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Ungleichheit

Polizei in der Corona-Krise: Harte Strafen, großer Spielraum, viel Unsicherheit

Polizei in der Corona-Krise: Harte Strafen, großer Spielraum, viel Unsicherheit

Die Polizei bekommt während der Corona-Krise mehr Spielraum. Im neuesten Corona-Gesetz steht, dass sie nun auch vorbeugende Maßnahmen setzen dürfen. Was das heißt, ist unklar. Gleichzeitig dürfen wir BürgerInnen mehr als die Regierung kommuniziert.

 
Als die Polizei in Wien abends durch die Straßen fuhr und über die Lautsprecher Reinhard Fendrichs Klassiker “I am from Austria” abspielte, lobten manche die Geste, andere hatten ein mulmiges Gefühl. Ob es einem gefällt oder nicht, seit der Corona-Krise sind auf jeden Fall deutlich mehr PolizistInnen unterwegs, um sicherzustellen, dass sich alle an die Ausgangsbeschränkungen halten.

Strafen ausgeteilt und zurückgezogen

Mittlerweile wurden mehr als 15.000 Menschen in Österreich angezeigt, weil sie diese Beschränkungen verletzt haben sollen. Eine Handvoll an Fällen kursiert im Internet. Dazu gehört die Geschichte eines Mannes, der alleine auf einer Parkbank saß. Das ist und bleibt erlaubt. Allerdings hatten wohl die PassantInnen den nötigen Abstand nicht gewahrt. Der Mann fasste eine Strafe in Höhe von 500 Euro aus. Laut Tageszeitung Kurier bestätigte die Polizei, dass solche Strafen aufgesprochen wurden, diese werden aber zurückgezogen.

Übrig bleibt Verunsicherung in der Bevölkerung. Und daran ist auch die Regierung schuld, erklärt Juristin Angelika Adensamer, die sich in ihrer Arbeit am Institut VICESSE unter anderem auf die Polizei spezialisiert.

“Besuche nicht verboten”

Begonnen hat die große Verwirrung am vergangenen Freitag anlässlich des “Ostererlasses” der Regierung. Dort hieß es, bis zu fünf haushaltsfremde Personen dürften zu Besuch sein. Der Erlass ist mittlerweile wieder Geschichte. Die Verwirrung bleibt aber bestehen, denn es gibt eine Schere zwischen dem Gesetz und der Kommunikationsstrategie der Regierung.

Zwar sprechen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprechen von vier möglichen Gründe, das Haus zu verlassen: Erwerbsarbeit, Hilfe für andere, Einkäufe, Spazieren gehen bzw. Sport im Freien machen. Der letzte Punkt ist allerdings keine Vorgabe, wie sie vermittelt wird, sondern eher eine Empfehlung.

Erlaubt ist nicht gleich klug

Denn laut Gesetz ist es erlaubt, sich alleine oder im Hausverband im öffentlichen Raum aufzuhalten. Auf einen bestimmten Zweck wie Spazierengehen ist das nicht beschränkt. Das heißt, wer den Weg zur besten Freundin zu Fuß zurücklegt, handelt im Rahmen des Gesetzes. Es gibt auch keine Einschränkungen über die Anzahl der Personen, die man zu sich nach Hause einladen darf. Theoretisch darf ich meine 27 engsten FreundInnen bei mir empfangen, erklärt Adensamer – zumindest nach den Ausgangsbeschränkungen.

(Das war auch am Montagabend in der ZIB bei Armin Wolf und Sebastian Kurz Thema. Ab 18:45 hier.)

Aber es wird noch komplizierter. Denn die Verordnung, die Wien nach dem “Ostererlass” erlassen hat, ist weiterhin online. “Der Erlass wurde zurückgenommen, aber ob die Verordnungen der Länder noch gelten, ist unklar”, sagt Adensamer. In Wien ist die Verordnung weiterhin Online.

Dass alles, was erlaubt ist, nicht unbedingt sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Zurecht bitten KrankenpflegerInnen, PolitikerInnen und VirologInnen uns, nicht aus dem Haus zu gehen, wenn es nicht sein muss. “Aber wichtig ist, dass wir unsere Rechte kennen, gerade gegenüber der Polizei”, sagt Adensamer.

Vorbeugende Maßnahmen

Der Spielraum der Polizei wurde im neuesten Covid-Gesetzespaket ausgeweitet. In der vergangenen Woche beschloss der Nationalrat, dass die Polizei nun vorbeugende Maßnahmen ergreifen kann, um Verwaltungsübertretungen zu verhindern (siehe Artikel 49 und Artikel 50 hier).

“Der Satz bereitet mir tatsächlich Sorgen”, sagt Adensamer. Sie befürchtet breite Befugnisse, deren Auswirkungen noch nicht klar sind. Was sich durch den Zusatz für die alltägliche Arbeit der Polizei ändert, hat MOMENT beim Innenministerium nachgefragt, bis zum Redaktionsschluss allerdings keine Antwort erhalten.

Strafen ohne Beschwerde

Innenminister Karl Nehammer kündigte am Montag an, die Polizei könne nun Organstrafen im Zusammenhang mit Corona verhängen. Das sind im Grunde verkürzte Verfahren, gegen die keine Beschwerde eingelegt werden kann. “Das erleichtert das Strafen”, sagt Adensamer, gelte aber nur bei geringen Strafen von bis zu 90 Euro.

Keine Partnerschaft auf Augenhöhe

Nehammer nannte die Polizei bei der Pressekonferenz den “Sicherheitspartner der Menschen” und versprach noch mehr Präsenz auf den Straßen Österreichs. Solange allerdings nicht klar ist, was die Polizei tun darf, um Verletzungen der Ausgangsbeschränkungen zu verhindern und die Regierung missverständliche Informationen verbreitet, wird diese Partnerschaft nicht auf Augenhöhe stattfinden. Oder wie Angelika Adensamer sagt: “Es ist unheimlich wichtig zu wissen, was wir dürfen und nicht dürfen. Bei allem, was wir nicht dürfen, darf die Polizei etwas, zum Beispiel eine Strafe erteilen. Wenn wir etwas dürfen, darf uns die Polizei aber nicht einschränken.”

 

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