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Arbeitswelt
Fortschritt
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Matura? Braucht niemand!

Wer die Matura in Österreich schafft - das entscheidet meist das Elternhaus. Barbara Blaha erklärt, wie Bildung in Österreich vererbt wird und warum wir die Matura abschaffen sollten.
 

Jetzt schwitzen landauf, landab wieder die jungen Leute: Schaff ich’s? Schaff ich es nicht? Die Matura steht an: die eine Prüfung, die “objektiv” sagt, ob man „reif ist für ein Studium“ oder nicht. Anders kann man das ja nicht überprüfen. Moment mal!

Akademikerkinder vs. Arbeiterkinder

Die Matura – die Prüfung, die zeigt, was man in der Schule gelernt hat? Bullshit. Eine Matura macht in Österreich eben nicht jeder und jede. Nur die Guten schaffen es bis dorthin? Die Wissbegierigen, Gescheiten; die, die diszipliniert genug sind, um die Oberstufe durchzudrücken? Nein, über die Uni entscheidet die Geburtslotterie: Von 100 Kindern aus Akademiker-Familien schaffen es 80 bis zur Matura. Von 100 Kindern aus Arbeiter-Familien gerade mal 37.

Sind die nur halb so gscheit, die Arbeiterkinder? Nein, natürlich nicht. Dahinter steckt der sogenannte “Klassismus”. Das sind Vor- und Nachteile aufgrund der sozialen und finanziellen Stellung.

Bei der Matura sieht das Problem zum Beispiel so aus: Eltern, die selbst nicht auf der Uni waren, tun sich schwerer damit, das als Weg für ihr Kind zu sehen. Und was nicht als mögliche Zukunft gedacht wird. Das trifft eben auch nicht ein.

Bildung wird vererbt

Aber nicht nur die eigenen Eltern sehen weniger Wege, Studien zeigen auch, dass Arbeiterkinder strenger benotet werden als Kinder aus Akademikerhaushalten. “Kinder aus Akademikerfamilien bekommen trotz gleicher Leistung in schriftlichen Tests bessere Noten.” Arbeiterkinder müssen also mehr Hürden überspringen und auch mehr leisten, um es überhaupt ans Gym zu schaffen.

Und: Wer mehr hat, tut sich viel leichter, sein Kind zu unterstützen: Wer selbst maturiert hat, steigt in Französisch vielleicht nicht sofort aus und kann dem Kind helfen: Das ist ziemlich wahrscheinlich nötig, 3 von 4 Kindern brauchen die Unterstützung der Eltern bei Schulaufgaben.

Glück für alle, die Eltern haben, die auch helfen können. Oder es sich wenigstens leisten können, eine Nachhilfe zu zahlen, die es kann. Denn die geht ordentlich ins Geld: Durchschnittlich 31 Euro kostet eine Nachhilfe-Stunde. Pro Jahr geben Eltern über 80 Mio. Euro für Nachhilfe aus.

Arme Familien können das einfach nicht bezahlen. Und deshalb fällen sie andere Bildungsentscheidungen für ihre Kinder, schlagen ihnen eher vor, eine Lehre zu machen: Dann sind die Kinder schneller finanziell unabhängig. Nicht dass die Entscheidung für eine Lehre die schlechtere sein muss, aber es ist eben nur dann eine Entscheidung, wenn die Alternativen auch machbar erscheinen. Ansonsten ist es schlicht ein Zwang und dann heißt es: Matura? Fehlanzeige.

Matura als Ausleseprüfung

Die Matura, die ist eben vor allem eine Ausleseprüfung. Und die bestehen vor allem jene, deren familiärer und finanzieller Hintergrund sie darauf nicht nur vorbereitet, sondern dafür vorherbestimmt. Alle anderen bleiben auf der Strecke, die allermeisten kommen nie in die Situation, es überhaupt zu probieren. So gesehen ist die Matura ein echtes Privileg. Und die Chancen sind zum Teil schon bei der Geburt klar.

Aber auch für die, die in den Abschluss-Klassen sitzen, ist die Matura eine sinnlose Übung, die irre stresst und wenig bringt. Die Vorbereitungszeit, also die Zeit zwischen schriftlicher und mündlicher Matura, die gerade zehntausende junge Menschen in Österreich durchmachen, ist im wesentlichen Teaching to the Test: Es wird gelernt, um die Prüfung zu bestehen, nicht um sich weiterzubilden. Einmal bestanden ist ein Teil des Angelernten schon wieder vergessen. Warum quälen wir Jahr für Jahr tausende Jugendliche damit?

Schließlich hat die Matura auch als Zulassung zur Universität in Wahrheit ausgedient: Selbst eine Matura mit Einser-Schnitt bringt dich nicht an die Medizin-Uni: Man muss einen Eingangstest bestehen. Die allermeisten Studienrichtungen prüfen spätestens nach einer Eingangsphase – und hauen großzügig raus, wer die Tests nicht besteht.

Die Matura bereitet nicht aufs Leben vor, sie kostet wertvolle Lebens- und Lernzeit. Wer acht Jahre lang ein Gymnasium besucht hat und auch die letzte Klasse mit Erfolg bestanden hat – muss nicht in einer absurden Tortur-Prüfung nochmal beweisen, dass er oder sie “reif” ist. Schaffen wir die Matura ab – und stecken die Zeit, das Geld und die Energie, die das freisetzt, lieber in eine richtig gute Zeit in der letzten Klasse.

Was braucht es, bis wir die Matura abschaffen?

  • Schule sollte so organisiert sein, dass sie ohne zusätzliche, kostenintensive Nachhilfekurse zu schaffen ist.
  • Bis es so weit ist, braucht es kostenlose Nachhilfeangebote, zum Beispiel organisiert zum Beispiel über die Volkshochschulen – so wie Wien.
  • Und: Unser Schulsystem muss auch in den Städten durchlässig sein. Wir müssen endlich aufhören, bereits 10-jährige Kinder “gut” und “schlecht” aufzuteilen und in unterschiedliche Schulen zu schicken.

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