print print
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full
Demokratie

Walter P.: Große Medienbühne für Rechtsextremen, um trans Rechte lächerlich zu machen

Walter P.: Große Medienbühne für Rechtsextremen, um trans Rechte lächerlich zu machen
Österreichische Medien berichten über einen Mann, der seinen Geschlechtseintrag ändern ließ, um seine Haft in einem Frauengefängnis abzusitzen. Der Fall ist ein gefundenes Fressen für transfeindliche Berichterstattung. Aber ist es wirklich so einfach, den eigenen Geschlechtseintrag zu ändern? Nein, sagen Fachleute. Dass es sich bei Walter um einen Rechtsextremen handelt, erwähnt so gut wie kein Medium.

„Nach Geschlechtswechsel darf SIE früher in Pension – und in Frauenzelle?”, titelt die Kronen Zeitung am Sonntag. Weder das eine (der frühere Pensionsantritt) noch das andere (die Haft im Frauengefängnis) steht fest, aber das ist dem Boulevardblatt sichtlich egal. 

Es geht um den ehemaligen Rotlicht-Boss Walter (heute: Waltraud), der laut Krone gefälschte Silbermünzen verkauft hatte und deswegen zu drei Monaten Haft verurteilt wurde. „Ich dachte mir: Dann gehe ich eben ins Frauengefängnis”, zitiert ihn die Krone. „Ich freue mich besonders aufs gemeinsame Duschen und Spazierengehen mit Frauen. Ich mache mir dort mit den Damen eine gute Zeit.” 

Walter provoziert weiter und kündigt an als Gewichtheberin bei Wettbewerben teilzunehmen: “Ich habe mir die Voraussetzungen angesehen. Wenn ich wieder anfange zu trainieren, bekomme ich eine Top-Platzierung sicher hin.”

Mit ihrer Berichterstattung verbreitet die Krone, dass es ganz einfach sei, rechtskräftig sein Geschlecht zu ändern – und dass Männer diese Möglichkeit in Massen zu ihrem Vorteil ausnutzen könnten. Die befeuerte Botschaft dahinter: Transfrauen (und nicht etwa Cis-Männer) seien eine Bedrohung für Cis-Frauen. 

Es ist nicht nur die Boulevardzeitung. Andere Medien greifen die Geschichte gierig auf. Von “Heute” über “Kurier” bis zur “Presse” folgen Geschichten und Nachzieher-Beiträge dazu. Auch die FPÖ kommt mit einer empörten Aussendung dabei vor. 

Große Medien-Bühne für extrem rechten Akteur

Eine zweite Botschaft dürfte Walter P. ganz recht sein: Es macht den Staat lächerlich. Kein Wunder: Denn laut einer ausführlichen Oera-Recherche aus dem Jahr 2023 ist der Wiener  seit Jahrzehnten äußerst umtriebig im rechtsextremen Umfeld. Wenn man seinen Namen in eine Suchmaschine eingibt, werden dieser Artikel und auch andere Hinweise auf seine Einstellungen sehr schnell offensichtlich. 

Bemerkenswert: Die Krone deutet an, dass er sich selbst als “eine Art Staatsverweigerer” sehe. Wem man hier eine Bühne für seine offensichtliche Inszenierung gibt, machen diese Medien darüber hinaus nicht deutlich. Nur in einem ausführlichen Puls 24-Gespräch zu seiner “Causa” wird darüber gesprochen, dass er wegen NS-Wiederbetätigung und Körperverletzung verurteilt worden sei.

Das Märchen der einfachen Geschlechtsänderung 

Zurück zur aktuellen Causa, die auch ohne diesen Hintergrund kritikwürdig genug wäre. Das Magistrat lehnte den Wechsel des Geschlechtseintrags zuerst ab, weil sie Walters äußerliche Erscheinung nicht als weiblich lasen. Letzten Endes konnte der Wiener dann doch den Geschlechtseintrag ändern, nachdem er binnen einer Woche ein psychiatrisches Gutachten nachreichte.

