Demokratie

Claudia Plakolm und die „Heute“: Eine “knallharte” Ministerin für das Sommerloch

Claudia Plakolm ist Ministerin für Europa, Integration und Familie. Für die Boulevardzeitung Heute ist sie eines der “Aushängeschilder der ÖVP”. Sie darf regelmäßig ihre Themen präsentieren - ohne Widerspruch und mit rassistischen Untertönen. So spielen sich Heute und Plakolm Bälle zu.

“Ministerin spricht Klartext:“Scharia-Regeln gehören nicht nach Österreich“ titelt die Heute am 19. August. Im Gespräch mit der Boulevardzeitung stellt Claudia Plakolm klar: „Die Scharia hat mit Österreich und den Grundsätzen unserer Verfassung nichts am Hut und das soll auch so bleiben.“ Dass der vermeintliche Aufreger ganz einfach keiner ist? Geschenkt. Die Scharia hat hierzulande keine Gültigkeit. Im Zivilrecht dürfen sich Vertragsparteien jedes Regelwerk aussuchen, das ihnen gefällt und wenn es nicht gegen österreichisches Recht verstößt.

Das wissen Ministerin und Heute natürlich. Doch die Empörung bringt Aufmerksamkeit. Und davon profitieren beide Seiten.

So berichtet die Heute über Plakolm

Wir haben uns die Berichterstattung der Heute darum genauer angesehen. Dafür wurden alle Artikel, die zwischen 1. Juni und 19. August erschienen sind, analysiert, in denen Claudia Plakolm erwähnt wurde. Die Anzahl der Erwähnungen ist dabei nicht unbedingt auffällig – wohl aber die Qualität, in der die Ministerin vorkommt.

 


Das könnte dir auch interessieren

Im beobachteten Zeitraum finden sich 48 Artikel mit einer Erwähnung Plakolms, im Schnitt liest man etwas öfter als jeden zweiten Tag über sie. Verglichen mit Minister:innen anderer wenig aufmerksamkeitswirksamer Ressorts gibt es einen klaren Unterschied: So kommt Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung, gerade einmal auf neun Artikel, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig auf 21 und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner auf 23 Erwähnungen.

Als Vergleich dafür, wie unterschiedlich die Heute berichtet, dient uns Gesundheits- und Sozialministerin Korinna Schumann. Sie kommt mit 50 Erwähnungen nur geringfügig häufiger vor und dient in vielen Artikeln als Plakolms Gegenüber. Dazu weiter unten mehr.

Plakolm in der Heute: Wo viel Licht, da kein Schatten

Claudia Plakolm ist Ministerin für Europa, Integration und Familie. Für die Heute ist besonders eine Rolle wichtig: 28 Mal kommt sie als Integrationsministerin zu Wort, als Familienministerin achtmal und als EU-Ministerin nur viermal.

Die Berichterstattung folgt vor allem bei Plakolms Rolle als Integrationsministerin einem einfachen Muster: Es gibt ein Thema, das die Menschen aufregen könnte. Das wird wahlweise von der Heute, Plakolm selbst oder auch der FPÖ aufgebracht. Sie spielen es hoch, skandalisieren es und halten es am Köcheln. Ein auffälliger Aspekt: Mehrfach schreibt die Heute, dass sie “vorab Zahlen in Erfahrungen bringen konnte”, “als Einzige” Erklärungen erhielt oder etwas “enthüllt”. Es gibt wohl einen regen Informationsfluss zwischen Ministerium und Redaktion.

Ein typisches Beispiel für die Berichterstattung sind die Artikel zum statistischen Jahrbuch zu Migration und Integration. Claudia Plakolm stellt es am 16. Juli vor, die Heute veröffentlicht am selben Tag gleich drei Artikel dazu. Die Schlagzeilen eskalieren, bis etwas “Brisantes enthüllt” wird.

Brisant ist dabei gar nichts. Dass sich Menschen aus Syrien zu Österreich zugehörig fühlen, muss man auch nicht “enthüllen”. Zahlen werden nicht neutral präsentiert, sondern sind in alarmistische Erzählungen eingebettet. Auch das zieht sich durch die meisten Artikel. Berichte zu Migrant:innen funktionieren eben am besten über negative Emotionen.

Die bedient auch Plakolm. Grundsätzlich gibt es im Jahrbuch ein durchaus positives Fazit – zugewanderte Menschen fühlen sich Österreich immer mehr zugehörig. Dazu fällt Plakolm ein, dass “mehr dazu gehört”. Die Menschen müssten auch arbeiten und unsere Werte akzeptieren. Nichts davon kommt im Jahrbuch vor. Die Heute bescheinigt: “Plakolm weiterhin für konsequenten Kurs”.

Die „knallharte“ Plakolm

Das ist wohl die Rolle, in der sich Plakolm selbst gerne sieht und die ihr die Heute immer wieder zuschreibt. Sie ist die “knallharte” Ministerin mit “knallharten” Regelungen, die “Klartext” spricht, die “Gangart verschärft” und einen “konsequenten Kurs” fährt. Eine Macherin und Hardlinerin eben.

Gleichzeitig werden Migrant:innen durchwegs negativ gezeigt. Sie arbeiten zu wenig, bekommen zu viele Kinder, beziehen zu hohe Sozialleistungen. Die Botschaft: Claudia Plakolm sieht die Missstände und kämpft dagegen an.

