Recht auf Abtreibung: Was ist "Roe v. Wade"?
Was ist „Roe v. Wade“?
“Roe v. Wade” ist die Bezeichnung für eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA aus dem Jahr 1973. Darin hielten die Richter fest, dass es das fundamentale und verfassungsmäßige Recht von Frauen sei, über einen Schwangerschaftsabbruch selbst zu entscheiden. Die bestehenden Gesetze vieler Staaten wurden dadurch überstimmt.
Das Recht auf Abtreibung wurde in die Trimester der Schwangerschaft unterteilt: Für das erste Trimester durften keine Beschränkungen bestehen, im zweiten konnten zumindest Vorschriften zum Schutz der Mutter verlangt werden. Erst ab Beginn des dritten Trimesters durften die Bundesstaaten eine Abtreibung gesetzlich verbieten – außer, das Leben der Mutter war in Gefahr.
Wie kam es zu „Roe v. Wade“?
Vor dem Urteil gab es in den USA in den meisten Bundesstaaten strenge Abtreibungsgesetze. In Texas waren Schwangerschaftsabbrüche etwa grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren in Gefahr war.
Dagegen zog die 22-jährige Norma McCorvey vor Gericht. Sie hatte ihre ersten zwei Kinder aufgrund schwieriger Lebensumstände bereits zur Adoption freigegeben. Als sie erneut schwanger wurde, wollte sie eine Abtreibung vornehmen – was ihr aber verboten wurde.
McCorveys Anwältinnen hatten schon seit längerer Zeit nach Klientinnen gesucht, die gegen das restriktive Abtreibungsrecht klagen wollten. Da McCorvey anonym bleiben wollte, brachten sie 1970 Klage gegen den Staat Texas unter dem Pseudonym “Jane Roe” ein – der zugeteilte Staatsanwalt war Henry Wade. “Roe v. Wade” heißt auf Deutsch so viel wie “Roe gegen Wade”.
Die Argumentation der Anwältinnen: Das Abtreibungsverbot verstieß gegen das verfassungsmäßige Recht auf Privatsphäre. Drei Jahre lang dauerte es, bis der Oberste Gerichtshof zugunsten der Klägerin entschied.
Was waren die Auswirkungen von „Roe v. Wade“?
Die Entscheidung war ein wichtiger Sieg für Frauenrechte. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes mussten die Bundesstaaten ihre strengen Vorschriften überarbeiten. New York war der einzige Staat, in dem die Gesetze zur Abtreibung gleich bleiben konnten. Die Entscheidung sah auch vor, dass die Abtreibungsgesetze einer strengen richterlichen Kontrolle unterliegen sollten.
1992 entschied der Oberste Gerichtshof in Fall “Planned Parenthood v Casey” eine Änderung der Rechtssprechung. Das fundamentale Recht auf Abtreibung blieb bestehen, wurde aber aufgeweicht. Bundesstaaten konnten nun auch vor dem letzten Trimester stärkere Einschränkungen erteilen und Abtreibungen ab der 23. Woche verbieten.
Fundamentalistische Gruppierungen und Politiker:innen, insbesondere die Republikanische Partei, haben in den letzten Jahrzehnten für die Abschaffung von “Roe v. Wade” und das Recht auf Abtreibung gekämpft. Unter Donald Trump kamen sie ihrem Ziel einen großen Schritt näher: Er hatte den Obersten Gerichtshof mit mehreren streng konservativen Richter:innen besetzt, die als Abtreibungsgegner:innen gelten. Sie haben eine Mehrheit von 6 zu 3.
Auch in den Bundesstaaten wurde der Kampf gegen Abtreibungsrechte in den letzten Jahren fortgesetzt. In Texas wurde etwa das sogenannte “Heartbeat Law” beschlossen, laut dem ab der sechsten Schwangerschaftswoche keine Abtreibungen mehr erlaubt sind. Das ist oft noch bevor Frauen sich der Schwangerschaft überhaupt bewusst sind. Das Perfide daran: Das Gesetz kann von Bürger:innen durchgesetzt werden. Wer eine erfolgreiche Klage gegen Menschen durchbringt, die abtreiben oder bei Abtreibungen helfen, bekommt vom Staat 10.000$. Das Gesetz wurde zum Vorbild für andere Staaten.
Was hat der Oberste Gerichtshof jetzt zu „Roe v. Wade“ entschieden?
Die Abtreibungsgegner:innen haben ihr Ziel erreicht: “Roe v. Wade” wurde gekippt.
Laut den konservativen Richter:innen war die ursprüngliche Entscheidung “von Anfang an ungeheuerlich falsch” gewesen. Das Recht auf Abtreibung sei außerdem “nicht tief in der Geschichte und den Traditionen der Nation verwurzelt”. Die Entscheidung liege daher beim Gesetzgeber in den Bundesstaaten.
Die Bundesstaaten können Abtreibung zwar immer noch erlauben, aber eben auch verbieten. Viele Staaten haben solche Verbote im Hinblick auf diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bereits vorbereitet. Beliebt ist diese fundamentalistische Politik gegen Frauenrechte übrigens nicht: In einer Umfrage von 2020 haben 69% der Befragten angegeben, dass “Roe v. Wade” nicht verworfen werden soll.