Zwischen Champagner und Insolvenz- die Reality-TV-Show “Villa der Versuchung”

Die Kandidatin Bettie Ballhaus sitzt im Interviewraum und hat ein Schild umhängen, auf dem 0 Euro steht. “Ich habe kein Cent in der Tasche, im Grunde genommen könnte ich auch hier nackt sitzen. Das ist mein Kopfgeld”, erklärt sie. Weinend sagt sie: “Hier in der Sendung bin ich vielleicht ein Schnäppchen, ja” und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. “Das ist genau das, was ich nicht will. Ich hab keinen Bock auf Bewertung.”
Bettie verlässt den Interviewraum und geht zum Schlafzimmer, als ihr eine andere Kandidatin hinterherruft: “Weinst du?” Sie antwortet: “Ich geh nach Hause.” Ihr Gegenüber fragt, warum sie denn nicht bis zur Nominierung warte. “Weil ich mich nie wieder demütigen lassen will”, sagt sie.
“Die Villa der Versuchung. Ein Ort voller Luxus und Verlockungen. Und immer geht es um die eine alles entscheidende Frage: Geld oder Moral” – so stellt sich das Joyn-Format selbst vor. Denn was die Stars und Sternchen in der Villa erwartet, ist nicht etwa der pure Luxus, sondern Verzicht. Es gibt keine Betten, keine Duschen – zum Essen gibt es anfangs nur pürierte, kalte Pizza. Alles weitere, was sich die Kandidat:innen gönnen wollen, zieht die Produktion von ihrer Gewinnsumme von 250.000 Euro ab. Während einige Prominente fröhlich Geld verprassen, hoffen Andere darauf, dass von der Gewinnsumme überhaupt noch etwas übrig bleibt – so muss eine Kandidatin 400.000 Euro Schulden ihres verstorbenen Ex-Mannes abbezahlen.
Wucherpreise im Paradies
Als die Prominenten in der Villa in Thailand aufeinander treffen, stoßen sie noch fröhlich mit Champagner an. Plötzlich kommen Mitarbeiter:innen der Produktion und räumen die komplette Bude leer. Alle Matratzen, Sofas, Sessel, Tische verschwinden und auch der Pool ist abgesperrt. Gnädigerweise liegen noch ein paar Teppiche in den Schlafzimmern. Ebenso reißt die Produktion den Promis ihre Champagnergläser aus der Hand – oder bittet um die gebunkerte Schokolade aus dem Ausschnitt einer Kandidatin.
Eine Nacht im Master-Bedroom kostet pro Person 2.000 Euro. Snacks, wie ein Schokoriegel, liegen bei 100 Euro, eine Zigarette bei 50 Euro, Toast bei 400 Euro und Champagner bei satten 1.200 Euro. Das einzige Nahrungsmittel: Pürierte, kalte Pizza – dafür unbegrenzt.
Schon in den ersten Tagen plündern die Kandidat:innen fleißig die “Kostbar” mit allen Getränken und Snacks und auch für weitere Benefits geben sie ordentlich Geld aus. Einige leisten sich für 3.000 Euro die eigenen Koffer mit Klamotten, den Master- oder die Nutzung des Pools für insgesamt 10.000 Euro. Bei Bettie fließen die ersten Tränen: “Wenn du 250 000 zu viel hast, fahr nach Hause und hau sie da auf den Kopf. Und sobald du hier den Mund aufmacht, wirst du hier gleich als Feind erkannt.” Schnell bilden sich zwei Lager: Diejenigen, die sparen wollen und diejenigen, denen Sparen nicht egaler sein könnte.
Altlasten
Auch die Kandidatin Yasmin Herren weint angesichts der Völlerei. Sie muss 400.000 Euro Schulden von ihrem verstorbenen Mann abbezahlen. “Ich hab sie nicht verursacht”, schreit sie einen anderen Promi an. “Mein Mann hat sie verursacht. Willi Herren hat sie verursacht – nicht ich. Und ich stehe dafür ein und arbeite jeden fucking Tag. Da könnte ich einfach kotzen.” Yasmin rennt weinend weg. “Es ist so zum Kotzen. Ich arbeite sieben Tage die Woche und denen ist das so scheiß egal.”
Apropos Altlasten: Ebenfalls Promi in der Villa ist niemand geringerer als Jimi Blue Ochsenknecht. Ehemaliger “Wilde Kerle”-Kinderstar, der zuletzt auch in Österreich Schlagzeilen machte, weil er jahrelang eine Hotelrechnung in Höhe von knapp 14.000 Euro nicht bezahlte. Ochsenknecht war für die Justiz nicht erreichbar, also erließ sie sogar einen Europäischen Haftbefehl. Nach kurzer Zeit wurde er wieder entlassen und sämtliche Strafen abbezahlt. Die Aufnahme des Formats fand zwar schon vorher statt, dennoch scheint Ochsenknecht auch aus finanziellen Gründen am Format teilgenommen zu haben.
Spielen um den eigenen Wert
In Kopf-Geld-Spielen kämpfen die Kandidat:innen um ihr eigenes Kopfgeld. Je besser die Person spielt, desto höher ist ihr Kopfgeld. Diese Summe muss letzten Endes für einen Promi gezahlt werden, um diesen bei der Entscheidungs-Zeremonie raus wählen zu können. Die meist gewählte Person die Villa verlassen.
Bei den Spielen geht es ordentlich zur Sache: Im Sträflings-Outfit müssen sie Münzen durch einen Hindernisparcour transportieren, intime Fragen zu der finanziellen Situation ihrer Mitspieler:innen beantworten oder müssen im Schweinchen-Outfit mit einem Korb auf ihrem Kopf Bälle fangen.
Die Kopfgelder kosten von 0 bis 30.000 Euro und manchmal wird auch das Schild unverkäuflich vergeben. Mit einem Kopfgeld von 0 Euro bist du erst Recht zum Abschuss freigegeben. Ein Motto, das sich durch die gesamte Staffel zieht: Die Promis knüpfen den Wert des Kopfgelds auch an den Wert der Person selbst. Die Sprache des Formats übernehmen auch die Teilnehmer:innen und bezeichnen andere als wertlos, billig oder sich selbst als teuer.
Das Ende vom Lied
Yasmin Herren gewinnt die Show – bei ihren Schulden von 400.000 wahrscheinlich der einzige moralisch vertretbare Ausgang. Blöd nur, dass von den 250.000 Euro Preisgeld gerade nur noch 9.199 Euro übrig sind. Show-Kollege Ronald Schill vermittelte Herren jedoch an einen Anwalt für Insolvenzrecht. Der legte mit Erfolg Widerspruch ein und Herren ist von den Schulden weitgehend befreit. Connections muss man eben haben. Ein schönes Ende – da vergisst man fast die menschlichen Abgründe während der Show.