Warum dein Paketbote oft nicht klingelt, wenn du zuhause bist
Der Onlinehandel boomt. Obwohl schon seit mehreren Jahren im Steigen begriffen, hat er seit Beginn der Pandemie einen besonderen Booster erfahren.
Allein im ersten Jahr der Pandemie stieg der Umsatz im Onlinehandel um 17 Prozent, Anfang 2021 lag das Wachstum sogar bei bereits 24 Prozent. 2021 wurden über 10 Milliarden Euro im Onlinehandel umgesetzt – doppelt so viel wie noch 2010.
An Privathaushalte ginge sage und schreibe 139 Millionen Pakete. Doch der Haken: Jedes Dritte davon wird retourniert. Das heißt, Produkte in über 46 Millionen Paketen in Österreich waren für nix und wieder nix zweimal am Weg, und ein guter Teil davon – etwa vier bis zehn Prozent der Waren – wird bei Rücksendung zerstört.
Zalando macht Rücksendungen zu preloved
Übrigens, kleiner Exkurs: Zalando hat das wohl so gehandhabt, dass zurückgeschickte Ware nicht mehr in den Wiederverkauf kam – ob sie an Unterhändler verkauft wurde oder zerstört, man weiß es nicht genau. Doch dann hatten sie die bahnbrechende Idee, zurückgesendete Ware wieder in den Erstverkauf zu geben. Logistisch eine Umstellung, und an sich ja nicht blöd. Aber: Das Ganze wurde als “Preloved” vermarktet. Tschulllige, aber eine Hose, die ich bestell und die ich nicht zubekomm, wurde nicht geliebt. Holzauge, sei wachsam, wie der Marketinghase läuft!.
Aber gut, Millionen Pakete werden versendet, Millionen zurückgeschickt. Was vielleicht weniger schlimm wäre, wäre die Paketbranche nicht eine sehr unsoziale und umweltverschmutzende. Nicht nur sehr, sondern sehr sehr. An den Anblick von DPD, Amazon, GLS oder Post-Lieferwägen im Stadt- oder Ortsbild ist man inzwischen gewohnt. Viele dieser Fahrzeuge fahren mit Diesel und pfeifen entsprechend viele Abgase raus, vor allem bei dem ständigen Stop and Go. Erst langsam stellen Anbieter auf Elektrofahrzeuge um.
Geschäftsmodell setzt Paketboten unter Druck
Und sozial? Wenn du schon einmal online bestellt hast, dann hast du dich doch sicher schon einmal über die Lieferung aufgeregt, oder? Niemand läutet an, obwohl man zuhause ist. Man findet nur den Zettel, dass man das Paket aus einem Handyshop drei Bezirke weiter abholen kann – oder, wie mir kürzlich passiert, man findet gar nix und kann erstmal in den Paketshops der Umgebung herumtelefonieren, um dann festzustellen, dass das Paket bereits wieder retourniert wurde. Grmpf.
Doch es bringt nichts, sich über die Paketboten selbst aufzuregen. Wie so oft: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Diese Paketboten sind nämlich in Wahrheit arme Schweine: Die großen Paketunternehmen wie DPD oder GLS arbeiten nur mit Subunternehmern, die beispielsweise die Fahrzeugflotte stellen – und bei denen wiederum sind die Fahrer beschäftigt.
Paketboten oft nicht angestellt
Das sind sie nicht immer als echte Arbeitnehmer, sondern oft als freie Dienstnehmer. Das bedeutet: Kein bezahlter Urlaub, kein Kollektivvertrag, kein bezahlter Krankenstand, und man wird stundenweise bezahlt – beziehungsweise paketweise. Youtube ist voll von Dokumentationen, die Paketboten begleiteten. Diese müssen durchschnittlich alle sieben Minuten ein Paket abliefern und stehen teilweise so unter Stress, dass sie in ihrem Auto in leere Flaschen pinkeln, statt irgendwo zeitaufwändig ein Klo zu finden.
Amazon in Österreich kam vor zwei Jahren in den Genuss einer Razzia. Das Ergebnis: 724 Verstöße gegen das Arbeitsgesetz, die meisten davon gegen das Sozialversicherungsgesetz. Das heißt auf Deutsch: Für die FahrerInnen wurden teilweise nicht mal die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, sie arbeiteten also schwarz. Amazon selbst war fein raus: Es arbeitet genau wie DPD und Co mit Subunternehmern. Formal ist das legal. Aber fair ist es nicht: Die Fahrer wissen oft nicht mal genau, wer jetzt der Chef ist und wo sie ihr Geld herbekommen. Und die Konzerne, die aus diesen Geschäftspraktiken die wahren Vorteile ziehen, müssen keine Verantwortung übernehmen.
Mich persönlich wundert es inzwischen also nicht mehr, wenn ich – obwohl ich zuhause bin – nur den Zettel an der Tür oder im Postkastl vorfinde. Schuld daran sind nicht die Fahrer, sondern die Geschäftsmodelle und der Druck von oben.
Mehr zu den schlechten Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten erfährst du übrigens auch hier, bei Barbara Blaha.
Es geht auch anders
All das zeigt, sowohl ökologisch als auch sozial MUSS es einfach anders werden.Zu glauben, dass alles gut wird, wenn wir nur alle zusammen weniger bestellen, ist allein schon aufgrund des “alle zusammen” naiv. Man kann vielleicht erkennen, dass man für manches doch wieder die zwei U-Bahn-Stationen zum Laden selbst fahren könnte. Aber der Onlinehandel ist wohl gekommen, um zu bleiben.
Immerhin gibt es inzwischen schon Initiativen, die die Dinge zu ändern versuchen. Ohne direkte Werbung machen zu wollen: es gibt zum Beispiel ein Wiener Unternehmen, über das man in jedem Shop der Welt bestellen kann. Man gibt dort dann aber nicht die eigene, sondern deren Adresse an. Die sammeln alles in ihrem Lagerzentrum und stellen die letzte Meile zu. Mit angestellten Fahrerinnen und Fahrern und mit E-Autos. Das ist noch keine perfekte Lösung, aber zeigt zumindest: Es geht auch anders.