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Kapitalismus
Demokratie

Korruption? Nur her mit den Inseraten!

Österreich hat ein Problem mit Inseraten und Korruption. Und das nicht erst seit Sebastian Kurz. Moment mal mit Barbara Blaha!
 

Schattenkanzler Kurz, äh, Schallenberg ist jetzt im Amt, dann kann ja jetzt alles wieder „normal“ weitergehen. Fassen wir die Ereignisse in Österreich noch einmal zusammen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sebastian Kurz, Thomas Schmid, und die ÖVP als Ganzes. Weil sie den Verdacht hat, dass um Steuergeld Umfragen gekauft worden sind, die die Basis sehr freundlicher „Berichterstattung“ über Sebastian Kurz waren: Und diese Bom-basti-sche Berichterstattung wurde vom Finanzministerium bezahlt. Das heißt: Die ÖVP schmeißt eine fette Basti-Imageparty auf Kosten eines Ministeriums. Am Ende also auf Kosten von Österreich.

Jetzt sind natürlich alle total entsetzt, korrupt, nein! Wie kann denn sowas sein? In Österreich Steuergeld wurde verwendet, um freundliche Berichterstattung zu kaufen? Na huch.

Österreich hat ein Problem mit Inseratenkorruption

Ja, DAS Österreich natürlich besonders. Aber schon auch DAS Österreich, das Land der Berge.

Und das hat Österreich nicht erst seit gestern. Der Nationalratspräsident Sobotka gibt die Inseraten-Affäre es offen zu: „Sie kennen das Geschäft. Für’s Inserat gibt’s ein Gegengeschäft. Das wird man ja wohl machen dürfen.“ Ja gut, das war nur im Fellnerfernsehen, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Aber sogar Ex-Kanzler Kurz sagt’s: „Na hoffentlich gibt’s eine Gegenleistung, Berichterstattung und ein Inserat“.

Die Inseratenaffäre kostet Österreich Geld

Diese Gegenleistungen kostet Österreich jedes Jahr irrsinnig viel Geld. Ein Beispiel: 2020 hat die Bundesregierung um mehr als 33 Millionen Euro Inserate geshoppt. Und das mit klaren Präferenzen. Von 10 Euro landeten 6 Euro bei nur 3 Zeitungen: Krone, Heute und Österreich.

Der damalige Bundeskanzler Kurz (damalig, daran muss man sich ja jetzt gewöhnen) hatte über das Kanzleramt mehr als 15 Millionen Euro Inseratenbudget selbst zu verantworten – also fast die Hälfte der Kosten waren Chefsache des Altkanzlers. Und er hat gleich 8 von 10 Euro  in den Boulevard geballert.

Rechnen wir alles zusammen, was die öffentliche Hand in Österreich in die Zeitungen steckt – Presseförderung, Rundfunkförderung, Inserate der Bundesländer, dann hat allein 2020 die Krone 33 Mio. Euro bekommen, Österreich 22 Mio. Euro, Heute 18 Mio. Euro. Diese drei Zeitungen allein haben 2020 also gemeinsam fast 75 Millionen Euro an Steuergeld eingesackt.

Die beiden Gratisblätter gäbe es ohne diese Inserate in Österreich wohl nicht mehr. Sie machen bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes mit: Regierungsinseraten. Die wir bezahlen. 

Inseratenkorruption: Besonders im Wahlkampf beliebt

Besonders lukrativ sind für den Boulevard natürlich eine Pandemie – oder ein Wahlkampf.

Aber nicht etwa wegen der Parteien, nein. Immer, wenn in Österreich gewählt wird, haben auf wundersame Weise Regierung und Ministerien ein erhöhtes Mitteilungsbedürfnis. Fast so, als würden sich Parteien in der Regierung hier einen Vorteil gegenüber der Opposition, ja, erkaufen. Mit unserem Geld!

Im Wahlkampfjahr 2017 gab die Bundesregierung 22,6 Millionen Euro für Eigenwerbung aus. Wie viel Geld das ist, zeigt der Vergleich mit Deutschland. Unsere Regierung gibt 2,21 Euro pro Kopf für Werbung aus, in Deutschland langen läppische 15 Cent pro Kopf.

Die österreichische Stimme ist also an der Urne fast 15 Mal so viel wert wie die Deutsche und will dementsprechend mit mehr Werbung umgarnt werden? Nein. Der Grund: In Deutschland hat schon in den 70er-Jahren das Bundesverfassungsgericht geklärt, dass Ministerien und Co, wenn der Wahlkampf näher rückt, nicht einfach ihre Inserate-Budgets vervielfachen dürfen.

Was in Deutschland seit 40 Jahren Standard ist, dazu haben wir Ibiza gebraucht: Ein einziges Mal hat es in Österreich (fast) keine Regierungsinserate gegeben in Wahlkampfzeiten. Und zwar unter Kanzlerin Bierlein.

Wird wohl ein einmaliges Vergnügen gewesen sein. Aber tun wir nicht so, als wäre an der Inseraten-Affäre nur die Politik schuld.

Was es wirklich braucht:

  • Schluss mit Regierungsinseraten.
  • Ein Transparenzgesetz, das Öffentlichkeitsarbeit und Auftragsstudien der Regierung nachvollziehbar und öffentlich zugänglich macht.
  • Einen starken und parteipolitisch unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der zumindest online völlig unabhängig von Werbeeinnahmen ist.

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