln. Zudem werde so eine Spirale in Gang gesetzt, in der steigende Mieten die Inflation mit nach oben treiben. Und das führe dann dazu, dass die Kategoriemieten wieder angehoben werden. Für Hanel-Torsch ist das ein Konstruktionsfehler im Mietrechtsgesetz. „Als man das einführte, ging man wohl davon aus, dass es alle zwei Jahre notwendig wird, die Mieten zu erhöhen“, sagt sie. „Nicht bedacht wurde, was passiert, wenn die Teuerung so anzieht“.

Vorbild Schweden: Jährliche Verhandlungsrunde um Mieten

Sie schlägt vor, einen eigenen Index für gesetzliche Mieterhöhungen zu finden. „Man könnte zum Beispiel den Durchschnitt der Abschlüsse bei den Kollektivverträgen hernehmen“, sagt Hanel-Torsch. Oder nach Schweden schauen: Dort setzen sich Vertreter:innen der Vermietungen einmal jährlich mit denen der Mieter:innen zusammen und verhandeln direkt, um wieviel die Mieten steigen sollen.

In einem Entschließungsantrag der SPÖ im Nationalrat schlug die Partei vor, Richtwert- und Kategoriemieten um jährlich 2 Prozent steigen zu lassen. Das entspricht dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) angepeilten Ziel für die Inflation im Euroraum. Im gleichen Antrag fordert die SPÖ die schwarz-grüne Regierung auf, die automatischen Mieterhöhungen bis 2025 auszusetzen. Ein frommer Wunsch.

Und: Das SPÖ-regierte Wien reichte in ihren gemeindeeigenen Wohnungen bisher alle Mieterhöhungen im Jahr 2022 an die Mieter:innen weiter. MOMENT wollte wissen, warum die Stadt und deren kommunale Hausverwaltung Wiener Wohnen nicht darauf verzichtet, in ihren Gemeindebauten die gestiegenen Mietsätze den Bürger:innen in Rechnung zu stellen. Doch: Sie hätten schlicht keine Wahl, sagt Unternehmenssprecher Stefan Hayden. Weil es im Gesetz steht, „muss Wiener Wohnen die gesetzlich vorgesehene Erhöhung der Mietzinse umsetzen“.

Müssen Gemeinde jetzt höhere Mieten einfordern? Graz sagt nein

Andere Städte machen nicht dabei mit, die Kategoriemieten zu erhöhen, Graz etwa. „Wir verzichten darauf, die Mieten in städtischen Wohnungen in diesem Jahr zu erhöhen“, sagt Georg Fuchs, Sprecher von KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr. Möglich machten das Rücklagen, auf die die Stadt nun zurückgreife. Warum geht hier, was in Wien nicht erlaubt ist? Nun: „Die Erhöhungen sind nicht gesetzlich vorgeschrieben“, sagt Fuchs. Ausgerechnet die beiden größten Städte Österreichs legen das Gesetz also völlig gegenteilig aus. Die jetzt erhöhten Mietsätze, „geben nur einen Rahmen vor. Kein Vermieter ist verpflichtet, den Mietzins anzuheben.“

*Update 1.7.2022: Der Artikel wurde um Aussagen von Wiener Wohnen ergänzt.

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