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Ungleichheit

Ohne schöne Zähne kein Job, ohne Job keine schönen Zähne

Daniela Brodesser und ihre neue Kolumne: Armutprobe. Das Cover zeigt Brodessers skizziertes Porträt.
Richtig herzhaft lachen sieht man mich nur selten. Warum? Wegen meiner Zähne. Zu Vorstellungsgesprächen gehe ich nur mit Bauchweh. Ich weiß, dass der Zustand der Zähne den ersten Eindruck bestimmt. Schiefe, nicht strahlend-weiße Zähne sind wie eine Visitenkarte, auf der steht: "Hallo, ich bin arm."
Ich muss davon ausgehen, dass ich Jobs nicht bekomme, weil ich nicht so aussehe, wie es die ArbeitgeberInnen erwarten. Das ist natürlich ein Teufelskreis: Wegen fehlendem Geld keine Behandlung und ohne Behandlung kein Job, der das Geld einbringen könnte, um die Behandlung zu bezahlen.

Lieber die Lippen zusammenpressen

Der Zustand von Zähnen und hängt stark von vielen Faktoren ab. Die Gene spielen eine wichtige Rolle. Trotzdem begegnet auch mir immer wieder das Vorurteil, ich würde nicht auf meine Zahnhygiene achten oder wäre zu faul, um zum Zahnarzt zu gehen.

3.000 Euro müsste ich für eine Zahnregulierung hinlegen. Weil die Krankenkasse die Behandlungen nicht bezahlt, ist mir nichts anderes übrig geblieben, als beim Lächeln die Lippen zusammenzupressen.

Kredit für „schöne“ Zähne

Stattdessen machen Menschen ein Geschäft damit. Zahnkredite lassen sich mittlerweile leicht im Internet finden. Ja, tatsächlich nehmen manche einen Kredit auf, um „schöne“ Zähne zu bekommen. Im schlimmsten Fall verschulden sie sich dabei.

Lange Zeit habe ich in der Öffentlichkeit kaum gesprochen, aus Angst, fremde Menschen könnten meine Zähne sehen. Mittlerweile halte ich Vorträge. Für diese Entwicklung hat es viel gebraucht und auch heute fühle ich mich dabei manchmal unwohl. Ich tu es trotzdem und gebe die Hoffnung nicht auf, dass Zahnbehandlungen irgendwann von der Krankenversicherung gedeckt werden.

 

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