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Ungleichheit

Schutzzone im Grazer Stadtpark: “Genau die, denen wir helfen wollen, werden vertrieben”

Seit März 2020 sind Teile des Grazer Stadtparks zu einer Schutzzone erklärt. Die Polizei darf allein auf Verdacht einer strafbaren Handlung ein 30-tägiges Betretungsverbot aussprechen. Wer sich dem Verbot widersetzt, dem droht eine Geldstrafe. Das erschwert StreetworkerInnen die Arbeit erheblich.

 
Die Schutzzone im Grazer Stadtpark gibt der Polizei die Macht, auf Verdacht Betretungsverbote auszusprechen. Die Kinder sollen vor Drogendeals geschützt werden, sagt sie. Das macht uns die Arbeit schwer, sagen StreetworkerInnen.

 Der Platz der Menschenrechte inmitten des Grazer Stadtparks, unweit des Kinderspielplatzes, ist mit seinem Springbrunnen das perfekte Postkartenmotiv. Er ist auch seit langem Treffpunkt für Punks und Obdachlose, die auch an diesem Tag still um dem Brunnen sitzen und Dosenbier trinken. Der Platz befindet sich im Zentrum einer “Schutzzone”.

Bruno Benyahia und Viktor Knebel, zwei bärtige, dunkel bekleidete junge Männer mit schwarzen Rucksäcken, warten auf einer Parkbank. Plötzlich unterbricht ein Motorengeräusch die Ruhe. Ein Streifenwagen der Polizei fährt am Brunnen vorbei. Kaum jemand blickt auf, der silberne VW ist auch gleich wieder verschwunden. Die Streifen sind schon längst ein gewohnter Anblick.

Benyahia und Knebel setzen sich in Bewegung. Sie verhalten sich bewusst auffällig, gehen langsam, beobachten, suchen Problemfälle, kommen mit Leuten ins Gespräch. “Seid ihr Zivile?” werden sie dann oft gefragt. Dann erklären sie, dass sie für Jugendstreetwork Graz unterwegs sind.

Sie sind mobile Anlaufstelle für Jugendliche, die nicht weiter wissen; sei es aufgrund von Arbeitslosigkeit, Problemen mit der Polizei oder in alltäglichen Dingen wie Liebeskummer. Hilfsbedürftige Jugendliche sind in Parks einfach zu finden – dort können sie mit FreundInnen reden oder Sport betreiben, ohne Geld auszugeben. “Wir beantworten Fragen und unterstützen”, sagt Benyahia. Doch genau in diesem zentralen Aspekt ihrer Arbeit fühlen sich die Streetworker seit einiger Zeit beeinträchtigt.

 
Die beiden Streetworker Viktor Knebel und Bruno Benyahia sind von hinten beim Rundgang im Grazer Stadtpark zu sehen. Sie tragen schwarze Rucksäcke mit der Aufschrift "Jugend Street Work".

Die Streetworker Viktor Knebel und Bruno Benyahia beim Rundgang im Grazer Stadtpark. Foto: Niko Zoltan

Betretungsverbot auf Verdacht

Seit März 2020 sind Teile des Grazer Stadtparks zu einer Schutzzone erklärt. Welcher Teil der Stadt zur Schutzzone wird, bestimmt die Polizei allein. Sie darf allein auf Verdacht einer strafbaren Handlung ein 30-tägiges Betretungsverbot aussprechen. Wer sich dem Verbot widersetzt, dem droht eine Geldstrafe.

Zweck ist der Schutz von Minderjährigen vor Personen, von denen anzunehmen ist, dass sie, “strafbare Handlungen nach dem Strafgesetzbuch, dem Verbotsgesetz oder (…) dem Suchtmittelgesetz begehen werden”, so der Polizeijargon. Was damit eigentlich gemeint ist: In der Nähe des Spielplatzes sollen keine Drogen mehr gedealt werden, wie es im Stadtpark oft zu beobachten war.

Die Idee ist nicht neu. Ähnliche Schutzzonen gibt es etwa seit 2018 auch in Linz. Vor dem Stadtpark waren auch schon zwei andere Grazer Parks ein Jahr lang Schutzzonen: der Volksgarten und der Metahofpark. Mit der gewünschten Wirkung. Über 550 Betretungsverbote wurden ausgesprochen, 360 Mal Suchtmittel sichergestellt.

Zonen sollen Drogenproblem gar nicht lösen

Damals sorgten die Schutzzonen für heftige Diskussionen. GegnerInnen sahen darin eine Verlagerung des Drogendealer-Problems in Seitengassen und andere Parks. “Dass das Drogenproblem mit Schutzzonen gelöst wird, sagt die Polizei gar nicht”, heißt es von Polizeisprecher Markus Lamb. “Es geht um den Schutz der Kinder, die sich hier aufhalten.”

Benyahia und Knebel berichten von Jugendlichen, die unter dem Vorwand der Schutzzone untersucht worden, auch wenn sie nichts falsch gemacht hätten. Sie glauben, dass hauptsächlich Jugendliche mit Migrationshintergrund betroffen sind.

Wen die Polizei kontrollieren darf, ist schwammig formuliert.  “Aufgrund bestimmter Tatsachen”, heißt es in der Verordnung, “insbesondere wegen vorangegangener gefährlicher Angriffe.” Vor allem betrifft es also amtsbekannte Personen.

Es sei absurd, sagen die Streetworker: “Genau die, denen wir helfen wollen, werden vertrieben. Viele werden aufgrund ihrer Herkunft verdächtigt und untersucht. Auch wenn nichts gefunden wird, bleiben sie dann weg”, um der Erniedrigung einer erneuten Untersuchung zu entgehen. Kommen Jugendliche nicht mehr in den Park, sind sie durch die Streetworker schwerer zu erreichen.

Schutzzone wurde verlängert

Im September wurde die Schutzzone im Stadtpark für maximal sechs weitere Monate verlängert. Die Begründung: Seit die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, berichtet die Polizei von mehr Suchtmittelkriminalität.

Für StreetworkerInnen bedeutet die Schutzzone eine zusätzliche Aufgabe: Sie stehen Jugendlichen zur Seite, die mit der Polizei in Konflikt kommen. “Viele verstehen nicht, warum ihnen plötzlich ein Betretungsverbot ausgesprochen wird, weil sie die Verordnung nicht lesen können”, sagt Knebel. “Deshalb haben wir auch zusammen mit der Mobilen Arbeit einen Aushang in einfacher Sprache entworfen. Wir erklären, was die Schutzzone ist und unterstützen Jugendliche dabei, gegen Betretungsverbote Einspruch zu erheben, wenn sie das wollen.”

Die Polizei ist zufrieden mit der Wirkung der Schutzzonen. Sie lösen das Problem der Drogenkriminalität zwar nicht, machen aber zumindest Teile des Parks frei davon. Den StreetworkerInnen macht genau das die Arbeit schwer, solange die Schutzzonen gelten – im Stadtpark also noch die nächsten Monate. Und dann ist der nächste Park dran.

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