print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Klimakrise
Demokratie
Kapitalismus

Gas-Leck in Nord Stream: Wie schlimm ist das für das Klima?

Gas-Leck in Nord Stream: Wie schlimm ist das für das Klima?
Gasblasen an der Meeresoberfläche über einem der Lecks der Nord Stream-Pipelines – Foto: Danish Defence

Ungeklärte Explosionen bei den Nord Stream Pipelines in der Ostsee haben ein Leck verursacht. Große Mengen Methan-Gas treten aus. Wie schlimm ist das für das Klima?

An den Gas-Pipelines von Nord Stream in der Ostsee wurden Explosionen festgestellt. Seither strömt Methan ins Meer. Wie schlimm ist das für das Klima?

Was sind die Nord Stream-Pipelines?

Die beiden Nord Stream-Pipelines sind jeweils mehrere Rohre zwischen Russland und Deutschland. Sie können Gas von den russischen Städten Vyborg und Ust-Luga nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern transportieren. Nord Stream 1 ist seit 2011 in Betrieb. Die Eröffnung von Nord Stream 2 war nicht zuletzt wegen der russischen Angriffe auf die Ukraine seit 2014 immer wieder umstritten. Der offene Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 und die europäischen Sanktionen gegen Russland als Reaktion darauf haben das Projekt schließlich zu Fall gebracht.

Auch der Transport von Gas über Nord Stream 1 war zuletzt eingestellt, weil Russland immer wieder technische Probleme oder Überprüfungen durchführte – vermutlich um Europa mit der Gasversorgung vor der kalten Jahreszeit unter Druck zu setzen.

Nord Stream war auch wegen der klimapolitischen Dimension stets umstritten. Gas ist als fossiler Brennstoff nicht nachhaltig und verschärft die Klimakrise. 

Woher stammt das Leck? Wer hat es verursacht?

Aus den Nord Stream-Pipelines unter der Ostsee trat ab 26. September 2022 mehrere Tagen lang an vier Stellen rund um die dänische Insel Bornholm Gas aus. Diese Lecks waren an der Oberfläche durch riesige Blasenbildungen deutlich zu sehen. Die größte dieser Stellen hatte an der Meeresoberfläche bis zu einem Kilometer Durchmesser. Betreiber Gazprom meldete am 3. Oktober, der Druck sei stabilisiert und es trete kein Gas mehr aus.

Die schwedischen und dänischen Behörden melden, dass es zuvor Detonationen gegeben hat. Diese hätten die Leitungen beschädigt. Das deutet klar auf einen Akt der Sabotage hin. Es wäre auch unwahrscheinlich, dass die dicken Wände der Pipeline aus Stahl und Beton an drei Stellen gleichzeitig von selbst Lecks bekommen.

Wer dafür verantwortlich ist, ist bisher aber nicht geklärt. Dazu bekannt hat sich niemand und weitere Ermittlungen dazu sind mittlerweile eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen.

Westliche Staaten halten vorerst zumindest unter der Hand Russland für verantwortlich. Es soll eine weitere Drohgebärde sein, um Druck auf Europa wegen der Sanktionen gegen Russland zu machen. Während die Versorgung durch den aktuellen Sabotageakt nicht gefährdet ist, liegen in der Nord- und Ostsee auch andere derzeit für Europa wichtigere Gas- und Kommunikationsleitungen. Nach dieser Lesart wäre die Sabotage auch eine Art Warnschuss. Russland bestreitet eine Verwicklung und behauptet, die USA könnten hinter dem Anschlag stehen.

 

Warum war Gas in den ungenutzten Nord Stream-Pipelines?

Die Leitungen waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb. Trotzdem beinhalteten sie Gas. Mindestens 177 Millionen Kubikmeter „technisches Gas“ – vermutlich Methan – sind laut den neuesten Informationen in einer davon gelagert. Der Grund dafür ist einerseits, dass Druck in der Leitung aufrechterhalten bleibt. Eine gefüllte Pipeline wäre auch schneller wieder in Betrieb zu nehmen.

Was bedeuten die Nord Stream-Lecks für das Klima?

Die großen Mengen Methan, die derzeit aus den Leitungen treten, haben einen Effekt auf unser Klima. Methan (CH4) ist ein noch viel klimaschädlicheres Gas als Kohlendioxyd (CO2). (Es sollte deshalb mit einem internationalen Methan-Pakt begrenzt werden. Mehr dazu hier.) Der Schaden ist bei gleicher Menge etwa 25-mal so groß, wenn man es über 100 Jahre betrachtet. Über einen Zeitraum von 20 Jahren ist es sogar 80-mal so schlimm. Um zu vermeiden, dass wir Klimakippunkte erreichen, ist diese kurzfristige Wirkung wichtiger.

Die genauen Folgen für das Klima durch das Leck sind wegen diverser Variablen noch nicht ganz einfach abzuschätzen. Weder ist ganz genau bekannt, wie viel Gas in den beiden Pipelines steckt, noch wie viel davon jetzt austreten wird und wie viel davon etwas vom Meer absorbiert werden kann. Erste Berechnungen von Experten der Organisation „Deutsche Umwelthilfe“ befürchten aber ein Worst-Case-Szenario, in dem das ausgetretene Gas einen Schaden anrichten würde, der bis zu 28,5 Millionen Tonnen CO2 entspräche. Das wäre ein sogenanntes „Super-Emitter“-Ereignis. Diese Menge würde fast 40% des österreichischen Jahresausstoßes entsprechen.

Das ist eine erkleckliche Menge. In einer Zeit, in der wir Menschen jede Tonne Treibhausgas einsparen müssen, die wir einsparen können, ist es ein echtes Problem. Gemessen am gesamten Ausstoß der Menschheit im Jahr (etwa 37 Milliarden Tonnen) ist es aber eine kleine Menge. Für sich allein genommen würde man die Erderhitzung durch das Leck deshalb nicht direkt messen können. 

Was kann man gegen die Lecks in den Nord Stream-Pipelines tun?

Das ist eine gute Frage und scheint momentan kaum zu beantworten. Die Schäden sind am Meeresboden in rund 60 Meter Tiefe und damit schwer zu reparieren. Dass das Leck gestopft werden kann, bevor das gesamte Gas austritt, halten Expert:innen deshalb für unwahrscheinlich.

Eine Möglichkeit, den Schaden für das Klima zu verkleinern, wäre es, das Gas zu verbrennen. Das wird mit überschüssigem Methan auch sonst oft getan. Auch das wäre allerdings mit Risiken verbunden. Im Golf von Mexiko hat sich ein solches Leck erst 2021 entzunden. Die Bilder vom „brennenden Meer“ gingen als mahnendes Signal für die Klimakrise um die Welt.

 

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!