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Die falsche Verwendung von Begriffen der Therapiesprache kann auch negative Konsequenzen für tatsächlich Betroffene haben. Ein bisschen mehr Zurückhaltung oder auch einfach Präzision und Wissen schadet da jedenfalls nicht.
Wir haben die Psychotherapeutin Gisela Hajek vom psychotherapeutischen Bereitschaftsdienst Wien gefragt, was sie wirklich bedeuten. Die folgenden Antworten stammen von ihr.
Ein Trauma ist eine psychische Wunde und entsteht durch massive Überforderung und Belastung. Diese ist entweder menschengemacht (z. B. Krieg, Gewalt) oder nicht menschengemacht (z. B. Naturkatastrophen). Betroffene erleben dabei extreme Ohnmacht und Kontrollverlust. Das führt oft zu verzögert auftretenden Symptomen wie Angstzuständen, Depressionen oder Flashbacks. Das bezeichnet man dann als Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; PTSD im Englischen). Je schneller man ein Trauma behandelt, desto weniger schwer sind die Folgen. Ein Trauma gilt als verarbeitet, wenn Betroffene sowohl die Gefühle als auch die Erinnerung daran aushalten können, ohne daran zu zerbrechen.
Jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens mitunter schwere psychische Belastungen, die aber kein Trauma im klinischen Sinne nach sich ziehen. Dazu zählen zum Beispiel Trennungen, Enttäuschungen, stressige Phasen oder berufliche Misserfolge. Diese Erfahrungen können zwar furchtbar sein, stellen aber selten eine existenzielle Belastung unter komplettem Kontrollverlust dar.
Der Begriff Trigger tritt ebenfalls in der Traumaforschung auf. Er beschreibt einen Reiz, der an ein Trauma-Erlebnis erinnert und dabei eine starke emotionale und körperliche Reaktion auslöst. Das können zum Beispiel bestimmte Sinneseindrücke wie Geräusche oder Gerüche sein. Betroffene fühlen sich durch einen Trigger mit Körper und Geist in das Erlebnis zurückversetzt (Flashback) und reagieren mit Zittern, Schweißausbrüchen und Angst bis hin zu Panik.
Nicht jede unangenehme Erinnerung in Form eines Sinneseindrucks oder einer Situation ist ein Trigger im klinischen Sinn. Wer sehnsüchtig in Tränen ausbricht, wenn der Geruch im Drogeriemarkt an das Parfüm der Ex erinnert, leidet unter Liebeskummer, jedoch nicht unter einem Trauma. Reize, die starke und sehr unangenehme Emotionen auslösen, werden oft vorschnell mit Triggern aus der Traumaforschung gleichgesetzt.
In der Psychiatrie spricht man von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wenn ein Mensch ein übersteigertes Bedürfnis nach Bewunderung, Mangel an Empathie und starken Egozentrismus vorweist. Narzisst:innen haben ein gestörtes Selbstbild, das durch Misserfolg und Kritik schnell zusammenbricht. Menschen sind aber selten von Geburt an narzisstisch – oft wurden sie in ihrer Kindheit und Jugend emotional vernachlässigt und konnten so nie ein gesundes Selbstbild entwickeln.
Nur weil eine Person im Konflikt mitunter egoistisch handelt oder dominant ist, hat sie noch keine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Es ist gefährlich, Menschen vorschnell als Narzisst:innen zu labeln, nur weil sie sich in Konflikten eigensinnig zeigen oder ein fragiles Selbstbild haben.
Gaslighting ist eine gezielte Manipulationstechnik, bei der eine Person die Wahrnehmung und Realität der anderen systematisch in Frage stellt, um sie unsicher zu machen und Kontrolle über sie auszuüben. Der Begriff stammt aus dem Theaterstück “Gas Light” (1938). Darin dimmt ein Ehemann die Lichter im Haus. Seine Frau spürt diese Veränderung. Ihr gegenüber behauptet der Mann aber, dass alles wie immer sei, bis diese an ihrem Verstand zweifelt. Das Phänomen beschreibt eine schwere Form von psychischer Gewalt, die oft von Missbrauchstätern ausgeübt wird. Der Begriff ist allerdings erst in den letzten Jahren in Wissenschaft und Popkultur geläufig geworden.
Eine Meinungsverschiedenheit aufgrund einer falschen Erinnerung im Streit ist kein „Gaslighting“. Der Begriff wird schnell gezückt, wenn jemand schlicht eine andere Wahrnehmung innerhalb eines Konflikts vertritt und die andere Partei davon überzeugen will. Im Grunde genommen ist es nichts Unnatürliches, dass sich beide Parteien im weiten Sinne gegenseitig “gaslighten”. Das muss aber nicht zwingend einen manipulativen und boshaften Hintergrund haben.