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Gesundheit
Ungleichheit

Warum mir Weiße Therapeut:innen nicht helfen können

Miriam ist Schwarz und fühlte sich von ihren weißen Therapeut:innen oft missverstanden.
Miriam* leidet unter einer Angststörung und Depressionen. Mehrmals musste sie ihre Psychotherapie abbrechen und wechseln, denn: Miriam ist Schwarz. Und von Weißen Therapeut:innen fühlt sie sich oft nicht ernst genommen. Deren Vorurteile legten ihr noch mehr Steine in den Weg.
Achtung: Dieser Artikel enthält rassistische Äußerungen und thematisiert psychische Erkrankungen und Mobbing. Bitte lies ihn nicht, wenn dich das triggert.

Ich bin in Niederösterreich zur Schule gegangen und war stets die einzige Schwarze Person in meiner Klasse. Schon in der Unterstufe diskriminierten mich meine Mitschüler:innen rassistisch, sagten das N-Wort oder kommentierten mein Aussehen. „Geh zurück, wo du herkommst“, hieß es auf dem Pausenhof.

In der Oberstufe wurde das immer schlimmer. Sie sperrten mich einmal in einen Schrank, es kam auch zu körperlicher Gewalt. Wenn ich in der Chatgruppe unserer Schulklasse um Hilfe bei den Hausübungen bat, schickte sofort jemand ein rassistisches Emoji. Ich fing an, die Gruppe zu meiden. Als meine damals einzige Freundin die Schule für ein Auslandssemester verließ, wollte ich dort gar nicht hingehen. Meine Mutter erkannte, dass mein Zustand immer schlechter wurde. Sie besorgte mir Hilfe.

“Du hast doch so tolle Locken“

Die Ärzt:innen stellten Depressionen und eine Angststörung fest. Vor meinem 16. Geburtstag begann ich eine Therapie, bei einer Weißen Frau. Aufgrund des Mobbings plagten mich Selbstwertprobleme. Ich hielt meinen Körper für unattraktiv und falsch, weil er nicht aussah, wie der einer autochthonen Europäerin. Ich erkannte damals noch nicht, dass es schlichtweg Rassismus war, mit dem mich meine Klassenkamerad:innen quälten. Ich dachte wirklich, ich hätte diese ganzen Beleidigungen verdient.

Meine Therapeutin verstand aber nicht, dass mein schlechtes Verhältnis zu meinem Körper daher rührte: Sie versuchte mich zu beschwichtigen, sagte, dass sie “gern so braun wäre” wie ich, dass ich doch „so tolle Locken“ hätte. Ich fühlte mich mit meinem Problem nie ernst genommen, weil sie das mit solchen Sprüchen verharmloste. Auch wenn sie es “ja nur gut” meinte: Nach einem Jahr brach ich die Therapie ab, weil sie mir nicht weiterhalf.

Es dauerte bis zu meinem Maturajahr, bis ich wieder Therapie aufsuchte. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie kam ich erneut zu einer weißen Therapeutin. Mit 18 verstand ich langsam, was Rassismus bedeutet und wie ich darunter leide. Ich wollte das in der Therapie ansprechen. Doch immer, wenn ich von einem rassistischen Vorfall redete, hieß es nur: „Bist du dir sicher, dass es Rassismus, und nicht einfach dein schlechtes Selbstbild ist?“ Die neue Therapeutin redete mir ein, dass das Problem bei mir liegt und nicht bei meinem rassistischen Umfeld.

Weiße Menschen denken, Rassismus passiere nur bei der FPÖ

Weiße Menschen erkennen Rassismus oft nur in seinen Extremen. Sie denken, er existiere nur bei der FPÖ, Neonazis oder den Identitären. Dabei werden People of Colour täglich mit Vorurteilen konfrontiert. Das kann ein schiefer Blick in der U-Bahn sein, aber auch der Kommentar eines guten Freundes. Diese Dauerbelastung löst psychische Erkrankungen aus – so war es auch bei mir.  Auch jene Menschen, die diese Erkrankungen heilen sollen, tragen Vorurteile in sich. Das fällt auf, wenn sie schon zu Beginn der Therapie fragen: „Hast du einen strengen Vater oder Bruder?“ – weil ich angebe, muslimisch zu leben.

Auch eine weitere Therapie zu Beginn meines Studiums, bei einem Weißen cis Mann, half mir nicht weiter. Ich hatte das Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Anstatt meine Probleme zu besprechen, versuchte er mich mit schlauen Zitaten von alten Weißen Philosophen wie Schopenhauer zu inspirieren. Ich hatte endgültig genug. Jahrelang verzichtete ich fortan auf Therapie, obwohl ich sie gebraucht hätte.

“Ich wäre heute nicht mehr in Therapie, hätte ich von Anfang an eine Schwarze Therapeutin gehabt.”

Erst im vergangenen Sommer, als es mir wieder sehr schlecht ging, änderte ich das. Ich fand geeignete Hilfe bei einer Organisation in Wien, die Schwarze Therapeut:innen vermittelt. Ich kam zu einer Frau, die endlich verstand und mir bestätigte, dass das, was mich täglich verletzt, Rassismus ist.

Ich fühle mich jetzt sehr viel wohler. Ich muss nicht ständig Angst haben, dass mir mein Leid abgesprochen oder verharmlost wird. Ich muss nicht diskutieren, ob mir Rassismus widerfährt – sie erkennt oft schon vor mir, dass er mir widerfährt. Das tut mir gut. Natürlich bin ich deswegen noch lange nicht geheilt. Es gibt nach wie vor Höhen und Tiefen. Trotzdem glaube ich, dass ich heute nicht mehr in Therapie wäre, wenn ich von Anfang an meine jetzige Therapeutin gehabt hätte.

Viele Menschen in der Schwarzen Community in Österreich können ähnliche Geschichten erzählen. Einige geben die Suche auf, weil Therapiezimmer nicht frei von Diskriminierung sind. Das ist gefährlich. Geeignete Therapie zu finden, ist für uns in Österreich nicht einfach. Die wenigen BIPOC-Therapeut:innen bekommen zu wenig Aufmerksamkeit. Das muss sich ändern. Natürlich können Weiße Menschen Schulungen machen, ihren erlernten Rassismus wieder „verlernen“. Aber sie werden niemals zu hundert Prozent nachvollziehen können, was uns täglich widerfährt.

*Name geändert

 

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