Demokratie

Rechtsextreme „Tanzbrigade” in der Wiener Technoszene

Die Clubs "Camera Club" und "Jolly Roger" hosteten beide Veranstaltungen der rechtsextremen "Tanzbrigade". Die Verantwortlichen beziehen Stellung.

Die Menschen haben nicht so ausgesehen, als ob sie oft fortgehen. Es war ein besonderer Schlag von Mensch, der da war”, berichtet Daniel Morgenstern. Er ist aktuell im Club “Jolly Roger” für das Buchen der DJs verantwortlich. Damals war er noch privat als Gast vor Ort. Bei Techno-Veranstaltungen habe er immer das Gefühl, einen Großteil der Leute schon einmal gesehen zu haben. Das sei am 28. Dezember 2024 im “Jolly Roger” nicht so gewesen. 

Die “Tanzbrigade” tritt nicht unter diesem Namen auf. Sie verwendet Pseudonyme. Nach einer jahrelangen Pause finden sich nun wieder entsprechende Events, DJ-Namen im Line-up, Veranstalter:innen. Und Lokale, die den Rechtsextremen Bühnen gewähren. 

Ein Instagram-Account war begeistert davon: “Die Crowd [war] eine so einzigartige Melange an gut gelaunten und partywütigen blutjungen Mädels & Jungs, so wie auch unzählige ältere Semester, deren Gesichter man oft bereits seit vielen Jahren nicht mehr sah – bis zu diesem Top Clubbing gestern!” 

Das schreibt der Kanal der Gruppierung “Divison Wien”. Aus ihrer rechtsextremen Gesinnung macht sie keinen Hehl. In einem Post solidarisierten sie sich mit dem jüngst (nicht rechtskräftig) vor dem Landesgericht Innsbruck wegen Wiederbetätigung verurteilten Neonazi Manuel Eder. Auf einem abfotografierten Sticker eines Laternenmasts vor der Justizanstalt Graz-Karlau steht: Freiheit für Manuel Eder” und Weg mit dem NS-Verbotsgesetz”. Sonst sind Gruppenfotos mit Männern mit verpixelten Gesichtern beim Kampfsport, als Hooligans bei Fußballspielen oder auf rechten Demonstrationen zu sehen. Ebenso veröffentlichten sie neue Tracks” der “Tanzbrigade” und posteten Flaggen, Sticker oder Graffiti mit Tanzbrigade-Logo. Es ist mutmaßlich der Instagram-Account der “Tanzbrigade”.

Die Veranstaltung im Ende 2024 eröffneten Club “Jolly Roger”, die der Account bejubelte, war eben nicht nur eine gängige Techno-Veranstaltung. Sie war Teil der Wiederbelebung der Techno-Events der rechtsextremen “Tanzbrigade”. Nach einer jahrelangen Pause dringt diese wieder in die Wiener Technoszene ein. Und die macht dabei entweder fahrlässig mit, oder ist schlecht darauf vorbereitet.

Auch der “Camera Club”* hostete im Vorjahr eine solche Veranstaltung. Dort trat die Truppe auch vor ihrer “Pause” vor über zehn Jahren schon auf. Wie konnte es zu diesen Veranstaltungen in etablierten Wiener Clubs kommen? 

Wer steckt hinter der “Tanzbrigade”?

Wer glaubt, bei der “Tanzbrigade” handle es sich nur” um rechtsextreme Jugendliche, die eben zu Techno feiern wollen, der irrt. Die Gruppierung ist jederzeit bereit, Menschen außerhalb ihrer rechten Ideologie Gewalt anzutun. Am 21.03.2025 wurden Neonazis verhaftet, weil sie vor allem homosexuelle Männer terrorisierten. Ermittelt wird wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung, Raub, schwerem Raub und versuchtem Mord. Laut Recherchen von profil könnden die mutmaßlichen Täter dem Umfeld der “Tanzbrigade” sowie der ebenso rechtsextremen “Divison Wien” zugeordnet werden. Über 13 Verdächtige wurde eine U-Haft verhängt. 

Auch zuvor soll es zu Gewalt der “Tanzbrigade” gegenüber diskriminierten Personen und politischen Gegner:innen gekommen sein. So schreibt eine deutsche, neonazistische Kleinpartei auf ihrer Website: Mehr als ein Anhänger der autonomen Antifa musste […] mittlerweile lernen, dass die Herren der Tanzbrigade nicht nur das Tanzbein, sondern auch den Schlagarm zu schwingen wissen.” 

Wieso anzunehmen ist, dass die Veranstaltungen mit der “Tanzbrigade” zusammenhängen? Sie haben sich selbst auf diversen Telegramkanälen dazu bekannt. So schrieben sie sichtlich stolz über die Sommerparty” am 31. Mai im Camera Club, dass dort nicht nur ein weltbekannter DJ auflegte, sondern auch dass die “Tanzbrigade” unter einem Pseudonym ihr Können” unter Beweis stellen konnte. 

Als Schlüsselfigur dieser Techno-Events der “Tanzbrigade” gilt der DJ “King Banana” Christian Csincencs, der laut einer Recherche der Plattform “Oera.eu” (Österreich Rechts außen) die Eventmanagement-Agentur Pink Banana Entertainment” gründete. 2013 veranstaltete die Agentur unter anderem auch Events im Camera Club. Viele DJ-Namen von damals finden sich auch auf den Line-ups der kürzlichen Veranstaltungen erneut im Camera Club und im Jolly Roger wieder. So sind auch hier DJs aus dem Death Noize Clan” wie Mitbegründer und Hardtekk-DJ NAZ-T, von den cheeky rascals” und Pink Banana Entertainment” selbst zu finden. 


