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Gesundheit

Psychische Gesundheit bei Jugendlichen: “Das System ist komplett überlastet”

Psychische Gesundheit bei Jugendlichen: “Das System ist komplett überlastet”
@ChangefortheYouth
Der 10. Oktober ist der Tag der psychischen Gesundheit - aber Österreich versagt dabei viel zu oft. Hannah ist Aktivistin bei Change For The Youth, eine Initiative Betroffener für bessere Versorgungssicherheit. Sie sagt:“Sich Hilfe zu holen, bedeutet Hürden."

MOMENT.at: Heute ist Tag der psychischen Gesundheit. Da wollen natürlich alle (auch wir) mit euch reden und über das Thema berichten. Wie schwer ist es sonst, mit euren Forderungen als Jugendinitiative für mentale Gesundheit in die Medien zu kommen und euch Gehör zu verschaffen?

Hannah Frisch: Es ist nicht einfach. Wir werden oft zu Interviews oder Diskussionsrunden eingeladen, doch dann wollen die Leute vor allem Aufklärung und Bewusstseinsbildung. Dabei haben wir als Betroffene oft nicht genügend Wissen. Wir sind Erfahrungsexpert:innen, weil wir durch unsere Erlebnisse viel über aktuelle Probleme gelernt haben. Aber wir haben nicht auf jede Frage zum österreichischen Gesundheitssystem eine Antwort. Wenn wir demonstrieren, ist das anders. Dann gehen wir mit unseren Forderungen auf die Straße und das Interesse der Medien wächst.

MOMENT.at: Was belastet junge Menschen heute am stärksten?

Hannah: Allen voran sind das die Zukunftsängste: die Klimakrise, Kriege, die Inflation und daraus folgende mangelnde finanzielle Sicherheit. Und dann sind da noch die sozialen Medien. Der Druck auf uns als Einzelne steigt. Wir wollen einzigartig sein, besonders und herausstechen. Unter dieser Last zerbrechen viele. In Schulen gibt es eine Kompetenzlücke, was die Bewusstseinsbildung im Umgang mit sozialen Medien betrifft.

Dabei sind viele junge Menschen von Cybermobbing betroffen. Wollen sie sich Hilfe holen, stehen ihnen viele Hürden gegenüber. Es mangelt alleine schon an Zugänglichkeit. Alles ist so kompliziert. Man weiß ja nicht mal den Unterschied zwischen Psychotherapeut:innen, klinischen Psycholog:innen und Psychiater:innen. Dann kommen die Wartezeiten. Einen Ersttermin kriegt man oft erst nach Monaten, weil es einfach nicht genug Kassenplätze gibt. Das ist auch eine Frage von Klassismus. Viele können sich eine Behandlung einfach nicht leisten, wenn sie nicht von der Krankenkasse übernommen wird.

MOMENT.at: Was sind eure Forderungen?

Hannah: Es braucht eine bessere Akutversorgung. Grundsätzlich gibt es genug Therapeut:innen, aber eben nicht ausreichend, die Behandlungen auf Kasse anbieten. Genügend Kompetenz ist eigentlich auch da. Doch das System ist komplett überlastet und das verschlechtert die Versorgung. Deshalb fordern wir Psychotherapie auf Kasse für alle.

Damit haben wir vor einem Jahr eine Petition gestartet. Unsere Motivation war groß, doch dann hat uns die Politik schnell eine Absage erteilt. In dieser Legislaturperiode wird das nichts, haben sie gesagt. Damit unsere Forderung im Nationalrat besprochen wird, müssten wir ein Volksbegehren starten. Das überlegen wir uns gerade.

MOMENT.at: Es geht euch nicht “nur” um die Betroffenen, sondern ihr wollt mit euren Forderungen ja auch die Gesamtsituation im Gesundheitssystem verbessern. Wie lassen sich Kämpfe verbinden?

Hannah: Klar ist: Mit einem Gegeneinander kommen wir nicht weiter. Wir brauchen ein Miteinander. Das Versorgungsnetz in Österreich wird sich nicht bessern, wenn Arbeitende im Gesundheitssystem ausgebeutet werden. Es braucht bessere Löhne und Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Eine gemeinsame Demo ist aber nicht geplant, weil es bisher noch keinen engmaschigen Kontakt mit den Gewerkschaften gibt.

MOMENT.at: Habt ihr das Gefühl, es hat sich seit eurem Beginn etwas verändert? Wenn ja, in welche Richtung?

Hannah: Um ehrlich zu sein, hat sich leider kaum etwas verändert. Was aber gut ist: Die Altersbegrenzung auf 18 Jahre in Kinder- und Jugendpsychatrien wurde aufgehoben. Damit können Betroffene über 18 besser betreut werden. Zwar wurde auch das Projekt “Gesund aus der Krise” ins Leben gerufen, aber weil die Finanzierung nicht für einen längeren Zeitraum beschlossen wurde, ist es kein fixer Bestandteil des Gesundheitssystems. Und die 15 Therapiestunden, die in dem Rahmen Betroffenen zur Verfügung gestellt werden, helfen eigentlich nur bei Problemen, die verhältnismäßig schnell zu bewältigen sind. Aber natürlich ist es ein nettes Aushängeschild für die Regierung.

Das Problem der psychischen Gesundheit wurde jedenfalls lange aufgeschoben. Unsere Politik schlittert von einer Krise in die nächste. Mentale Gesundheit geht oft unter, obwohl es nach der Klimakrise das wichtigste Thema der jungen Generation ist. Der Druck der Gesellschaft auf die Politik ist noch nicht groß genug, um Veränderungen zu erwirken. Wir wollen mit unseren persönlichen Geschichten ein Umdenken erzeugen.

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