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Arbeitswelt

Ich mache die Matura als Erwachsener: “Für meine Kinder”

Nicht alle schließen die Schule als Jugendliche ab. Manche machen ihre Matura als Erwachsener. Das kann flexibler, aber auch belastender sein.

 
 

Nicht alle können ihren Abschluss als Jugendliche machen. Manchen kommt das Leben dazwischen. So auch bei Matthias*- er erzählt für MOMENT.at, wie es ist, die Matura als Erwachsener nachzuholen. 

Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie und bin das jüngste von vier Kindern. Alle älteren Geschwister haben eine Lehre gemacht, nur ich wollte studieren. Also bin ich nach der Hauptschule auf die AHS gewechselt. Leider hatten meine Eltern keine Erfahrung mit dem Gymnasium und waren vom Lehrstoff überfordert. Ich hätte Hilfe gebraucht, aber für Nachhilfe gab es weder Geld noch Verständnis. Als ich dann in zwei Fächern durchgerasselt bin, sah ich keinen Sinn mehr weiterzumachen.

Die Lehre hat nicht mehr gereicht

Also folgte ich dem Beispiel meiner Geschwister und schloss eine Lehre ab. Mediendesigner bin ich geworden. In meinem Fachbereich wurde es aber zunehmend schwieriger mit „nur“ einer Lehre einen Job zu finden. Mit fast Ende zwanzig war mir klar: Die Matura muss her. Ich wollte sie immer schon machen, denn sie bietet mir Absicherung. Was, wenn ich mal meinen Beruf wechseln will? Die Matura bietet mir Möglichkeiten. Ich kann dann studieren, mir stehen alle Bildungstüren offen.  
 
Vor allem tue ich es aber für meine Kinder: Ich wollte wissen, was sie in der Oberstufe erwartet. Sie sollen nicht das gleiche Schicksal haben wie ich. Ich will meinen Kindern helfen können. 

“Wie als wäre ich hinten geblieben“

Nun sitze ich mehrmals die Woche im Abendgymnasium und hole meine Matura nach. Nur eben rund 10 Jahre später als regulär. Es fühlt sich schon an, als wäre ich irgendwie hinten geblieben. Viele meiner Freund:innen haben bereits als Jugendliche maturiert und sind mittlerweile schon mit dem Studium fertig. Ich sitze noch in der Schule. Zumindest konnte ich in der Zwischenzeit Berufserfahrung sammeln.

In der Schule merke ich kaum einen Unterschied – man ist ja sozusagen unter seinesgleichen. Alle am Abendgymnasium machen so wie ich im zweiten Bildungsweg die Matura. 

Unter dem zweiten Bildungsweg versteht man, dass Leute zuerst eine berufliche Erstausbildung, wie in meinem Fall eine Lehre abschließen, und dann mit der sogenannten Berufsreifeprüfung die Matura nachholen. Das ist ein vollwertiger Matura-Abschluss und in Österreich seit 1997 möglich.

Nach dem Job noch in die Schule

Wenn man nicht gerade in Bildungskarenz ist oder sich den Lebensunterhalt anders finanzieren kann, muss man neben dem Vollzeitjob noch abends in die Schule gehen und viel in der Freizeit lernen. Das kann furchtbar anstrengend sein. Ich denke, es ist besser als Jugendlicher zu maturieren. Man wird finanziell unterstützt, tut sich beim Sprachenlernen leichter und macht sich nicht so viele Gedanken über das Schulsystem. Man macht einfach. Aber die Geburtslotterie ermöglicht das nun einmal nicht jedem.

Ich sehe es als Aufgabe des Staates, sich mehr Mühe zu geben, das auszugleichen. Die Kosten sind eine weitere Hürde. Das Nachholen der Matura ist zwar kostenlos, mit Vorbereitungskursen ist aber mit rund 3.000 Euro Kursgebühren für 4 Fächer zu rechnen.

Vorteile: flexibler und weniger Druck

Es hat aber auch Vorteile, als Erwachsener zu maturieren. Am meisten schätze ich am Abendgymnasium das Modulsystem. Bei einer negativen Note fällt man nicht durch eine ganze Schulstufe, sondern muss nur noch das eine Fach (Modul) bei einer Nachprüfung wiederholen. Es kann auch vorgezogen maturiert werden, was bedeutet, dass man in dem Fach maturieren kann, sobald es abgeschlossen ist. Die Prüfung an sich läuft gleich.

Die vorgezogenen Maturaprüfungen nehmen viel Stress und Druck raus und machen den ganzen Prozess ein bisschen flexibler. Es stellen sich Erfolgserlebnisse ein: Ich habe schon teilmaturiert, die letzten Maturaprüfungen stehen nächstes Jahr an. Dann bin ich endlich fit für mein Studium, Interaction Design soll es werden.

Braucht’s die Matura überhaupt?

Ich würde mir wünschen, dass auch reguläre Maturant:innen von diesem modularen System profitieren können. Weil so wie sie jetzt ist, halte ich die Matura für ein zu großes, stressiges und vielleicht auch etwas unmenschliche Ritual. Persönlich hätte ich nichts dagegen, sie ganz abzuschaffen. Wer vier bis fünf Jahre Oberstufe hinter sich hat und alle Prüfungen bestanden hat, hat meiner Meinung nach bereits Lernfähigkeit, Ausdauer und Fleiß bewiesen. Es sollte wie an der Uni noch eine abschließende Projektarbeit geben und gut ist.

Braucht es die Matura noch?
 

 

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