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Kapitalismus

NationalbankerInnen: Unantastbar auch bei schweren Fehlern

NationalbankerInnen: Unantastbar auch bei schweren Fehlern

Notenbank-GouverneurInnen können per Design nicht abgesetzt werden, um ihre Unabhängigkeit zu garantieren. Das ist auch gefährlich.

Das Hauptgebäude der ehrwürdigen Österreichischen Nationalbank am Otto-Wagner-Platz 3 nahe dem Alten AKH ist nicht besonders schön. Es wirkt wie ein riesiger, aus überdimensionierten Steinen zusammengesetzter Tresor, der viel zu schwer ist um ihn aufzuheben. Die massiv erscheinende Bauweise soll Ruhe und Stabilität signalisieren.

Mit einem Signal ganz anderer Art ging der von der FPÖ nominierte neue Gouverneur der Nationalbank, Robert Holzmann, sein Amt an. Er sorgte für großen Aufruhr, als er beim ihm unterstellten Personal aufräumte: Der Gouverneur kündigte die Personal-Abteilungsleiterin und legte zwei weiteren Personen „berufliche Veränderungen“ nahe. Hintergrund  soll sein, dass sich Holzmann Vertraute mit entsprechendem Gehalt in die Bank holen will – wohl auch, um etablierten, aber gegen seine Vorstellungen agierenden Personen nicht ausgeliefert zu sein.

Dies löste Unruhe bei den MitarbeiterInnen, im Generalrat (dem Aufsichtsrat) der Bank, und in den Medien aus. Von außen lässt sich schwer beurteilen, was sich nun wirklich in der „Causa Holzmann“ hinter der steinernen Außenmauer des massiven Gebäudes abspielt. Prinzipiell kann es in zwei Richtungen gehen. Entweder Holzmann entpuppt sich als grundvernünftiger Gouverneur, der sich nicht einlullen lässt und seine Rechte gerade in einem Machtkampf durchsetzt – gegen eingefahrene Netzwerke und Strukturen mit entsprechender politischer Rückendeckung aus ÖVP und Raiffeisen-Kreisen. Oder er stellt sich wahrlich als Fehlbesetzung heraus, der mit merkwürdigen Aussagen und Fehlentscheidungen auffallen wird. Doch was passiert, wenn genau dieser Fall eintritt?

Ist die Unantastbarkeit des Gouverneurs eine gute Idee?

Die Antwort: Genau gar nichts. Da die Unabhängigkeit der Zentralbanker in europäischem Recht verankert ist, kann selbst eine neue Regierung mit Nationalratsmehrheit abseits der FPÖ sie beim besten Willen nicht aufheben.  Holzmann kann also als Gouverneur der Zentralbank de facto nicht abgesetzt werden. Er müsste dafür dem Notenbankgesetzt zufolge eine „schuldhafte, schwere Amtspflichtverletzung“ begehen. Doch die ist juristisch kaum durchzubringen.

Ein Blick über den österreichischen Tellerrand beweist das: Tilo Sarrazin, Autor rechtspopulistischer Bücher in Deutschland, war Bundesbankvorstand in Deutschland. Er konnte 2009 trotz viel öffentlichen Drucks nur gegen Zusicherung einer höheren Pension zum Rücktritt bewegt werden. Juristisch stand trotz seines Fehlverhaltens die Chance gut, dass ihn ein Gericht im Amt bestätigt hätte. Der Fall des lettischen Zentralbankchefs ist noch pikanter. Er wurde seitens der lettischen Version der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft der Korruption und Geldwäsche bezichtigt und deswegen verhaftet. Er sitzt noch immer im EZB-Rat.

Unabhängig ist konservative Idee

Woher kommt diese Unantastbarkeit von Zentralbank-Vorständen? Sie stammt von einer konservativen Idee der „Unabhängigkeit der ZentralbankerInnen“, die ihre weitreichenden Entscheidungen für Wirtschaft, Arbeitsplätze und Banken frei von (gewählten und abwählbaren) PolitikerInnen treffen sollen.

Doch gerade im vergangenen Jahrzehnt wurde diese Unantastbarkeit von vielen Beobachter/innen heftig kritisiert: Im Mantel der „Unabhängigkeit“ trafen GouverneurInnen der Europäische Zentralbank hochpolitische Entscheidungen. Unter Androhung von Geldentzug zwangen sie Regierungen in Rettungspakete für ihre verschuldeten Banken. Sie gaben mit dem kryptischen Wort „Systemrelevanz“ die Devise aus: Es soll zwar keine größere Bank zahlungsunfähig werden.

Doch für die Staaten selbst ließen sie das lange Zeit nicht gelten. Kürzungen bei Pensionen, Löhnen, und Gesundheitsausgaben sowie die Zerstörung von Arbeitnehmerschutz wurde von der Europäischen Zentralbank mitverhandelt und zur Durchsetzung verholfen. Ohne sie wäre das völlig unmöglich gewesen, weil sie den Geldhahn kontrolliert. Als Fußnote sollte man sicher immer erinnern, dass auch Österreich aufgrund der Bankenprobleme 2009 nur knapp dieser Politik entgehen konnte.

Verantwortung übernehmen statt Unantastbarkeit verteidigen

Die Kürzungspolitik stellte sich schließlich als absolutes Desaster heraus, weil sie weitere Arbeitsplätze kostete und die südeuropäischen Staaten in eine noch tiefere Krise trieb. Alle PolitikerInnen, die diese Politik in europäischen Ländern mitverantwortet haben, wurden von ihren WählerInnen mittels demokratischer Wahlen wegen völligen Versagens vorzeitig in die Politpension verabschiedet.

Anders die NotenbankerInnen: Keiner musste seinen Posten aufgrund der massiven Fehleinschätzungen räumen, obwohl diese ernste Konsequenzen für Millionen EuropäerInnen hatten. Von den WählerInnen zur Verantwortung gezogen werden können diese GouverneurInnen, von denen Holzmann nun einer ist, nicht. Sie sind als pure TechnokratInnen niemandem mehr verantwortlich. Ist das wirklich richtig so?

 

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