print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Arbeitswelt

Lohnverhandlungen gescheitert: Warum Streik jetzt sein muss

Lohnverhandlungen gescheitert: Warum Streik jetzt sein muss
Die Metaller:innen rufen Warnstreiks aus – und das völlig zurecht. Das Angebot der Arbeitgeber:innen ist ein Hohn angesichts der Inflation in Österreich. Die Teuerung geht auch auf die Kappe von Unternehmen und einer untätigen Regierung, dessen Kanzler lieber an der Sozialpartnerschaft sägt. Ausbaden sollen das jetzt die Arbeitnehmer:innen? Nein, so geht's einfach nicht.

Den Metaller:innen reicht es. Sie haben die Verhandlungen um den neuen Kollektivvertrag für die Metalltechnische Industrie in der 4. Runde abgebrochen und für den Montag zu Streiks aufgerufen. Das Angebot der Arbeitgeber:innen war ihnen zu wenig.

Offenbar 10 Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 1.500 Euro boten sie. Klingt ja erstmal gut, oder? Nein, wichtig sind die Details: Die Laufzeit sollte 24 Monate betragen und damit erst im November 2025 tatsächlich auf 10 Prozent mehr als heute steigen. Jetzt würden Löhne und Gehälter um nur 6 Prozent steigen. Und wie viel sind 10 Prozent mehr Lohn und Gehalt, die erst Ende 2025 kommen, dann noch wert für die Beschäftigten? Wie weit die Inflation in Österreich bis dahin weiter steigt, weiß heute kein Mensch.

Sechs Prozent mehr sind bei dieser Teuerung kein Angebot, sondern ein Hohn.

Und die Einmalzahlung von 1.500 Euro? Auch die gäbe es nur scheibchenweise über die kommenden Jahre verteilt. Und die Arbeitgeber:innen wissen sehr wohl, dass eine Einmalzahlung im nächsten Jahr wieder weg ist. Metallgewerkschafter Reinhold Binder nannte das Ganze “Vodoo-Mathematik” und “Zaubereien” der Arbeitgeber:innen. Wichtig ist und bleibt: Um wie viel Prozent steigen die Kollektivvertragslöhne jetzt tatsächlich? 6 Prozent mehr sind bei der Teuerung von fast 10 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten kein Angebot, sondern ein Hohn.

Wer kann es den Metaller:innen also verübeln, dass sie am Montag streiken wollen? Nun ja, die Arbeitgeber:innen meinen, was die verhandelnden Gewerkschaften verlangen, komme einer „Erpressung“ gleich. Weil Österreich in einer Rezession steckt, sei es ihnen nicht möglich, die Inflation abzugelten. Eine Inflation übrigens, die alle Menschen in Österreich in den vergangenen zwei Jahren massiv getroffen hat – außer die Unternehmen und ihre Besitzer:innen. Es ist eine Inflation, die zum großen Teil die Unternehmen selbst verursacht haben, weil sie Preise über die Teuerung hinaus erhöhten und damit kräftige Gewinne einfuhren.

Die Inflation ist auch wegen einer untätigen Regierung so hoch

Und Österreichs Inflation, die zu den höchsten im Euroraum gehört, ist auch deshalb so hoch, weil die ÖVP-geführte Regierung nichts dagegen unternimmt – etwa mit Preisbremsen und dem Senken der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Ausbaden sollen das jetzt die Arbeitnehmer:innen? Das ist frech. Und nein, so geht’s einfach nicht.

Höhere Löhne sind eines der besten Mittel, Österreich aus der Rezession herauszubringen. Das marxistischem Gedankengut eher unverdächtige Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO rechnet für 2024 wieder mit Wachstum. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür laut ihrer Prognose: kräftige Lohnsteigerungen. Aber wenn die nicht kommen, so wie es sich die Arbeitgeber:innen wünschen, was dann liebe Unternehmen? Wer kauft eure Produkte, wenn das Geld bei Vielen gerade einmal für die – selbstverständlich erhöhte – Miete reicht? Und bei manchen nicht einmal mehr dafür.

Zu streiken ist in Österreich für Arbeitnehmer:innen die Ultima Ratio. Zu diesem Mittel greifen sie nicht leichtfertig und nur ganz selten. Im Vergleich zu etwa Frankreich stehen in Österreich nur an einem Bruchteil der Tage die Bänder still oder bleiben die Bahnen in den Depots. Das liegt eher nicht daran, dass die Menschen In Österreich von Natur aus streikfaul wären und Beschäftigte in Frankreich ganz anders tickten.

Gewerkschaften handelten oft im Sinne der Wirtschaft Österreichs. Gedankt wurde das nicht.

Nein, es liegt zu einem großen Teil an Österreichs Sozialpartnerschaft. Vertreter:innen der Unternehmen auf der einen und die der Beschäftigten auf der anderen Seite verhandeln Jahr für Jahr hart in der Sache – aber eben doch so, dass am Ende Kompromisse stehen, mit denen alle im Großen und Ganzen leben können.

Die Gewerkschaften handelten dabei oft genug im Sinne der Wirtschaft Österreichs. Etwa indem die Metaller:innen im Corona-Jahr 2020 gleich in der ersten Verhandlungsrunde und angesichts einer drohenden massiven Krise Lohnerhöhungen akzeptierten, die lediglich exakt der damaligen Inflation von 1,45 Prozent entsprachen. Eine Krise übrigens, die so wie befürchtet nie kam. Schnell sprudelten wieder die Gewinne der Unternehmen. Gedankt wurde und wird es den Arbeitnehmer:innen nicht.

Es bröckelt etwas in der Sozialpartnerschaft. Angefangen ganz oben: Bundeskanzler Karl Nehammer verhöhnte in seiner skandalösen Rede nicht nur gering verdienende Menschen und deren Kinder, indem er ihnen empfahl, sie sollten zu McDonald’s gehen, wenn sie sich keine warme Mahlzeit leisten könnten.

Streiks sind bei diesem Angebot schlicht notwendig

Im gleichen Atemzug schimpfte er auf Gewerkschaften und die Sozialpartnerschaft. Seinen Worten nach würde er diese am liebsten abgeschafft sehen – zugunsten von Wirtschaft und Unternehmen versteht sich. Es sind Worte, die einen feindlichen Ton gegenüber allen Beschäftigten setzen. Sollen die sich das gefallen lassen? Streiks jetzt sind angesichts dessen und zuvorderst wegen der kümmerlichen Angebote in den Lohnverhandlungen schlicht: notwendig.

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen
    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!