Vom Porsche-Tunnel zum Mega-Turm: Wie die Politik Regeln für Reiche ändert

Am Mittwoch entscheidet der Salzburger Gemeinderat, ob Milliardär Wolfgang Porsche unter dem Kapuzinerberg einen privaten Autotunnel graben darf. Ein Tunnel, der unter Gemeindegebiet verläuft und zum “Paschinger Schlössl” von Porsche führt. Das ist auch bekannt als Stefan-Zweig-Villa. Der Schriftsteller lebte hier von 1917 bis 1937.
Im Jahr 2021 erwarb Wolfgang Porsche das Haus. Und will jetzt einen Tunnel. Der Bau würde in den kommenden Jahren Lärm und Beeinträchtigungen für die Menschen verursachen, die Umwelt schädigen. Und die Tonnen an Beton, die hier in den Berg gepumpt werden sollen, vergrößern Porsches ökologischen Fußabdruck deutlich. Die Klimaschäden zahlen alle.
Für das Nutzungsrecht des städtischen Grundes soll der Erbe des Porsche-Imperiums einmalig gerade einmal 48.000 Euro zahlen. Ursprünglich sollten es sogar nur 40.000 Euro werden, bis sich herausstellte, dass der Privattunnel doppelt so viel Fläche benötigen wird wie veranschlagt. Denn da hatte man auf Details wie Sicherheitsstreifen vergessen.
Ob 40.000 oder 48.000 Euro: Für Kritiker:innen ist der Betrag, den Porsche zahlen soll, viel zu niedrig. Die öffentliche Entrüstung ist groß. Auch weil der Ex-Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) den Vertrag mit Porsche vorbei an Gremien geschlossen hat und das Mega-Projekt nur privaten Zwecken Porsches diene.
Doch auch der neue sozialdemokratische Bürgermeister Bernhard Auinger hält daran fest. Auinger war übrigens selbst 27 Jahre lang Mitarbeiter der Porsche Holding. “Die Optik könnte eine bessere sein”, sagte er dem Spiegel.
Die Optik sieht so aus: Wer reich ist, könne es sich richten, bekomme fragwürdige Projekte bewilligt und zahle wenig dafür. Beispiele dafür gab es in Österreich schon vor Wolfgang Porsche einige: Ein Überblick.
Milliardär Martin Schlaff und die Tiefgarage im Erholungsgebiet
Martin Schlaff ist einer der schillerndsten Milliardäre Österreichs. Und einer, dessen Geschäfte schon öfter Gegenstand von Ermittlungen und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen waren. Hängen blieb stets nichts an SPÖ-Mitglied Schlaff. Auch nicht, als er auf dem Grundstück seiner Villa im Wiener Stadtteil Döbling eine Tiefgarage mit 14 Stellplätzen und ein “Nebengebäude” mit einer Fläche von 711 Quadratmetern errichten ließ.
Das zur sogenannten Post-Villa gehörende Grundstück von üppigen 16.000 Quadratmetern liegt an den Ausläufern des Wienerwaldes und ist teilweise gewidmet als Grünland und Schutzgebiet. Wer hier bauen will, muss strenge Auflagen erfüllen. Das Profil berichtete im November 2007 darüber, wie schnell die Wiener Magistratsabteilung 22 für Umweltschutz einen Antrag auf Erdaushubarbeiten von Schlaffs Firma bewilligte.
Nur acht Wochen vergingen von Einreichung bis Bewilligung. Schlaff konnte sein Anwesen “mit tatkräftiger Unterstützung der Stadt Wien” sanieren, schrieb das Profil. Gegenüber dem Magazin wies die Stadt Vorwürfe zurück: Das Bauvorhaben sei streng geprüft worden. Die MA 22 habe sich an geltendes Recht gehalten. Die Entscheidung sei nicht politisch motiviert gewesen.
Später ging das Anwesen in einem für Schlaff sehr teuren Scheidungsverfahren an seine Ex-Frau Andrea über. Für die baute Schlaff eine weitere Villa auf das Gelände im Naherholungsgebiet. “Wir führen ein ziemlich einfaches Leben”, sagte Schlaff in einem seiner seltenen Interviews im Jahr 2012 dem Profil.
