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Demokratie
Ungleichheit

Kindergartenmilliarde – eine Mogelpackung?

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Endlich mal wieder gute Nachrichten: 1 Milliarde Euro geht an die Kindergärten in diesem Land. Juhu! Jubel!  Dann ist ja jetzt alles erledigt und in Ordnung im Kindergarten... Moment mal mit Barbara Blaha!

Im Kindergarten haben wir ein echtes Problem: Oder eigentlich gleich mehrere.

Das heißt: Diese Probleme, die lösen wir bis dato mit dem schlechten Gewissen der Mütter, die dann eben doch daheim bleiben. Und dem Engagement der tausenden Elementar-Pädagog*innen, die sich jeden Tag zerreißen, damit die Kinder die bestmögliche Bildung bekommen…trotz dieser miesen Bedingungen. 

Die Kindergartenmilliarden-Mogelpackung

Jetzt also: eine Milliarde, ja das hört sich nach viel Geld an? da muss man doch was bewegen können damit. Sicher – aber nicht so viel wie gedacht, denn die Milliarde, die – Achtung, Kleingedrucktes – die gibt es verteilt über die nächsten fünf Jahre.

Der Kurier schreibt: „Die Bundes-Mittel werden von 142,5 Mio. Euro für die nächsten fünf Jahre auf jährlich 200 Mio. Euro steigen. Die ‘Kindergartenmilliarde’ besteht somit aus 287,5 Millionen Euro ‘frischem Geld’.”
Und weil wir weder Öffnungszeiten noch Löhne mit Einmalzahlungen verbessern können, sondern nur mit einem laufend höheren Budget…ist das eine Mogelpackung.

So, wie wenn der Chef sagt: Hey, du bekommst 1.200 Euro mehr Gehalt…ähm, ich meine natürlich 10 Euro pro Monat … aber gerechnet auf die nächsten 10 Jahre sind das ja 1.200 Euro!

Genauso müsste es eigentlich statt “Milliarde” heißen: “Über die nächsten fünf Jahre jeweils 57,5 Millionen mehr für Kindergarten”.

Aber das macht sich in den Schlagzeilen halt deutlich weniger gut.

Was sind die Barcelona Ziele?

Ja, diese wunderhafte Geldspritze soll uns nicht nur die Lage der Kinder verbessern, sie soll uns auch helfen, unsere Vorgaben endlich zu erfüllen, also endlich die Barcelona-Ziele der EU zu erreichen.
Vor 20 Jahren hat sich die EU auf Kinderbetreuungsziele geeinigt: Bis 2010 sollte jedes dritte Kind unter 3 und neun von zehn Kindern zwischen 3 und 6 in den Kindergarten gehen. Österreich verfehlte das Ziel schon vor 10 Jahren ziemlich deutlich, und Überraschung – wir haben es immer noch nicht erreicht. 
 
Das Problem: Die 200 Mio. jetzt werden da nicht viel ändern. Die reichen hinten und vorne nicht…wir müssen an eine ganz andere Baustelle ran.

Die Kindergarten-Baustellen

An die Arbeitsbedingungen: Nur 6 von 10 ausgebildeten Pädagog:innen arbeiten tatsächlich im Kindergarten – die anderen schauen, dass sie schnellstmöglich woanders unterkommen.
Und auch in den ersten zwei Jahren im Job, den übrigens zu knapp 98 Prozent Frauen machen wird, ist die Dropout-Rate hoch. 

Wie kann das sein? Die Rahmenbedingungen sind mies. Die Kolleg:innen kommen hochmotiviert aus der jahrelangen Ausbildung, nur um dann zu sehen, dass alles, was sie gelernt haben, in der Praxis eh nicht zu machen ist. Weil die Gruppen zu groß sind, weil die Zeit fehlt, weil das Personal fehlt.

Laut internationalen Richtlinien sollte auf 10 Kinder eine:r Kindergartenpädagog:in kommen. Daran halten sich in Europa nur Dänemark und Finnland. Österreich zählt mit Frankreich und Polen zu den europäischen Schlusslichtern, bei uns kommen in den meisten Bundesländern auf eine Pädagog:in auf 25 Kinder.

Wenn wir wollen, dass der vielleicht wichtigste Bildungsbereich ernsthaft arbeiten und die Bedürfnisse unserer Kinder im Blick haben kann, dann muss da viel, viel mehr Geld rein, eine Milliarde pro Jahr – und zwar pronto.

Was sich im Kindergarten verändern muss?

Was es braucht: Kinderbetreuung ist Kinderbildung: Die muss genauso kostenfrei sein wie später die Schule. Wer Kinder bildet, muss anständig bezahlt werden. Die Löhne der Pädagog:innen gehören rauf – und ihre Arbeitszeit runter.

Einen Rechtsanspruch auf einen Vollzeit-Kindergarten-Platz. Sonst bleibt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die allermeisten Frauen ein Balanceakt voller Stress, schlechtem Gewissen und Verzicht auf eigene Bedürfnisse.

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