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Demokratie
Ungleichheit

Was ist Leistung? Und wer leistet? Wie die ÖVP das sieht

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Die ÖVP steuert auf einen Wahlkampf zu, in dem sie viel über Leistungsträger:innen sprechen wird. Aber was ist für sie eine Leistung und wer erbringt sie? Natascha Strobl analysiert.

Das Nehammer-Video für Hamburger und gegen Armutsbetroffene ist für die ÖVP desaströs. Deshalb wirft die Kanzler-Partei alles nach vorne. Es scheint, dass sie im kommenden Jahr einen Wahlkampf “für Leistungsträger“ machen will. Doch wen meint sie damit?

Die geleakten Aufnahmen waren aus PR-Sicht eine Katastrophe: Ein offenbar schon etwas weinseliger Kanzler Karl Nehammer steht vor einer Runde von Wirtschaftsleuten und richtet armen Familien aus, wo sie günstig essen können: “Wisst ihr was das billigste Essen ist? Es ist nicht gesund, aber es ist billig. Ein Hamburger bei McDonalds.” Und überhaupt, fragt er: Warum hackeln diese Frauen nicht mehr?! Das alles hat – logischerweise – für viel Aufregung gesorgt.
 

Die übersehene Passage des Nehammer-Videos

Fast untergegangen ist da eine andere Passage:

Ein Mann im Raum sagt: „Ich habe kein Problem, wenn einer 30 Stunden arbeitet, oder 20. Aber ohne Subventionen von uns allen, die fleißig arbeiten.“

Nehammer nickt und sagt dann: „Jaja. Da bin ich bei dir.“

Dafür gab es zustimmendes Raunen und enthusiastisches Nicken. 

Was passierte, nachdem das Video öffentlich wurde, ist bekannt: Anstatt sich zu entschuldigen, setzt die ÖVP nach. „Er sagt, was viele denken“, schreibt sie auf ein Sujet nebem Nehammer. Das nennt man Doubling Down. Den Fehler nicht eingestehen, sondern noch einen draufsetzen. Der Kanzler würde nur aussprechen, was viele denken. Und außerdem stehe man dazu, für Leistungsträger:innen Politik zu machen.

Was ist Leistung?

Aber wer ist schon gegen Menschen, die Leistung erbringen? Für Leistungsträger:innen sein – das ist sehr einfach. Die Frage ist demnach immer, wen man damit meint. Was ist eine Leistung? Und wer sind denn die Leistunsgträger:innen im ÖVP-Verständnis? 

Die ÖVP hat ein hart neoliberales Weltbild, wenn es um Leistung geht. Leistungsträger:innen sind die, die gut verdienen. Das ist immer der Rahmen, in dem sie diesen Begriff verwendet. Für ein hohes Einkommen, muss man in dieser Logik besonders leistungsorientiert, besonders fleißig sein. Und damit ist man automatisch ein moralisch guter Mensch. 

Das deutet auch an, warum diese Runde von Unternehmer:innen sich als Opfer von Teilzeit arbeitenden Frauen und armen Kindern sieht. Die verdienen nämlich nicht gut. 
 

Wer ist Leistungsträger:in?

Die Logik ist kapitalistische Naivität. Darin sind vor allem CEOs und Manager besonders tolle und fleißige Menschen. Kindergarten-Pädagoginnen sind dann hingegen eher keine Leistungsträger:innen. Und jede Arbeit, die daheim gemacht wird, fällt aus dem Leistungsdenken sowieso komplett raus. 

Dementsprechend fällt es auch mit der Vorstellung zusammen, dass nur die Leistungsträger:innen früh aufstehen, um Leistung zu erbringen. „Normal sind für mich jene, die in der Früh aufstehen und zur Arbeit gehen“, sagte Karl Nehammer in seinem Normal-Video. “Wir sind die Partei für die, die früh aufstehen, hart arbeiten und am Ende des Monats mehr davon haben wollen”, sowas sagt die ÖVP immer wieder – so etwa im Wahlprogramm 2013.
 

Der Fetisch der Frühausteher:innen

Aber stehen nur ihre Leistungsträger früh auf? Während CEO und Managerin noch friedlich schlummern, putzt bereits jemand ihre Büros. Und tausende Mütter und Väter sind wach, wechseln Windeln, bereiten Fläschchen zu oder lesen eine Geschichte vor, um einen besonders bösen Traum vertreiben. Manchmal findet auch einfach nur ein Kind, dass 3 Uhr 26 ein guter Zeitpunkt ist, um vier Stunden wach zu sein. 

Das betrifft im Übrigen auch pflegende Angehörige. Die haben einen Knochenjob, der nie aufhört. Von der emotionalen Belastung sprechen wir hier noch gar nicht. All das sind Tätigkeiten, die überproportional Frauen verrichten. Oft arbeiten sie “nur Teilzeit”, weil es gar nicht anders geht und weil sie vielleicht auch gar nicht anders können oder möchten. 

Kapitalismus-Romantik fernab der Wirklichkeit

In das Ideal des neoliberalen Leistungsträger-Fetisch passt das nicht. Das lautet: 40 Stunden oder mehr Lohnarbeit und möglichst reich werden. Das, was da in der Nobel-Weinbar bewundert wird, ist angewandte Kapitalismus-Romantik. Sie hat mit der Realität nur nichts zu tun. 

Viele Leute in harten Jobs müssen sogar mit Sozialhilfe aufstocken, weil das Geld zum Leben nicht reicht. Aber in dieser Logik hat man es dann nicht verdient, auch nur über die Armutsgrenze gehoben zu werden. Mit Leistungsträger:innen sind diese Menschen nämlich nicht gemeint.

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