Milliarden-Erbin Ingrid Flick: Verlege Straße für Zugang zum Wörthersee
Österreichs Seeufer sind Kampfzone. Gekämpft wird um freie Zugänge ins kühlende Nass. Die sind nämlich sehr oft in privater Hand. Und das heißt meist: Bürger:innen bleiben draußen. Wer etwa mal eben in den Kärntner Wörthersee springen möchte, sollte sich vorher informieren, wo das überhaupt geht. Damit Gäste nicht erfolglos umherstreifen, hat das Land Kärnten dafür extra eine Website ins Leben gerufen. Hier sind ganze sieben freie Seezugänge für alle verzeichnet.
Sieben. Das entspricht genau der Zahl an Seegrundstücken, die allein Milliarden-Erbin Ingrid Flick laut Recherchen von News seit 2006 am Wörthersee erworben hat oder von ihrem verstorbenen Ehemann Karl Friedrich Flick erbte. Dieser führte seit 1962 die Geschäfte des Flick-Konzerns und erbte von seinem Vater ein riesiges Vermögen. Der Rüstungskonzern profitierte wie kaum ein anderer von Arisierungen in der Zeit des Nationalsozialismus und beschäftigte Zwangsarbeiter:innen.
Das Vermögen blieb den Flicks auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Ingrid Flick ging damit auf Grundstücks-Shoppingtour am Wörthersee – zum “Schnäppchenpreis”, wie oe24 anmerkte. Bei einem davon hatte Flick große Pläne: Auf rund 800 Meter Länge durchschneidet die Süduferstraße den Flick-Besitz.
Deshalb wollte Ingrid Flick die Straße kurzerhand verlegen lassen. Sie versprach insgesamt 5 Millionen Euro für den Bau der neuen und den Kauf der alten Straße. Eingefädelt hatte sie den Deal im Sommer 2012 mit dem damaligen Freiheitlichen Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler.
“Die geheime Vereinbarung”, wie News sie bezeichnete, sah vor, die Straße über einen Berg zu führen. Der im Jahr 2017 in einer anderen Causa wegen Untreue und Vorteilsnahme rechtskräftig verurteilte Dörfler jubelte über das “Glücksprojekt”. Mit dem Geld der Flicks sollte parallel ein Radweg gebaut werden – der wohl ziemlich steil geworden wäre.
Und Flick versprach Dörfler einen freien Seezugang für 50 Jahre. Wie groß der geworden wäre, konnte der damalige Landeshauptmann aber nicht sagen. Groß, und zwar in Euro, wäre aber wohl der Wertzuwachs des verkehrsberuhigten Flickschen Grundstücks am Wörthersee gewesen.
Die Bevölkerung war nicht angetan von den Plänen. Es gab Proteste von Anrainer:innen und Bürgerinitiativen. Nachdem sogar Milliardärin und Nachbarin Heidi Horten eine Petition gegen das Projekt unterschrieb und die deutsche Bild-Zeitung über den “Zank am Goldenen Gartenzaun” berichtete, gab Ingrid Flick im September 2012 die Pläne auf. Ein Berater der Familie nannte die Debatte um die Straßenverlegung “nicht sinnstiftend” und “unqualifiziert”.
Zehn Jahre später wunderten sich Wandernde am Wörthersee dann über einen plötzlich gesperrten Spazierweg. Des Rätsels Lösung: Kurz zuvor hatte die Flick-Privatstiftung von Ingrid Flick das Gelände gekauft und dann offenbar die Wege sperren lassen, berichtete die Kleine Zeitung im August 2022.
In der Gemeinde Auen am Wörthersee war man überrascht. “Es gibt mehrere Punkte, die mit der Familie Flick zu besprechen sind”, hieß es aus dem Gemeindeamt. “Der Bürgermeister ist bemüht, einen Termin zu koordinieren.” Es klingt wie die Bitte um Audienz.
Straße begradigen für privaten Badespaß: Günther Helm am Attersee
Auch in Oberösterreich legen Wohlhabende gerne Hand an Straßen an. Im Sommer 2024 wurde Stück für Stück bekannter, dass der ehemalige Chef der Handelsketten Hofer und Müller Günther Helms am Attersee eine Straße begradigen lassen möchte. Die macht unmittelbar in der Nähe seines im Jahr 2022 gekauften Grundstücks eine Kurve und führe deshalb zu gefährlichen Situationen, so Helms Begründung laut eines Berichts der Oberösterreichischen Nachrichten.
