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Demokratie

Warum die neue Forschungsstelle "Politischer Islam" so nicht sinnvoll ist

Grafik NatsAnalyse - Analysen von Ideologie, Sprache und Frames von Natascha Strobl. NatsAnalyse Cover zeigt ein gezeichnetes Porträt von Natascha Strobl mit zwei Sprechblasen.
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#NatsAnalyse: Sechs Punkte, die gegen die Art der Umsetzung sprechen.

Im Regierungsprogramm der türkis-grünen Regierung widmet man sich an vielen Stellen dem Kampf gegen „Extremismus“. Das Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand soll gestärkt, Antisemitismus bekämpft und eine Forschungsstelle „religiöser Extremismus“ eingerichtet werden.

Das klingt dann so:

Aus dieser Forschungsstelle wurde nun eine alleinige Forschungsstelle „politischer Islam“. Mit einem Förder-Startbudget von Seiten der Republik, das sogar etwas mehr bzw. annähernd gleich viel ist wie das des DÖW (500.000€ – das DÖW bekam 2018 eine Förderung von 405.000€). 

Was passiert hier eigentlich?

Zum Ersten hat die ÖVP die Grünen ausgetrickst. In den Koalitionsverhandlungen gab es ein hartes Ringen um dieses Thema, das kann man anhand des Regierungsübereinkommens und der verwendeten Bezeichnungen gut ablesen. Die Grünen dachten oder hofften wohl zumindest, dass sich die ÖVP an Wortlaute von getroffenen Übereinkünften halten würde. Das tut sie nicht. 

Zum Zweiten ist es natürlich sinnvoll, interdisziplinär und besonnen jihadistische Netzwerke und Radikalisierungswege zu erforschen und für die Öffentlichkeit darzulegen. Am besten ohne elitäre Gewichtung von ExpertInnen- und Erfahrungswissen, also unter Einbeziehung einer betroffenen Zivilgesellschaft auf Augenhöhe. Etwas, was das DÖW ganz ohne großes Trara immer schon so macht. So schaut das Konzept der Stelle „Politischer Islam“ allerdings nicht aus.

Zum Dritten muss auch die Frage nach der Einordnung gestellt werden. Was ist denn mit „politischer Islam“ gemeint? Die sehr vagen Einordnungen schweben zwischen „nicht der ganze Islam“ (wer ist denn dieser „Islam“ überhaupt?) und „politisch-religiös“. Letzteres ist eine Einordnung, die fast exklusiv im Zusammenhang mit jihadistischen Netzwerken vorgenommen wird. Genauso gut könnte man Donald Trump und sein Umfeld oder verschiedene europäische Regierungen als „politisch-religiös“bezeichnen. Zumal in dieser vagen aber exklusiven Einordnung wertvolle Vergleiche verloren gehen. „Politisch“ ist zu wenig. Diese Netzwerke sind „nationalistisch“ und „patriarchal„. Sie sind Todeskulte, die von einer soldatischen Form der Männlichkeit geprägt sind. Psychologisch und materiell geben sie vor allem jungen Männern einen unverrückbaren Platz in einer fragmentierten und komplexen Welt. Gerade in der materiellen Verfasstheit dieser Netzwerke lohnt der Vergleich mit ähnlich gelagerten politischen Phänomenen. Das wird durch diese nebulöse Zuspitzung auf „politischer Islam“ aber zumindest erschwert bzw. es ist nicht erwünscht.

Zum Vierten suggeriert die Zuspitzung, dass es keinerlei anderen „politisch-religiösen“ Extremismus gäbe. Jedes Jahr haben wir mehr radikalisierte junge religiöse Menschen auf der Straße, die sich gegen grundlegende Frauenrechte stellen. Unverhohlen propagieren sie ihr archaisches Weltbild. Dabei werden sie von hohen religiösen und politischen Granden, ja sogar Nationalratsabgeordneten, direkt unterstützt. Das Gute für diese „religiös-politischen“ ExtremistInnen: Ihr UnterstützerInnen sitzen für die Kanzlerpartei in hohen politischen Funktionen. Wären sie Muslime und hätten exakt dieselben Forderungen, dann würden sie wohl nicht so unbehelligt ihr mit der modernen Welt inkompatibles Weltbild verbreiten dürfen. Hier zeigt sich die Willkür der Bezeichnungen und der Fokuslegung.

Zum Fünften werden Machtverhältnisse geleugnet. Die Zuspitzung auf „politischer Islam“ und die Gleichsetzung mit dem DÖW suggeriert, dass dieser „politische Islam“ die größte Bedrohung für Demokratie und Freiheit ist. Das verdeckt „politisch-religiöse“ und Männer-Quoten-Netzwerke, die seit Jahrzehnten und Jahrhunderten bis weit in den Staatsapparat reichen und in diesen Machtkonstellationen Fortschritt und Teilhabe verhindern. Es wäre eine lohnende Aufgabe im Sinne einer Redemokratisierung, dass sich der Staat aus dem reaktionären Griff dieser Bünde befreit. Sie haben mehr Macht, als je irgendein religiös-politischer Islam in Österreich haben könnte. 

Zum Sechsten spielt dieses Manöver einfach weiter auf der „Islam, Islam, Islam“-Klaviatur. Immer, wenn es unangenehm wird, wenn man eine Ablenkung braucht oder eine Wahl ansteht, macht man irgendetwas mit „Islam“ und markiert den ganz harten Hund. Alle, die etwas dagegen sagen oder anders oder überlegter machen wollen, sind dann natürlich die VerharmloserInnen.

Dieses fade Spiel hat die FPÖ erfunden und die ÖVP perfektioniert.

Lösungen und Erkenntnisse bringt es nicht. 

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