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Ungleichheit

Sozialmärkte während Corona: “Wir wollen unsere Kunden wieder verlieren”

Die Außenansicht des Sozialmarkts in Wien Neubau. Mit freundlicher Genehmigung des Wiener Hilfswerks.
"Verteilen statt vernichten" ist die grundsätzliche Idee hinter Sozialmärkten. Das Konzept birgt aber auch Probleme. Credit: Wiener Hilfswerk

Viele Menschen haben in der Corona-Krise ihre Arbeit verloren oder zumindest Einkommen eingebüßt. Wenn kaum mehr Geld für Lebensmittel übrig ist, helfen Sozialmärkte.

Seit über 20 Jahren gibt es in Österreich Sozialmärkte für alle, die sie brauchen – und das sind wegen der Corona-Krise immer mehr. 1,8 Millionen Menschen sind in Österreich arbeitslos oder in Kurzarbeit. Rund 43 Prozent der Menschen erleiden wegen der Corona-Krise Einkommenseinbußen. Die Betroffenen haben im Schnitt ein Viertel ihres Monatseinkommens verloren.

Natürlich brauchen nicht all diese Menschen Sozialmärkte. Aber: „Die Nachfrage steigt“, sagt Peter Kohls vom SOMA-Sozialmarkt in Wien Neubau. Recht konkrete Zahlen hat Alexander Schiel, der drei Sozialmärkte in Wien betreibt. Kamen vorher rund 100 bis 150 KundInnen pro Tag, so seien es jetzt 200 KundInnen in jedem Markt. „Wir haben viele Neuanmeldungen“, sagt Schiel. „Aber im Grunde wollen wir alle unsere Kunden so schnell wie möglich verlieren.“

Klar, bedeuten mehr KundInnen doch, dass es bei mehr Menschen finanziell knapp ist.

 
So sieht der SOMA-Sozialmarkt des Wiener Hilfswerks in Neubau aus. Seit der Krise steigt die Nachfrage nach stark verbilligten Lebensmitteln. Zu sehen sind Paletten an Lebensmitteln.

Das Prinzip der Sozialmärkten funktioniert im Allgemeinen so: Handelsketten, Unternehmen und Produzenten geben kostenlos Waren ab, die nicht in den herkömmlichen Handel passen. Das kann aufgrund von leichten Schäden an der Verpackung der Fall sein oder wenn zu viel produziert wurde. Auf jeden Fall retten diese Spenden Produkte, die sonst entsorgt würden und tun gleichzeitig Gutes. Die Sozialmärkte verkaufen die Waren zu stark reduziertem Preis an Menschen weiter, die sich einen Einkauf in normalen Supermärkten schwer leisten können. So kostet ein Liter Milch beispielsweise statt 1,20 Euro nur 40 Cent.

Um tatsächlich jenen zu helfen, die es brauchen, müssen KundInnen eine Berechtigungskarte beantragen. Die Einkommensgrenze liegt dafür bei Alleinstehenden zwischen 800 und 1.300 Euro, je nach Bundesland und Markt.

Auch in Kärnten steigt der Bedarf. Seit der Krise kommen etwa 15 Prozent mehr Menschen in einen der sechs Sozialmärkte. Geschäftsführerin Liselotte Suette schätzt, dass die Krise und die gesteigerte Nachfrage anhalten werden.

Aus einem Euro werden acht

Nicht nur die Zahl der KundInnen steigt, auch die Warenspenden nehmen in der Krise zu. „Wir müssen an der Stelle auch mal Danke sagen. Uns hat eine große Welle an Solidarität erreicht und diese Hilfsbereitschaft, die uns entgegen kommt, gibt uns Kraft“, sagt Suette. Ein Privatunternehmen habe etwa 500 Masken gespendet. Suette konnte außerdem alle MitarbeiterInnen halten. „Das war mir ein großes Anliegen. Wir haben alleinerziehende Mütter, Frauen über 50, die ihre Angehörigen pflegen. Ihre Sicherheit und die der KundInnen sind meine oberste Priorität.“

Die Sozialmärkte in Kärnten gehören wie etwa die Hälfte der 69 österreichischen Sozialmärkte zum Dachverband SOMA Österreich & Partner. Laut Website haben sie rund 100.000 registrierte KundInnen. Der Verband hat die Wirtschaftsuniversität Wien beauftragt, zu analysieren, wie viel ein Euro Investment in den Verein bringt. Laut Bericht der ForscherInnen bringt ein Euro einen Gegenwert von 8,47 Euro an sozialem Nutzen. Die KundInnen werden zum Beispiel durch das Angebot nicht nur finanziell, sondern auch psychisch entlastet. Der Fachbegriff dafür lautet “Social Return on Investment” (SROI). Verbandspräsident Gerhard Steiner ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Das SOMA-Prinzip funktioniert.“

Innsbruck fällt aus der Reihe. Neue KundInnen gebe es aktuell nicht in besonderem Ausmaß, sagt Michaela Landauer vom Sozialmarkt TISO. Tirol war im März besonders vom Coronavirus und den darauffolgenden Ausgangsbeschränkungen betroffen. „Es wurde leider die Falschmeldung verbreitet, dass wir geschlossen haben“, sagt Landauer. „Mittlerweile ist das geklärt, die KundInnen kommen zögerlich zurück. Viele sind noch in der Schockstarre und wissen nicht, wie es weitergeht.“

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