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Madness” im “Jolly Roger”

Zu dem Zeitpunkt der Veranstaltung im Dezember war der Eventmanager Cem-Cihan Aslan für das Booking und die Betriebsleitung im “Jolly Roger” verantwortlich. Laut Aslan wurde ihm die Veranstaltungsreihe von dem ihm bereits bekannten Veranstalter und DJ Sutter Cane” empfohlen, der unter anderem die in der Technoszene bekannten “Verknallt/Perplex”-Partys im Club “Exil” oder “Jolly Roger” veranstaltete. Ebenso empfahl er Aslan einen bestimmten Barkeeper, der auch am 28. Dezember im “Jolly Roger” arbeitete. Die Eventreihe würde nach jahrelanger Pause wieder weitergeführt werden. 

Veranstalter waren der Death Noize Clan Austria” und die Cheeky Rascals”. Aslan habe sich selbst im Gespräch mit ihnen als links positioniert und sie hätten keine gegenteilige Positionierung erwähnt. Einzelne DJs habe er nicht recherchiert. Er sei blauäugig” gewesen, da er Sutter Cane” aufgrund jahrelanger Zusammenarbeit vertraute. Bedenken hatte Aslan eher bei der Nähe der Veranstalter zur Hooligan-Szene. Darauf hätten sie entgegnet, dass sie keine Personen mit Trikots oder Logos in den Club lassen würden. Viele Referenzen der Veranstalter gab es nicht. 

Sutter Cane” verweigerte die Interviewanfrage von MOMENT.at. Er distanziere sich “ganz klar von allem und jedem, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.” Der DJ stand außerdem auch auf dem Line-up für die Fear and Loathing in Hells Kitchen” Veranstaltung der Pink Banana Events-Agentur” im “Camera Club”. 

Am 18. Februar veröffentlichte “Oera.at” eine Recherche über die “Tanzbrigade” und ihre Veranstaltungen. Der heutige Booker des “Jolly Roger” Daniel Morgenstern wurde von einem Instagram-User darauf aufmerksam gemacht: “Das war wie, wenn du einen Finger in die Stromdose steckst.” Nach eigener Recherche wurden ein Barkeeper und eine Barkeeperin gekündigt, die sich als Teil des Umfelds der “Tanzbrigade” entpuppten. 

Daraufhin wurde ein offizielles Statement im Namen des “Jolly Roger” von Daniel Morgenstern aufgesetzt, indem sie sich von rechts distanzierten. Morgenstern hat immerhin Erfahrung mit Krisenkommunikation. So war er bis zuletzt als Booker im Club “das Werk” tätig. Zehn Tage vor #TechnoMeToo – eine Welle an Berichten, die Machtmissbrauch und sexualisierte Übergriffe in der Technoszene aufgriffen – begann er dort zu arbeiten. Der Besitzer des Clubs stand damals in der Kritik. 

“Fear and Loathing in Hell’s Kitchen” im “Camera Club”

„Das Event hat sich durch nichts von einem anderen Technoevent unterschieden”, sagt Reiner Schmid. Er ist der Clubmanager und Booker des “Camera Club” und spricht über die Veranstaltung am 31. Mai 2024, bei der Tanzbrigade-DJ “SKADI” ihr Debut feierte. Die Veranstalter “cheeky rascals” und “Pink Banana Entertainment” seien selbst für ein Booking an den “Camera Club” herangetreten. Die Rückfrage, ob er etwas über die Tanzbrigade oder die Recherche von “Österreich Rechts Außen” gehört habe, verneint er. Auch das Statement des “Jolly Roger” sei ihm neu. Er höre zum ersten Mal davon. 

Das widerspricht zumindest Aussagen von Morgenstern, mit dem MOMENT.at nach Reiner Schmid ein Interview führt. Dieser sagt, er habe nach Veröffentlichung der oera-Recherche im Februar diesen Jahres Kontakt zu Reiner Schmid aufgenommen, um ihn darüber zu informieren und ihn zu fragen, ob er etwas darüber wisse. Sowohl gegenüber Morgenstern als auch MOMENT.at beteuerte er, von nichts gewusst zu haben. Ebenso soll ein Tanzbrigade-Akteur als Türsteher zumindest in der Vergangenheit für den “Camera Club” gearbeitet haben. 

Ein offizielles Statement gegen rechts erachtet Schmid als nicht notwendig: “Wissen Sie, ich mache Events schon länger als sie alt sind und wir hatten bis jetzt noch nie etwas Politisches, weil wir da in keinster Weise aktiv sind. Das war es auch bis jetzt für mich nicht.” 

Zeitpunkt sei “kein Zufall”

“Man muss wachsam sein in einer Zeit, in der wir fast einen Herbert Kickl als Kanzler bekommen hätten”, stellt Morgenstern abschließend fest. Dass die Veranstaltungsreihe eine jahrelange Pause hatte und jetzt wieder in die Wiener Clubs zurückkehrt, sei kein Zufall. Die politischen Entwicklungen, sowie das Vordringen rechter Kreise in die Technoszene würden parallel verlaufen. “Rechte fühlen sich wieder stark”, beobachtet der Booker. 

Das stimmt wohl. Nur vier Tage nach der Veröffentlichung der „Oera“-Recherche war ein neues Event der “Tanzbrigade” geplant. Aber der mutmaßliche Betreiber der “Oera”-Plattform kontaktierte laut Telegram-Channel der “Tanzbrigade” das Lokal und wies sie auf die rechtsextremen Verstrickungen dieser hin. Immerhin: Das Event wurde abgesagt. 

*Nach Veröffentlichung der Recherche distanzierte sich der Camera Club in einem Statement auf Social Media von Rechtsextremismus. 


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