Telefonische Krankschreibung abgeschafft: Dank türkis-blauer Unternehmer-Übermacht in ÖGK
Die türkis-blaue Reform der Krankenkassen zeigt in der Pandemie ihre gefährliche Wirkung.
Die Zusammenlegung wurde uns einst als „Sparen im System“ verkauft. Doch böse Zungen behaupten, sie kostete schlussendlich mehr als das vorherige System. Allein die Kosten der Zusammenlegung wurden etwa von der nach Ibiza folgenden ExpertInnen-Regierung mit 300 bis 400 Millionen Euro beziffert. Der Sparzweck steht also im Zweifel.
Radikale Umfärbung für die Unternehmen
Was die Reform aber sicher war, das ist eine politische Umfärbung. Genauer gesagt war es eine Entmachtung von ArbeitnehmerInnen, die zu einer nie dagewesenen Dominanz der Unternehmen führte. Nie zuvor hatten sie in der Versicherung der ArbeitnehmerInnen so viel zu sagen. Und dazu gehört ihnen nun die Übermacht im Dachverband darüber. Schnell gab es Befürchtungen, dass das zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen werden und zu einer ihnen gegenüber misstrauischen Politik führen würde (wir berichteten).
Nun in der Corona-Pandemie bekommen wir sehr klar zu spüren, was diese türkis-blaue Umfärbung für uns bedeutet: eine Gefahr für unsere Gesundheit.
Als ArbeitnehmerIn konnte man sich in den vergangenen Monaten telefonisch krankschreiben lassen. Man sollte einerseits als kranker Mensch zu Hause bleiben (man könnte ja unabsichtlich das Coronavirus verbreiten) und andererseits auch als nicht an COVID-19 erkrankter Mensch das Risiko vermeiden, eine Arztpraxis zu betreten. Die Idee war gut, logisch und nachvollziehbar und sie hat funktioniert. An der Gefahr durch das Coronavirus hat sich einstweilen wenig geändert. Die Pandemie tobt bekanntlich weiter. Derzeit baut sich sogar eine mögliche zweite Welle der Infektionen nach und nach vor uns auf.
Sinnvolle Maßnahme? Gestrichen!
Doch mit der sinnvollen Vorsichtsmaßnahme ist nun überraschend Schluss. Die Verlängerung der telefonischen Krankschreibung für alle wurde in letzter Sekunde verhindert. Laut Kronen Zeitung haben sich die VertreterInnen der Unternehmen quergelegt – weil sie den ArbeitnehmerInnen nicht trauen und Missbrauch befürchten (Patientenanwalt Bachinger sagt der Krone, für so einen Missbrauch gäbe es „keine Anzeichen).
Kranke sollen also künftig wieder in die Ordination. Pandemie hin oder her. Nur wer konkrete COVID-Symptome hat, soll künftig weiterhin anrufen dürfen. Das feiert die ÖGK in einer Aussendung ungeniert.
Allerdings wissen mittlerweile selbst die schlechtest informierten Menschen der Welt zwei Dinge:
1. Ein großer Teil der COVID-Fälle zeigt keine Symptome. Die Infizierten wissen gar nichts von ihrem Pech. Trotzdem ist jeder Kontakt mit ihnen gefährlich. Haben solche Menschen also andere Gründe für Krankschreibungen und gehen deshalb in eine Arztpraxis, gefährden sie dort die Ärzte und Ärztinnnen, Angestellten und alle anderen PatientInnen.
2. Ein weiterer großer Teil hat sehr vielfältige Symptome, die kaum von anderen Krankheiten zu unterscheiden sind. Das neue System schafft in diesem Fall also vor allem Unsicherheit darüber, wer nun anrufen darf und wer zum Arzt muss.
„Bürokratisches Chaos statt Infektionsschutz“
Die Ärztekammer protestiert deshalb gegen diese Maßnahme, die sie als „bürokratisches Chaos statt Infektionsschutz“ bezeichnet: „Die ÖGK hat wohl zu wenig Vertrauen, sowohl in die Ärzteschaft als auch in die Patienten“.
Natürlich trägt die ÖGK nun als ganzes die Verantwortung für die Entscheidung. Der Rest von uns muss hoffen, dass das nicht schwer in die Hose geht. Man sollte aber nicht zu ungenau dabei werden, wem wir das zu verdanken haben. Die Übermacht der UnternehmerInnen in der ÖGK, die ÖVP und FPÖ beschlossen haben, hat hier einfach ihre vorhersehbaren Auswirkungen.
Wer im Herbst ängstlich in einer Ordination sitzt und möglichst wenig zu atmen versucht, sollte sich daran erinnern.