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Arbeitswelt
Kapitalismus
Ungleichheit

Warum die Löhne jetzt stärker als die Preise steigen müssen

Warum die Löhne jetzt stärker als die Preise steigen müssen
Die Lohnverhandler:innen stehen vor einer Mammutaufgabe. Es gilt, die riesigen Kaufkraftverluste aus den letzten Jahren weiter ausgleichen. Gelingt das, profitiert davon auch die Wirtschaft. Oliver Picek kommentiert.

So fix wie bescheidenes Wetter bringt der Herbst jedes Jahr die HerbstlohnrundeEinmal im Jahr setzen sich die Organisationen der Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zusammen und schauen sich an:

Erstens: Wie sehr sind die Preise gestiegen im vergangenen Jahr? Das kennen wir als Inflation.

Zweitens: Um wie viel produktiver ist die Branche? Die Maschinen werden jedes Jahr besser, die Abläufe effizienter.

Auf Basis dieser Zahlen wird dann um Anpassungen der Kollektivverträge und Löhne verhandelt. Heuer, so warnen viele Wirtschaftsforscher:innen, da stecken wir wirtschaftlich in der Krise. Da geht sich nichts aus. Lohnzurückhaltung sei das Gebot der Stunde.

Arbeitnehmer:innen haben hohe Verluste

Allerdings: Wer gerade arbeitet oder in Pension ist, hat zwischen Jahresbeginn 2022 und Ende 2023 im Schnitt 1.400 Euro an Kaufkraft verloren. Insgesamt sind das 10,4 Milliarden Euro.

Die Preise der Unternehmen sind davongeflogen. Das trifft alle, die hierzulande leben und arbeiten. Die Folgen zeigen sich nun auch in der Statistik: Die Armut in Österreich ist heute höher als noch vor fünf Jahren. Auch die Einkommensungleichheit – also die Schere zwischen Hilfsarbeit und Management –  ist wieder stärker auseinander gegangen.  

Teuerungskrise: Wenige gewinnen auf Kosten aller anderen

Was ist passiert in den letzten Jahren? Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine stiegen die Gaspreise – eine Teuerungswelle wurde ausgelöst. Die hat Österreich ärmer gemacht. Regierung und Sozialpartner hätten sich gemeinsam hinsetzen, und überlegen können: Wie teilen wir uns das auf, wenn der Kuchen kleiner wird? Wie sichern wir die Menschen finanziell ab? Stattdessen galt die Devise: Jeder ist auf sich gestellt.

Obwohl Österreich als Ganzes ärmer wurde, wurden einige reicher. Die Unternehmen konnten die Preise erhöhen, wie sie wollten. Preisbereinigt haben allein die Energiekonzerne über 7 Milliarden Euro Übergewinnen eingefahren. Auch die österreichischen Banken haben sich dank rasant steigender Zinsen eine goldene Nase verdient. Viele Unternehmen haben ihre Profite verteidigt, indem sie die gestiegenen Kosten an die Konsument:innen weitergegeben haben.

Herbstlohnrunde: Kollektivverträge müssen aufholen

Also ist eine riesige Einkommenslücke aufgegangen. In den österreichischen Lohnverhandlungen folgen die Löhne den Preiserhöhungen nur langsam. Bis heute dauert der Aufholprozess. Bis heute hinken die Löhne noch den Preisen hinterher. Sieht man sich die kollektivvertraglichen Löhne an, liegen diese immer noch um einen Prozentpunkt unter dem Niveau vom Herbst 2020, vor Beginn der Teuerungswelle. 

Dazu kommt: Was Arbeitskosten für die einen sind, sind Lohneinkommen der anderen. Die Industrie will die Arbeitskosten unten halten. Ihr Interesse ist, möglichst niedrige Preise zu haben, um viel ins Ausland verkaufen zu können. Für alle anderen Betriebe ist das aber problematisch. Für all diese Arbeitgeber ist es wichtig, dass die Geldbörsen der Leute nicht leer sind. Denn an diesen Geldbörseln hängen sprichwörtlich ganze Branchen von der Gastronomie und Tourismus bis zum Handel.  Die brauchen höhere Löhne wie die Butter aufs Brot, sonst gibt es niemanden, der bei ihnen etwas einkauft. 

Die Wirtschaft ist von guten Löhnen abhängig

Bereits heute sparen alle, die können, so viel weg wie möglich. So verständlich die Vorsicht des Einzelnen ist, der sich gerade einen Notgroschen wegspart, so schwierig ist das für unsere wirtschaftliche Lage. Kräftige Lohnerhöhungen wären ein wichtiges Antidot zum weitverbreiteten Angstsparen. Schaffen wir die nicht, dann passiert Folgendes: Die Menschen können sich für ihren Lohn immer weniger leisten. Und das heißt: Wir geben alle weniger Geld aus.

Und damit nimmt „die Wirtschaft“ weniger ein. Dann kaufen der Papa und die Mama das neue Fahrrad eben nicht zum Geburtstag. Dieser Umsatz fehlt dem Fahrradhändler, der sich nicht mehr leisten kann, auswärts zu essen. Das fehlt dem Wirten, der lässt seinen Gastraum nicht renovieren. Der Auftrag fehlt dann der Tischlerin und so weiter und so weiter und so weiter. 

Die heurige Lohnrunde ist also ein wichtiger Baustein dafür, dass die Menschen endlich auch wieder sagen: ja, wir geben Geld aus – und damit die Wirtschaft beleben. Faire Lohnverhandlungen nützen nicht nur dem Einzelnen – sie helfen allen. Das sollten auch die Arbeitgeber:innen wissen.

 

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    Kommentare 1 Kommentar
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  • frizzdog
    25.10.2024
    verhandlungsvorschlag: man könnte doch die bei uns eh NICHT vorhandene MASCHINENSTEUER auf die lohnerhöhungen umlegen, oder?
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