Lieferando kündigt alle Fahrer:innen – Prekär Beschäftigte sollen Profite sichern
Der Lieferdienst „Lieferando“ kündigt laut einer aktuellen Meldung im Standard all seine Fahrer:innen. Fast 1.000 Menschen verlieren ihren Job. Künftig sollen die „Rider“, die das Essen vom Restaurant zur Haustür der Kund:innen bringen, als prekäre Beschäftigte für das Unternehmen arbeiten. Ohne Urlaub, Krankenstand oder Jobsicherheit. Auch ein eigenes Gefährt müssen die „freien Dienstnehmer:innen“ mitbringen.
Seit 2023 sieht der Kollektivvertrag für Fahrradboten ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.730 Euro für 40 Stunden die Woche vor. Diese Niedriglöhne will sich der multinationale Konzern offensichtlich nicht mehr leisten. 90 Prozent der Beschäftigten sind laut Angaben des Standard Männer. Viele der Betroffenen sind Menschen, die am Arbeitsmarkt sonst schlechte Chancen haben. Etwa Asylberechtigte, die noch nicht die nötigen Sprachkenntnisse für andere Berufe haben. Man muss annehmen, dass viele von ihnen künftig wenig andere Wahl haben, als zu schlechteren Bedingungen für Lieferando zu arbeiten.
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Hinter Lieferando steckt der multinationale Konzern „Just Eat Takeaway“. Der ist in 17 Länder aktiv und meldet in seinem jüngsten Finanzbericht einen jährlichen Umsatz von 26,3 Milliarden Euro und einen Gewinn von 460 Millionen Euro (EBITDA). Im Bericht meldet man auch, dass man zuletzt jährlich Aktien im Wert von 150 Millionen Euro zurückkaufte. Erst kürzlich gab der Investor „Prosus“ bekannt, dass man den Konzern demnächst für 4,1 Milliarden Euro übernehmen werde. Der hält auch fast ein Viertel der Anteile an „Delivery Hero“ – dem Konzern hinter dem Lieferdienst Foodora.
Möglich werden diese Umsätze, weil man den Arbeitnehmer:innen in allen Ländern wenig zahlt und teure Gebühren für Restaurants verrechnet, die etwa ein Drittel des Preises an die Lieferkonzerne abdrücken müssen. Zusätzliche Profite sollen auch in Österreich künftig Menschen ohne gesicherte Arbeitsverhältnisse einfahren.
Lieferando hat einen Marktanteil von über der Hälfte der Essenslieferungen. Das Unternehmen folgt hierzulande mit diesem Schritt zum Abbau von Arbeiterrechten und der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen der Konkurrenz. Andere Dienste wie Wolt und Foodora stellten bereits bisher ihre Fahrer:innen nicht an. Für die großen Lieferdienste ist der vor nicht allzu langer Zeit beschlossene Kollektivvertrag für Lieferbot:innen damit ausgehebelt.
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