Will eine Person ihren offiziellen Geschlechtseintrag ändern, muss sie beim Standesamt einen Antrag stellen und nachweisen, dass sie bereits stabil in der beantragten Geschlechtsidentität lebt. Beweismittel dafür können zum Beispiel ein psychiatrisches Gutachten, Fotos oder Aussagen von Zeug:innen sein. Das Standesamt könne dann frei entscheiden, ob es den Antrag genehmigt oder ablehnt, sagt der Rechtsanwalt Helmut Graupner, der sich viel mit LGBTQ+-Rechten beschäftigt. 

In der Kronen Zeitung klingt es, als könne jede:r ganz einfach an ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten kommen. In der Praxis erlebe sie auch das Gegenteil, sagt die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Sandra Konstatzky:  „Wir haben durchaus auch Fälle, bei denen sich trans Personen bei dem psychiatrischen Gutachten belästigt fühlen oder ihnen wegen ihres Aussehens nicht geglaubt wird, dass sie eine Frau sind.” 

Fälschung eines Beweismittels

“Walter P. hat sich den Geschlechtseintrag durch eine strafbare Handlung erschlichen”, stellt Rechtsanwalt und Strafverteidiger Helmut Graupner klar. “Laut Medienberichten sagt er ja selbst, dass er damit nur bezwecken möchte, ins Frauengefängnis zu kommen”, erklärt der Jurist. 

Die Fälschung eines Beweismittels sei ein strafbares Delikt und das Standesamt müsse sie dementsprechend rückgängig machen. Ebenso soll die Staatsanwaltschaft laut Graupner ein Strafverfahren einleiten, bei dem nicht nur Walter P. wegen Fälschung eines Beweismittels auf der Anklagebank sitzen soll, sondern auch der:die ausstellende Psychiater:in. 

Der Fall geht weiter

Walter P. soll laut Krone Zeitung nach dem Geschlechtswechsel ein Schreiben bekommen haben, dass er mit 61 Jahren statt mit 65 Jahren in Pension gehen darf. Denn das derzeitige Pensionsantrittsalter der Frauen liegt aktuell bei 61 Jahren, auch wenn es bis 2033 auf das Pensionsantrittsalter der Männer mit 65 Jahren steigt. 

In einem ähnlichen Fall erhob die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Einspruch. Die PVA argumentierte damals, dass die Person keine Psychotherapie, Hormontherapie oder geschlechtsangleichende Operationen in Anspruch genommen hatte oder äußerlich ein “weibliches” Erscheinungsbild an den Tag legte. Deswegen lag der Verdacht nahe, dass die Person tatsächlich einfach nur früher in die Pension gehen wollte.

In dem aktuellen Fall laufen laut der Heute nun Ermittlungen des Innenministeriums und des Bundeskriminalamts wegen mutmaßlichen Sozialbetrug gegen Walter.

Trügerische Sicherheit

“Diese Art der Berichterstattung stellt es so dar, als ob man nichts in so einem Fall tun könne und die Gesetze einfach unklar wären. So ist es aber nicht”, erklärt Graupner. “Man braucht die Gesetze nicht ändern – die sind in Ordnung und einen Schutz gegen Missbrauch gibt es auch. Der Verfassungsgerichtshof habe längst festgelegt, dass das rechtliche Geschlecht durch die stabil gelebte Geschlechtsidentität festgestellt werden kann. 

Ein Hohn für die Betroffenen

Für den Boulevard ist die Geschichte laut dem Rechtsanwalt ein gefundenes Fressen. “Es entsteht der Eindruck, dass eine Geschlechtsänderung aus Jux und Tollerei passiert. Für transidente Personen ist der Prozess zu ihrer wahren Geschlechtsidentität jedoch mit großen Mühen und Schmerzen verbunden.” Wenn eine Person wie Walter P. das System so missbraucht, sollte der Rechtsstaat seine Gesetze konsequent anwenden, ist sich Graupner sicher. 

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Kommentare 0 Kommentare
    Kommentar hinzufügen

    Neuen Kommentar hinzufügen

    Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag!