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Kapitalismus
Demokratie
Klimakrise

Wie sich das kleine Bergdorf Vorderstoder gegen ein neues Riesen-Skigebiet wehrt

Das kleine Bergdorf Vorderstoder in Oberösterreich soll an den Weltcup-Skiort Hinterstoder angebunden werden. Die BürgerInnen im Ort wehren sich gegen das Projekt. Sie sehen ihre hohe Lebensqualität in Gefahr.

Christine Zauner ist ein Naturmensch, trägt ihre weißen Haare kurz und sportliche Kleidung. Sie steht auf einer Anhöhe und blickt auf Vorderstoder. Wälder, Wiesen, Felder, sogar Schnee liegt hier noch – das Dorf ist ein Traum von Natur. Nicht mehr lange, fürchtet Zauner. Wenn die Pläne ihrer Gemeinde aufgehen, gibt es in Vorderstoder statt Natur bald Parkplätze und Skipisten.

 
Eine Frau mit Bauplänen in der Hand vor Natur

Christina Zauner will verhindern, dass aus Vorderstoder ein Skigebiet wird. Foto: Bettina Slamanig

 

„Das Projekt ist riesig und völlig sinnlos“, sagt Zauner und zeigt auf die Baupläne, die in ein paar Jahren verwirklicht sein sollen. Aber die pensionierte Kindergartenpädagogin hält nicht viel davon, sich nur zu beschweren. Kurzerhand gründete sie mit anderen Mitstreitern die Bürgerinitiative „Lebenswertes Vorderstoder“. Eine von der Bürgerinitiative gestartete Petition konnte bereits über 20.000 Unterschriften sammeln.

Das ist erstaunlich, leben in Vorderstoder im oberösterreichischen Stodertal doch nur 818 Menschen. Bekannt ist es als Urlaubsziel. Der spitze Kirchturm und das dahinter liegende Panorama des Toten Gebirges geben ein beliebtes Postkartenmotiv ab. Vorderstoder ist ganz und gar, was man ein „idyllisches Bergdorf“ nennen würde.

Piste statt Wald

Und genau diese Idylle ist Gefahr. Denn in Vorderstoder soll ein neues Skigebiet gebaut werden, das an den Weltcup-Skiort Hinterstoder angebunden werden soll. Dafür will man drei neue Seilbahnen, einen Hilfslift, zwei Speicherteiche und Skipisten im Ausmaß von 50,7 Hektar bauen. Für die neu angelegten Pisten müsste eine Fläche Wald von insgesamt 42,6 Hektar – das sind fast 60 Fußballfelder – gerodet werden.

 
Berge vor Wiesen und Wäldern

Am Hutberg sollen die Skipisten und -lifte entstehen.

Foto: Bettina Slamanig

Die geplante Skischaukel würde die umliegende Landschaft und den Charakter des Ortes grundlegend verändern. “Ich habe viele Briefe bekommen von Menschen, die immer hier auf Urlaub waren und meinten, dass sie nicht mehr kommen, wenn das tatsächlich gebaut wird”, sagt Zauner.

Skigebiete schaden Umwelt

Mit 45 Millionen Euro ist das Projekt teuer. Gerade in Zeiten der voranschreitenden Klimakrise ist es fraglich, wie viel Schaden so ein Ausbau anrichten wird und wie lange Skigäste auf den neuen Pisten überhaupt fahren können. Die geplanten Skipisten würden auf einer Höhe von 750 bis 1200 Metern liegen. Mit den steigenden Temperaturen wird es im Winter in tieferen Lagen immer häufiger regnen statt schneien. Eine Studie zeigt, dass es in dieser Höhe schwierig wird, eine Piste überhaupt zu erhalten.

In der Bevölkerung regt sich nun immer mehr Widerstand gegen das geplante Projekt. Viele BewohnerInnen von Vorderstoder befürchten, durch den Skigebietsbau Lebensqualität einzubüßen. Auch die Natur sei in Gefahr.

Hunderte Parkplätze werden gebaut

„Die geplante Seilbahn soll 2.000 Menschen pro Stunde transportieren“, erzählt Zauner und zeigt auf die grüne Landschaft. Hier sollen Parkplätze für 900 Autos und 11 Busse entstehen, damit die zukünftigen Skigäste bequem neben der Talstation parken können.

Die Probleme, die daraus mit dem Verkehr entstehen, kennt man aus dem benachbarten Hinterstoder: Durch die vielen Tagesgäste, die mit dem Auto anreisen, kommt es dort immer wieder zu Staus. Sind die neuen Parkplätze einmal gebaut, will man bei hohem Verkehrsaufkommen in Hinterstoder die Autos über Vorderstoder umleiten.

 
Christina Zauner auf einer riesigen Wiese am Waldrand, im Hintergrund Berge

Hier sollen Parkplätze für 900 Autos entstehen – Foto: Bettina Slamanig

„Der ganze Verkehr geht dann mitten durch unser Ortszentrum“, sagt Zauner. Um zu zeigen, was das bedeutet, hat man im Herbst letzten Jahres eine Auto-Demo organisiert. Rund 200 Autos fuhren im Kreis und simulierten, wie es aussehen könnte, wenn 700 Autos durch den Ort fahren. „Innerhalb kürzester Zeit hat sich im Ort alles gestaut“, sagt Zauner.

„Der ganze Ort muss dafür büßen“

Biobauer Reinhard Perner fürchtet um seine Wasserquelle. Denn für die geplante Piste muss direkt über 10 Quellen, aus denen die umliegenden landwirtschaftlichen Betriebe ihr Wasser beziehen, ein großer Fels gesprengt werden.

 
Ein Mann in Arbeitskleidung neben einem kleinen Gehege mit vier Ziegen, im Hintergrund Berge und Wald

Biobauer Reinhard Perner vor seinem Hof – Foto: Bettina Slamanig

„Wenn dort oben gesprengt wird, weiß ich nicht was passiert“, sagt Perner. Perner. Er ist ein robuster Typ, der ein Sporttrikot und eine blaue Arbeitshose trägt. Auf seinem Hof leben rund 100 Ziegen. Einen Teil der Ziegenmilch verkauft er an Direktabnehmer, den anderen Teil liefert er der Molkerei. Aus der Milch produziert er auch eigenen Käse, Topfen und Molke.

Eine verunreinigte Quelle wäre für ihn existenzbedrohend. Deswegen hat sich Perner letztes Jahr der Bürgerinitiative angeschlossen. Er hält überhaupt nichts von dem Ski-Projekt: „Es gibt nur ein paar Nutznießer bei dem Projekt und der ganze Ort muss dafür büßen.“

Wer profitiert?

Die NutznießerInnen, das sind die Betreiber der Hinterstoder-Wurzeralm Bergbahnen AG (HiWu). Deren Hauptaktionär ist der Unternehmer und Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) Peter Schröcksnadel. Ihm gehören 7 Skigebiete, 72 Skilifte und 313 Pistenkilometer in Österreich.

Profitieren werden wohl auch die BetreiberInnen der wenigen Wirtshäuser entlang der Piste und jene des einzigen Vier-Sterne-Hotels im Ort.

Der Bürgermeister von Vorderstoder, Gerhard Lindbichler (ÖVP), steht hinter dem Projekt. Die Kritik daran tut er ab. „Es findet sich immer ein Grund auf die Barrikaden zu steigen“, sagt er. Für ihn sei es eine Voraussetzung für den Bau, dass die Wasserversorgung gesichert werde. Er rechne auch nicht damit, dass sich die Situation auf den Straßen in dem Ausmaß verschärfen würde, wie die Bürgerinitiative rund um Christine Zauner zu bedenken gibt.

Ein jahrelanger Kampf

Lindbichler hält die Anbindung ans Skigebiet für eine gute Maßnahme gegen Landflucht und für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung des Orts. Gestützt wird er von der FPÖ. Gemeinsam haben Volkspartei und die Freiheitlichen die Mehrheit im Gemeinderat. 64 Prozent wählten die beiden Parteien bei der letzten Gemeinderatswahl. Die nächste wird noch 2021 stattfinden. Die restlichen Mandate verteilen sich auf die Projektgegner SPÖ und Bürgerliste. Auf der Landesebene sprechen sich SPÖ, Grüne und Neos gegen die Pläne aus.

Starten soll der Bau frühestens 2023. Christine Zauner und ihre Bürgerinitiative haben also noch ein paar Jahre Zeit, um den Skigebietsausbau zu verhindern. Sie denkt jedenfalls gar nicht daran, aufzugeben: „Es ist uns klar, dass wir uns mit einer sehr starken Lobby anlegen, aber wir werden nicht aufgeben und uns auf keinen Fall einschüchtern lassen.“

 

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