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Ungleichheit
Gesundheit

Alleinerziehende Mutter eines Kindes mit Downsyndrom: „Nicht das Kind ist das Problem. Sondern das System.“

Wie schwierig der Kampf um den Unterhalt für Alleinerziehende ist, erzählt Maria* im Gespräch. Foto: Bethany Beck/Unsplash
Maria* ist alleinerziehend und hat eine Tochter mit Trisomie 21 und Rheuma. Maria steht sowohl Kindes- als auch Ehegattenunterhalt zu. Den Kindesunterhalt zahlt der Vater. Den Ehegattenunterhalt nicht. Trotz Mindestpension verzichtet sie lieber auf das Geld, als noch einmal vor Gericht zu ziehen. In unserer Serie „Was ich wirklich denke“ erzählt sie von Kosten, psychischer Belastung und davon, wie das System Alleinerzieherinnen und ihre Kinder allein lässt.

Ich war zweimal verheiratet. Habe zweimal um Unterhaltszahlungen gestritten. Schon das erste Mal war mühsam. Was ich nach meiner zweiten Scheidung als Mutter einer Tochter mit Trisomie 21 erlebt habe, war aber psychisch kaum auszuhalten.

Kindererziehung ist in unserem System nichts wert

Ich habe gearbeitet, früher. Als die Kinder da waren, wollte ich aber für sie da sein. Das spüre ich heute noch. Denn diese Arbeit ist in unserem System nichts wert. Zumindest nicht finanziell.

Vier Kinder habe ich großgezogen. Drei mit meinem ersten Mann. In dieser Beziehung habe ich Gewalt erfahren und mich irgendwann getrennt. Mit meinem zweiten Mann bekam ich dann noch Luisa*. Sie ist ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen, hat Trisomie 21 und Rheuma. Als sie fünf Jahre alt war, haben auch ihr Vater und ich uns getrennt. Damit wurde es schwierig.

„Den Kindesunterhalt bezahlt er. Den Ehegattenunterhalt nicht.“

Er hat Österreich verlassen und im Ausland gearbeitet. Wo er wann war, wussten weder ich noch die Behörden. Luisa und ich haben weiter in dem Haus gelebt, das wir uns als Familie aufgebaut hatten. Nach meinem Antrag auf Kindesunterhalt dauerte es ein Jahr, bis ich zum ersten Mal das Geld erhalten habe. Seither hat er den Kindesunterhalt immer bezahlt. 500 Euro im Monat. Seit 13 Jahren. An die Inflation angepasst wird das nicht.

Im Gegensatz zum Kindesunterhalt hat er den Ehegattenunterhalt nicht bezahlt. Die Kreditraten für das Haus irgendwann auch nicht mehr. Damit gingen die Gerichtstermine los. Wieder.

Alleinerziehende vor Gericht: „Mütter finden immer einen Weg“

Bereits nach meiner ersten Scheidung hatte ich um Unterhalt gestritten. Jetzt war ich wieder im Gerichtssaal. Einerseits wegen der Versteigerung des Hauses. Andererseits, um den Ehegattenunterhalt zu fordern. An einem Tag war ich vormittags im Gericht. Nachmittags war ich im Krankenhaus, wo Luisa mit 40 Grad Fieber lag. Das war alles sehr belastend. Aber Mütter finden immer einen Weg.

Dann wurde das Haus versteigert. Wir haben uns ein neues Leben aufgebaut. So gut es ging mit dem Geld, das wir zur Verfügung hatten. Mein Anwalt hatte sich darum gekümmert, dass ich von der Versteigerung einen Teil der fehlenden Unterhaltszahlungen bekomme. Das hat geholfen. Danach war es mit dem Ehegattenunterhalt aber wieder vorbei. Mit meiner Mindestpension, dem Kindesunterhalt und dem Pflegegeld kommen wir gerade so zurecht. Doch den Ehegattenunterhalt könnte ich natürlich gut brauchen.

„Einen Anwalt kann ich mir nicht leisten.“

Wir müssen zwar nicht überlegen, ob wir essen oder heizen können. Aber Arztbesuche, Impfungen, eine Brille. Wenn die Waschmaschine kaputt ist. Die Musikschule und die Instrumente für Luisa. Das kostet alles Geld.

Einen Anwalt, um noch einmal den Ehegattenunterhalt einzuklagen, kann ich mir nicht leisten. Abgesehen von der psychischen Belastung, die das bedeutet. Das kann und will ich nicht mehr.

Seit Luisa 18 ist, braucht sie eine Erwachsenenvertreterin. Das bin ich. Damit ich das auch bleibe, muss ich alle drei Jahre einen Antrag stellen. Das kostet jedes Mal Geld. Darüber hinaus schickt mir das Gericht jedes Jahr ein Formular, wo ich ausfüllen muss, wie wir leben. Jedes Mal habe ich Angst. Das alles unter dem Deckmäntelchen, es gehe um Luisas Wohlbefinden. Jedes Mal für die Erkenntnis, dass es ihr bei mir gut geht.

„Kaum eine Mutter kann sich das leisten“

Es gibt keine Chance, ohne Anwälte an das Geld zu kommen. Kaum eine Mutter kann sich das leisten. Und die Zeit und die psychischen Ressourcen sind oft auch nicht vorhanden. Gerade Kinder mit besonderen Bedürfnissen sind ein Fulltime-Job. Den ich sehr gerne mache. Wir sind glücklich. Uns geht es gut.

Aber für einen Rechtsstreit in einem System, das die Alleinerziehenden allein lässt, habe ich keine Energie. Nicht mein Kind ist das Problem. Sondern das System. Es bräuchte eine Stelle, die sich darum kümmert. Eine Institution, die dafür sorgt, dass die Männer den Unterhalt zahlen, den sie zahlen müssen. Und den Frauen das Geld ausbezahlt, das ihnen zusteht.

 

*Name von der Redaktion geändert. 

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