Kleiner Nebeneffekt, den Helm wohl gerne mitnehmen würde: Der private Badeplatz auf seinem Grundstück würde dadurch auf rund 1.200 Quadratmeter anwachsen. “Ich möchte nicht verheimlichen, dass mein Grundstück eine Aufwertung erlebt”, sagte Helm, der im Jänner 2018 unter der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung ins Nominierungskomitee der Staatsholding ÖBIB einberufen wurde.
Dass es Helm wohl doch haupt- und nicht nebensächlich um seinen Badespaß am Attersee geht, bestätigte der ÖVP-Bürgermeister von Unterach. „Der Besitzer der Liegenschaft hat angefragt, ob er die Straße im Bereich der Kurve auf eigene Kosten begradigen lassen darf. Er hat bereits einen Badeplatz, den er aber besser nutzen möchte“, sagte er den Oberösterreichischen Nachrichten. Entscheiden müsse aber das Land Oberösterreich.
Derzeit ist es still um den größeren Badestrand für den Unternehmer Helm am Attersee. Günther Helm lebt derzeit in Dubai, arbeitet dort für einen Lebensmittelkonzern und gibt in Interviews mit österreichischen Medien kluge Ratschläge: Die Österreichischen müsse manb “viel stärker bei ihrer Einstellung packen – weg vom ‘Granteln’, hin zu einem positiven Mindset”, sagte er im März der Kleine Zeitung. In Dubai habe er noch nie jemanden klagen hören. Na dann.
Höher und größer als bewilligt: Georg Stumpf und der Millennium Tower
Über die vergangenen Jahre ging es Bauunternehmens-Erbe und Investor Georg Stumpf immer höher in der Reichenliste der Republik. Mit einem geschätzten Vermögen von 8,6 Milliarden Euro gilt er laut Trend hinter dem Porsche und Piëch Familienclan und Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz als drittreichster Österreicher.
Höher hinaus als eigentlich bewilligt wuchs im Fertigstellungsjahr 1999 der von ihm geplante Millenium Tower in den Wiener Himmel. Fünf Jahre zuvor hatte Stumpf das Gelände gekauft – und zwar “mithilfe seines Vaters, eines Bauunternehmers mit guten Kontakten zur SPÖ”, schrieb Der Standard.
202 Meter misst das Gebäude, das in den Jahren danach um ein Einkaufszentrum erweitert wurde. Der Wiener Gemeinderat hatte zuvor aber nur eine Höhe von 140 Metern genehmigt.
Auch der Rest wurde größer: Die Büroflächen umfassten plötzlich 38.000 Quadratmeter, 10.000 waren geplant. Das in den Jahren danach fertiggestellte Einkaufszentrum wurde um ein Drittel größer als vorgesehen. Upps. “Stumpf hatte gewaltig überzogen“, schrieb der Trend. Dazu erhielt er zur Errichtung des Turms satte 185 Millionen Schilling – 13,5 Millionen Euro – an Wohnbauförderung.
Nachdem Stumpf Tatsachen geschaffen hatte, wurde der Millennium Tower nachträglich in seiner nicht bewilligten Form genehmigt. Für Stumpf lohnte sich die Übertreibung: Im Jahr 2003 verkaufte er Millenium Tower und Millennium City um 380 Millionen Euro und soll somit abzüglich Baukosten einen Gewinn von 235 Millionen Euro eingestrichen haben.
Er selbst habe nur 72.000 Euro Eigenmittel ins Projekt gesteckt – Geld aus dem Vermögen seines Vaters. Mit prall gefüllten Taschen investierte Stumpf in den kommenden Jahren weiter in Bauprojekte und Beteiligungen.
Sein bisher letzter großer Kauf: Im Oktober 2024 kaufte er das nicht fertiggestellte Kaufhaus Lamarr auf der Wiener Mariahilfer Straße aus der Insolvenzmasse der Pleite gegangenen Signa-Gruppe von René Benko.
Ein Konzept, wie die derzeitige Bauruine in Zukunft genutzt wird, “soll in Abstimmung mit der Stadt Wien und dem Bezirk in den kommenden Monaten entwickelt werden”, ließ Stumpf mitteilen. Man sollte im Auge behalten, ob es hier mal wieder höher hinausgeht als genehmigt.