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Mitnahmeeffekt: Was löst Investitionsprämie wirklich aus?

Die Investitionsprämie ist das teuerste Instrument im Comeback-Plan der Regierung. ExpertInnen befürchten nun einen Mitnahmeeffekt. Doch was ist das genau?

Investitionsprämie als wichtigstes Werkzeug im Comeback-Plan

Wenn eine Musikerin ein Comeback plant, kann das auf zwei Arten enden. Entweder sie recycelt schnell ein paar alte Lieder, produziert sie schlampig und bringt unmotiviert ein neues Album raus. Solche Comebacks sind üblicherweise zum gloriosen Scheitern verdammt. Alternativ nimmt sie sich Zeit für Muse und Kreativität, lässt sich von anderen inspirieren und auf Ideen bringen. Anschließend setzt sie sich fleißig hin und bringt ein erfolgreiches Album hinaus, das sie als Musikerin neu definiert und eine andere Seite von ihr aufzeigt. Die Bundesregierung mit Lead Sänger Sebastian Kurz plante, ein Comeback der österreichischen Wirtschaft herbeizuführen und präsentierte dafür jüngst ihre Pläne. Ihr Comeback-Album zündet leider keinen „Turbo“. Zwar liegt das nicht an der PR-Maschinerie dazu. Die läuft gut geölt. Wild werden fantastische Zahlen durch die Luft geworfen – „55 Mrd. Investitionen ausgelöst“, „800.000 Jobs gesichert“. Hört man aber genauer rein, steckt viel weniger dahinter als vermutet.  

Investitionsprämie nach oben geschraubt

Die konkreteste Maßnahme ist die Aufstockung der Investitionsprämie von 3 auf 5 Mrd. Unternehmen reichen Investitionsprojekte ein und erhalten 7% der Investitionssumme als Zuschuss aus dem Staatsbudget,14% wenn die Investition in den Bereich Klima oder Digitalisierung fällt. Eine Prämie von 5 Mrd. Euro soll, so der ÖVP-Teil der Bundesregierung, 55 Mrd. Euro an Investitionen „auslösen“. Das klingt zwar gut, ist aber Humbug. Eine 5 Mrd. Prämie entspricht einem Anschieben der Wirtschaft mit einem Achzigstel der jährlichen Wirtschaftsleistung. Und das soll fast jeden 5. Arbeitsplatz (800.000) im Land „sichern“? Das ist völlig unmöglich. 

Mit „Auslösen“ meint man umgangssprachlich, dass die Investitionen wirklich neu sind. Die Rechnung der Ministerin geht also davon aus, dass alle diese Projekte ohne die Prämie überhaupt nicht stattgefunden hätten. Das ist ungefähr so absurd, als würde ein Unternehmen einer Mitarbeiterin einen Essenszuschuss von 1,10 pro Tag bezahlen. Und anschließend behaupten, dass die Mitarbeiterin ohne den Zuschuss den ganzen Tag gar nichts essen würde – weder daheim noch in der Kantine. 

Investitionsprämie löst Mitnahmeeffekt aus

Hier sind wir schon beim Kern der Sache: Dem nicht ganz so schnittigen „Mitnahmeeffekt“. Klar, die Unternehmen schreiben in ihre Anträge 55 Mrd. an Investitionsvolumen hinein wie vorgesehen. Die meisten Unternehmen werden aber Projekte einreichen, die sie ohnehin geplant hatten und die sie auch ohne die Prämie genau so durchgezogen hätten. Wenn ich als Unternehmerin noch gar nichts an Investitionen geplant habe, werde ich mir auch schwer tun, in der kurzen Zeit bis zum Ende der Antragsfrist etwas aus dem Boden zu stampfen, das mich später nicht wirtschaftlich ruiniert. In dem Fall wurde gar nichts ausgelöst, es gibt einen reinen Mitnahmeeffekt.

Was bedeutet das? Die Förderung erhöht als Subvention direkt die Gewinne der Unternehmen – ein nettes Körberlgeld auf Kosten der SteuerzahlerInnen. Einen Effekt auf die Wirtschaftsleistung gibt es mittels Investitionsprämie gar nicht. Der einzige positive wirtschaftliche Effekt kommt zustande, weil sich die EigentümerInnen der Unternehmen höhere Gewinne auszahlen und so mehr konsumieren. UnternehmensbesitzerInnen sind tendenziell aber weiter oben bis ganz weit oben in der Einkommenspyramide angesiedelt.

Mitnahmeeffekt sorgt für Körberlgeld für Unternehmen

Das macht die Gerechtigkeitsfrage auf: Wieso soll der „Hackler“, der sich seine Wohnung kaum leisten kann, dem reichen Großbauern seine neue Kreissäge zahlen? Oder gar einem Konzern mit Millionengewinnen eine neue Produktionsanlage? 

Der Budgetdienst des Parlament schätzt, dass nur ein geringer Teil der Projekte wirklich aufgrund der Investitionsprämie zusätzlich erfolgt. Internationalen Studien zufolge kann man bei ein Euro Prämie mit einem Euro tatsächlich zusätzlich ausgelösten Investitionen rechnen. Nimmt man das als Maßstab, löst die 5 Mrd. Prämie daher 5 Mrd. an zusätzlichen Investitionen aus, die sonst nicht stattgefunden hätten. Die MinisterInnen hätten sich dann bloß um das 11-fache verschätzt, wenn sie von 55 Mrd. „ausgelösten“ Investitionen sprechen. Im Umkehrschluss heißt das: Für über 90% des beantragten Investitionsvolumens werden lediglich Mitnahme- oder Vorzieheffekte zu sehen sein.  

Investitionsprämie hat auch Vorteile

Man sollte die Investitionsprämie aber nicht grundsätzlich verteufeln. Zumindest der Klima- und Digitalfokus ist positiv – auch dass keine Verbrenner-Autos gefördert werden. Als eine von vielen Maßnahmen könnte sie sogar Teil eines Getriebes für einen wirksamen Comeback-Turbo sein. Aber sie hätte anders ausgestaltet sein müssen. Treffsicherer. Nur Investitionen in Technologien und Sektoren fördern, die für die Bekämpfung des Klimawandels, den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge, oder wichtige Zukunftsbereiche notwendig sein. Oder noch besser: Dort wo nötig, als Staat selbst durchführen. 

Erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss sich einen Comeback-Turbo ausdenken, der effektiv wirkt. Der viel Geld in die Hand nimmt, aber aus jedem einzelnen Euro das Maximum herausholt. Möglichst viel an zusätzlicher Wirtschaftsleistung und an Arbeitsplätzen. In dieser Hinsicht enttäuschte das Ergebnis der Regierungsklausur massiv.  

Investitionsprämie allein zu wenig

Das erste Comeback-Album „Turbo“ ist somit gescheitert. Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als auf ein zweites Album zu hoffen. Denn was normalerweise „nur“ enttäuschte Fans betrifft, bedeutet in der harten wirtschaftlichen Realität Zehntausende Arbeitslose und Langzeitarbeitslose mehr. Das Album „Comeback Turbo 2 – diesmal richtig“ sollte die Bundesregierung möglichst bald angehen.  

 

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