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Demokratie

Zwei Länder in einem? Wie Stadt und Land in Österreich wählen

Gibt es zwei Länder, die Österreich heißen? Wie unterschiedlich die Menschen in Stadt und Land wählen und welche Parteien wo gewinnen.

Das Wichtigste in aller Kürze:

  • Stadt und Land wählen in Österreich sehr unterschiedlich
  • Der Anteil von WählerInnen in Stadt und Land ist bei allen Parteien unterschiedlich
  • Bei der ÖVP dominieren die Stimmen vom Land, bei den Grünen die aus der Stadt
  • Menschen in der Stadt sind in Österreich eine Minderheit
  • Menschen am Land gehen auch öfter wählen

Bei der Nationalratswahl am vergangenen Sonntag zeigte sich ein Muster, das in den vergangenen Jahren immer stärker in den Blickpunkt geraten ist. Der Unterschied im Wahlverhalten von Menschen in der Stadt und von Menschen in ländlichen Gebieten. 

In Österreich gibt es grundsätzlich nicht viele große Städte. Nur sechs haben im Jahr 2019 mehr als 100.000 EinwohnerInnen: Das sind Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck und seit neuestem auch Klagenfurt. All diese Städte sind in den letzten 40 Jahren gewachsen, besonders natürlich Wien.

Wir haben uns das Wahlverhalten in diesen Städten im Vergleich zum restlichen Land angesehen und dabei immer die Stimmen der wichtigsten Parteien berücksichtigt. Gelegentlich erfolgreiche Listen (etwa das Team Stronach 2013 oder auch die Grünen-Vorgängerlisten 1983), sind in diesen Ergebnissen der Übersichtlichkeit wegen großteils ausgeblendet. Bei den Ergebnissen 2019 fehlen immer die etwa 40.000 Wahlkarten, die erst am Donnerstag ausgezählt werden. Für die groben Trendbestimmungen sind sie nicht so wichtig.

Was bei den Städten zuerst auffällt: Seit die Wahlpflicht Ende der 1980er-Jahre wegfiel, gingen deutlich weniger Menschen in Städten zur Wahl – und das trotz wachsender Bevölkerungszahl. In Wien gibt es heute über 360.000 mehr EinwohnerInnen als noch anfangs der 1980er. Aber viele davon dürfen nicht wählen. Bei der Wahl 1983 gab es nur 8.000 weniger Wahlberechtigte als 2019. (Hier gibt es andere Gründe, warum viele Menschen nicht wählen gehen.)

Gliedert man die Landschaft in politische Lager, dann ist zu sehen, dass Parteien links der Mitte („Mitte-Links“ haben wir SPÖ, Grüne und Jetzt, als „Weitlinks“ die KPÖ  gewertet) in der Regel deutlich vor den rechten Parteien sind (als „Mitte-Rechts“ haben wir die Neos und ÖVP, als „Weitrechts“ die FPÖ und das BZÖ gewertet). Dieser Trend gilt bei Nationalratswahlen auch, ist bei Wahlen in der Region oft aber noch stärker.

Am „Land“, also in Gemeinden unter 100.000 Menschen, von denen viele in Österreich oft auch noch als Stadt gelten, sind die Dinge ein wenig anders.Hier wächst die Zahl der Stimmabgaben seit den 1980er-Jahren immer noch leicht an.

Die politischen Lager sind am Land anders gewichtet. Zumeist gibt es eine stabile Mehrheit für rechte Parteien. Und dabei entfällt ein doch wesentlicher Anteil sogar auf weit rechts stehende Gruppen. 2019 konnte die ÖVP von diesem Anteil etwas nagen. Allerdings darf man dabei auch nicht vergessen, dass die türkise Partei vorher in den letzten Jahren auch selbst mit vielen Positionen weiter nach rechts gerückt ist.

Es gibt in Österreich mehr Wahlberechtigte in Kleinstädten und ländlichen Regionen als in größeren Städten. 2,7 Menschen vom Land dürfen für jeden Menschen aus der Stadt wählen.

