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Kapitalismus

Playstation 5, Autos und Smartphones mit 5G: Warum bekommt man derzeit nichts davon?

Playstation 5 – derzeit nicht lieferbar. VW Pickup-Truck – Bestelldauer verlängert. PC Notebook – Preiserhöhung. Was passiert gerade in den Märkten für Konsumgüter, die mit Elektronik laufen?  Ein globaler Chip-Mangel bringt Produktionsprozesse zum Stillstand. Und schuld daran ist ein Peitschenschlag.

Die Autoindustrie schickt wieder Mitarbeiter in Kurzarbeit und fährt die Produktion hinunter. Autos, die 50.000 Euros kosten, fehlen Teile, die teilweise nur 50 Cent oder maximal 50 Euro kosten. Kleine Mikrochips, die aus Halbleitern bestehen – das Kernstück moderner Elektronik. Also konkret im Auto zum Beispiel ein Teil, das den elektronischen Fensterheber kontrolliert oder beim Sitzgurt checkt, ob man angeschnallt ist. Die US-Bank Goldman Sachs glaubt, dass die Stillstände zu weniger Verkäufen führen können, die für die USA bis zu 1% der Wirtschaftsleistung kosten können, weil 169 verschiedene Branchen unter dem Chipmangel leiden werden.

Fehlen die Chips für Playstation 5 & Co. wegen Corona?

Probleme im Markt für diese Chips gab es schon vor der Pandemie. Hersteller Intel hatte Schwierigkeiten, seine neuesten Generationen an Chips herzustellen. Dazu kam eine grundsätzlich zwar erwartete, aber sich trotzdem unerwartet rasant beschleunigende Nachfrage. Künstliche Intelligenz, Mobilfunk-Netzwerke mit 5G, und Cloud Computing verlangen immer leistungsfähigere und immer mehr Chips.

In Autos befinden sich bald schon rund 45% elektronische Komponenten (gemessen an den Gesamtkosten), während sie noch unter 18% im Jahr 2000 betrugen. Auch der Markt für Kryptowährungs-Schürfer verschlingt Chips für das Lösen recht sinnbefreiter Rechnungen, die ihnen z.B. neue „geschürfte“ Bitcoins mit dem entsprechendem Marktwert bringen.

Ein grundsätzliches Problem ist aus den Corona-Impfungen schon bekannt. Der Prozess, eine neue Fabrik mit den entsprechenden Qualitätsstandards aufzusetzen, dauert. Und zwar im Fall der Halbleiter-Gießereien durchaus zwei Jahre. Und er kostet sehr viel. Weil die Preise 2018 und 2019 – vor Corona recht niedrig waren, wurde nicht genug investiert. Dann kam Corona. Und der Peitschenschlag.

Was hat ein Peitschenschlag bei Chips mit Bier zu tun?

Der„Bullwhip-Effekt“ (Peitschenschlag-Effekt) ist in der Betriebswirtschaft beim „Lieferketten-Managements“ bekannt. Er sagt, dass selbst eine kleine Änderung der Verkäufe an Kunden – wie während Corona – sich gegen Ende der Lieferkette massiv aufschaukelt. Ähnlich dem Schlag einer Peitsche. Eine kleine Bewegung mit dem Handgriff der Peitsche führt am anderen Ende dazu, dass ein starker Peitschenschlag eintrifft. Es gibt sogar ein Spiel dazu, das diesen Effekt anhand der Bierindustrie simuliert.

Genau dieser Effekt trat ein. Ein kleine Schwankung bei der Nachfrage der Kunden führte zu massiven Produktionsschwankungen am Ende der Produktionskette bei den Gießereien, die Halbleiter herstellen – und bei den Zuliefern dieser Gießereien. Sie wurden so von Corona noch viel stärker getroffen als die eigentlichen Nutzer der Chips – PC-Hersteller oder Autohersteller, die ihre Aufträge zu Beginn der Pandemie stornierten. Als sich dann abzeichnete, dass die Pandemie wieder enden würde und sich der Konsum stark erholen würde – zum Teil sogar mit starken Nachholkäufen der Kunden – waren die Chips plötzlich Mangelware. Elektronische Konsumgüter wie PCs und Tablets erlebten einen Boom durch Home Office und pandemisches Zusperren der nicht-elektronischen Unterhaltungsindustrie. Auch die Autoindustrie bestellte panisch wieder. Doch weil die Produktion der Chips für die massive Nachfrage nicht ausreichend war, kommt es jetzt zu Lieferverzögerungen und Preisanstiegen.

Tech-Krieg zwischen USA und China und ein Marktversagen

Auch der Tech-Krieg zwischen den USA und China kommt da hinein. Im neuen Wettrennen um den Platz der globalen Supermacht wollen die politischen Eliten ihre Halbleiter-Industrien unabhängig vom jeweils anderen machen. Um amerikanischen Sanktionen zuvorzukommen, deckten sich die chinesischen Hersteller mit den Chips ein – sie bestellten mehr als sie eigentlich brauchen.

Es kam zu einem Marktversagen, der Teil des “Peitschenschlag-Effektes“ sein kann. Weil irgendwann alle befürchten, dass sie zu wenig haben werden, wollen sich alle Chip-Verwender mit mehr Chips als notwendig eindecken. Hauptsache man selbst bleibt nicht übrig. Damit man der Konkurrenz nicht hinten nach ist. Die Bestellmengen gehen daher steil nach oben – auch für Chips, die man aktuell noch gar nicht braucht, sondern erst in ein paar Monaten oder Jahren.

Wir werden noch länger auf Playstation 5 oder neuen PC warten

Ordnung in das Chaos bringen aktuell nur die Chiphersteller. Weil die Bestellmengen als Marktsignale großteils wertlos sind, gehen sie zurück zu einer viel archaischeren Zuteilungsmethode: der Rationierung. Fast so wie Lebensmittelmarken während der Weltkriege. Sie versuchen die aktuelle Chipmenge so zuzuteilen, wie sie glauben, dass sie dem aktuellen tatsächlichen Verbrauch der Besteller entspricht. Wer zuerst bestellt hat, das zählt nichts mehr. So kommen die Autohersteller trotzdem noch zu ein paar Chips, obwohl sie als letzte bestellt haben.

Insgesamt ist es eine sehr verfahrene Situation, die auch zeigt, dass der Markt nicht immer alles richten kann. Dass sich Marktteilnehmer verrechnen, und nicht immer das optimale Ergebnis für alle Beteiligten erbringen. Weil 60% der Produktion in Asien sind, wollen US-Präsident Biden oder der deutsche Wirtschaftsminister Altmaier nun auch in den USA und Europa größere Chip-Produktionen etablieren. Sicherlich eine gute Idee, aber – aufgrund der langen Vorlaufzeiten – wird das wohl nicht zu einer früheren Lieferung der Playstation 5, des neuen PCs oder des Autos in den nächsten Monaten führen.

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