Die Berichterstattung zum Jahrbuch endet nicht bei drei Artikeln an einem Tag. Es folgen noch drei weitere. Fast einen Monat nach der Ursprungsmeldung wirft die Redaktion noch einen Blick in das Jahrbuch, um über die Geburtenrate von migrantischen Frauen zu berichten. Der Artikel mit dem kaum verhohlenen rassistischen Titel “Extreme Geburtenrate: Syrien-Flüchtlingswelle beschert uns Kinderflut” bringt mitten im Sommerloch ein weiteres Aufregerthema auf: die Mindestsicherung für Großfamilien in Wien.

Den Fall hat die Heute selbst als “Mindestsicherungs-Aufreger” Ende Mai aufgebracht. Wie bereits vergangenen Sommer geht es um eine Familie, die vermeintlich zu gut von der Mindestsicherung lebt. Die Heute hält das Thema immer noch am Leben, erst kurz vor Erscheinen dieses Artikels hat sie wieder einen Beitrag dazu veröffentlicht.

Die Rollen sind dabei klar verteilt: Die Heute ist die Aufdeckerin, Plakolm die Umsetzerin. In zehn Artikeln darf Plakolm über die Kürzung der Mindestsicherung und Probleme mit Integration sprechen oder wird zumindest gemeinsam mit dem Thema erwähnt. Auch hier gilt: Ihre Aussagen halten einem Faktencheck  selten stand. Doch darum geht es weder Heute noch Plakolm. Sondern um markige Zitate, die in Erinnerung bleiben und Klicks bringen:

Aber Claudia Plakolm kann auch anders – privat. Dann wird sie in der Heute nahbar. Besonderer Leckerbissen: Ein Artikel über Plakolms Verlobung mit ihrem langjährigen Freund. Mit Lorbeeren spart die Zeitung darin nicht: Plakolm sei eines der “aufstrebenden politischen Talente” in der ÖVP. Überhaupt sei sie ganz anders als andere Politiker:innen – im Gegensatz zu ihnen “setzte die Oberösterreicherin auf Zurückhaltung. Kein Glamour, kein offizielles Statement, nur privates Glück. Für die Ministerin, die sich stets traditionsverbunden gezeigt hat, wohl der richtige Weg.” Eine von uns eben.

Kritik an Plakolm findet sich im beobachteten Zeitraum kaum. Dabei geht die Heute mit der Koalition wenig zimperlich um, bezeichnet sie etwa immer wieder als “TeuRaZ” (“Teuerste Regierung aller Zeiten”). Bei kritischen Berichten gerät Plakolm gelegentlich ins Kreuzfeuer. In vier Artikeln über die vermeintlich hohen Ausgaben der Regierung kommt ihr Name vor. Doch Plakolm kommt auch bei diesen überraschend gut weg. Sie darf sich sogar – als einzige – wegen der vielen zurückgelegten Kilometern ihres Dienstwagens verteidigen.

Inhaltliche Kritik an Plakolm konnten wir in einem Artikel feststellen, in dem sich die Islamische Glaubensgemeinschaft über ihre Aussagen zu einem Kopftuchverbot aufregt. Darin wird Plakolms Aussagen wiederum viel Platz eingeräumt.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei Sozialministerin Korinna Schumann. Der Unterschied zwischen den Ministerinnen wird vor allem in gemeinsamen Artikeln deutlich: Wo Plakolm “knallhart” durchgreift und “den Druck auf den Koalitionspartner erhöht”, kann Schumann nur mit Vorschlägen aufwarten, die “für Plakolm zu passiv gedacht” sind. Wenn Schumann das alte System der Sozialhilfe mit “hoch anmutenden Summen” verteidigt, darf Plakolm in mehreren Absätzen erklären, wie es eigentlich funktionieren sollte.

Schumann in der Heute: Ein Opfer der Umstände

Schumann kommt im Gegensatz zu Plakolm in mehreren Artikeln nicht gut weg. Besonders deutlich liest sich das im Zusammenhang mit einem weiteren Heute-Aufreger: den vermeintlich hohen Ausgaben der Regierung für sich selbst. In sieben Artikeln wird auch Schumann für hohe Beratungs- oder Umbaukosten kritisiert. Inhaltliche Kritik gibt es bei ihr sehr wohl, sie wird meist über die FPÖ gespielt. Die darf “mit Schumann abrechnen” oder sie als “schäbig” bezeichnen, die Agenda Austria ihre Pensions-Pläne kritisieren.

Verglichen mit Plakolm zeigt sich: Schumann ist kein aktiv mitwirkender Teil einer Kampagne, sondern nur ein passiver. Es gab auch einige Artikel, in denen Schumann selbst Forderungen aufbringen konnte oder für Vorhaben gelobt wurde. Doch von einer Berichterstattung, wie sie Claudia Plakolm genießt, kann Schumann nur träumen.

Plakolm in der Heute: Altes Muster, neues Gewand

Neu ist das freilich nicht. Im österreichischen Boulevard hat es Tradition, dass sich Politiker:innen und Medien gegenseitig den Ball zuspielen. Beide Seiten können davon profitieren. Besonders dann, wenn sich das Weltbild von Politiker:innen nicht von der Blattlinie unterscheiden lässt. Kritischer Journalismus sieht freilich anders aus.

Politiker:innen wie Plakolm freuen sich über die Art der Berichterstattung. Dass die Heute durchaus anders könnte, hat sie ausgerechnet bei ihrer Scharia-Berichterstattung gezeigt. Am 18. August hat sie einen Artikel veröffentlicht, der aufschlüsselt, wann Teile der Scharia angewendet werden können und warum das kein Aufreger ist. Einen Tag später durfte Claudia Plakolm dann Klartext reden.


Das könnte dir auch gefallen