Weil die Wahlbeteiligung am Land (77 Prozent) aber auch noch höher ist, als die in der Stadt (71 Prozent), ist der Einfluss der Landregionen noch größer. Bei den abgegebenen Stimmen kommen für jede aus der Stadt immerhin 2,88 vom Land.

Die ÖVP ist eine extrem ländliche Partei. Das war sie schon immer,  aber in den letzten 30 Jahren hat sich das Verhältnis zwischen Land- und StadtwählerInnen bei ihr drastisch verschärft. 1966 haben noch doppelt so viele Menschen in den Städten die ÖVP gewählt, wie heute (dabei gibt es insgesamt 1,5 Millionen mehr Wahlberechtigte in Österreich, als damals). 2019 kamen auf jede ÖVP-Stimme aus der Stadt ganze 4,5 Stimmen vom Land.

Das erklärt vielleicht, warum Sebastian Kurz bei der vergangenen Wahl sich gerne als Bub vom Land dargestellt hat (obwohl er aus Wien-Meidling stammt) und warum die ÖVP sich oft so leicht tut, gerade Wien in einem schlechten Licht darzustellen.

Die SPÖ verliert zwar seit Jahrzehnten beständig sowohl in der Stadt als auch am Land Stimmen, sie ist aber viel städtischer als die andere heimische Altpartei. Auf eine Stimme aus der Stadt kommen bei der SPÖ „nur“ 2,3 vom Land. 

Das Verhältnis von Stimmen zwischen Stadt und Land liegt bei der SPÖ damit aber auch näher am tatsächlichen Verhältnis der Wahlberechtigten, als bei jeder anderen Partei. Zumindest in dieser Hinsicht bilden ihre WählerInnen Österreich am besten ab.

Auch die FPÖ hingegen ist wie die ÖVP eine sehr klare Landpartei. 2019 kamen für jede Stadt-Stimme fast 3,9 Stimmen vom Land. Auch wenn die Partei seit der Zeit von Jörg Haider und auch unter Heinz-Christian Strache immer wieder gute Wahlergebnisse in Städten feiern konnte: Bei Nationalratswahlen hat sie dort im Großen und Ganzen wenig zu gewinnen.

Die Grünen haben das auf den ersten Blick ausgeglichenste Verhältnis zwischen WählerInnen aus der Stadt und aus dem Land. Eine Stimme aus der Stadt wird durch 1,5 Stimmen vom Land ergänzt.

Vergleicht man das mit den Wahlberechtigten, kommen städtische WählerInnen bei den Grünen aber deutlich öfter vor.

Die Neos haben das beste liberale Wahlergebnis eingefahren, das es in Österreich je gab. Das werden sie seit Sonntag nicht müde zu betonen und das stimmt auch in absoluten Zahlen. Sie sind wie die SPÖ und etwas weniger als die Grünen eine eher städtische Partei.

Die Zusammensetzung der einzelnen Wählerschaften sah 2019 also so aus:

Was für die Wahl am Sonntag wie für die meisten Wahlen der Zweiten Republik gilt: Österreich hat ein strukturell rechtes Übergewicht in der Bevölkerung. Parteien rechts der Mitte konnten zusammengerechnet wieder einmal den größeren Teil der Stimmen für sich gewinnen. 

Und vieles davon hat mit dem unterschiedlichen Wahlverhalten und der unterschiedlichen Anzahl an Menschen in großen Städten und in kleineren Gemeinden zu tun. Zwar haben die Menschen in den sechs großen Städten eine minimale Mehrheit für Parteien links der Mitte gewählt (50,4 Prozent), aber die Landbevölkerung hat ganz klar rechts gewählt (67 Prozent).

Parteien links-außen existieren im Prinzip kaum oder nur in den Köpfen von Rechtsextremen, die selbst die Kurz-ÖVP für irgendwie links halten. Die radikale bis extreme Rechte hingegen hat inhaltlich auf andere Parteien eingewirkt. Und auch in einem Wahlkampf, vor dem sie mit der Regierung gescheitert ist, und in dem sie für einen Skandal nach dem anderen gesorgt hat, fanden dort immer noch 16 Prozent der WählerInnen ihr politisches Zuhause.

Danke an Flooh Perlot für die Hilfe bei einigen Daten.

 
 
 

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