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Klimakrise

Warum schlägt Greta Thunberg so viel Hass entgegen?

Bei vielen Menschen lösen Nachrichten über die Klimakrise Ohnmacht aus. Sie verhalten sich danach erst recht nicht klimaschützend. Die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke spricht mit Moment darüber, warum Greta Thunberg auf so viel Widerstand stößt und wie sich Menschen überzeugen lassen, beim Klimaschutz mitzumachen. Ihr Rat: Kleine Schritte gehen. Und: Nur mit Freiwilligkeit geht es nicht.

Moment: Weltweit gehen jetzt Millionen Menschen auf die Straße und fordern mehr Klimaschutz. Das Thema wird im Wahlkampf diskutiert. Ist in der Bevölkerung und auch in der Politik angekommen, dass wir alle handeln müssen?

Isabella Uhl-Hädicke: Auf jeden Fall. Die Parteien greifen ja die Themen auf, von denen sie meinen, dass sie der Bevölkerung sehr wichtig sind. Früher ist auf der politischen Ebene nicht viel passiert. Aber: Zu wissen, dass wir handeln müssen allein reicht nicht aus, um auch tatsächlich etwas zu ändern.

Moment: Dennoch halten sich die großen Parteien zurück, für weitreichende Maßnahmen einzutreten. Hinkt die Politik den WählerInnen hinterher, wenn es darum geht, die brenzlige Lage zu erkennen?

Uhl-Hädicke: Ja, das sehe ich so. Ich erkläre es mir aber auch so: Die Parteien wollen natürlich gewählt werden. Alle haben gesehen, dass die Grünen, die ja ganz stark für Klimaschutz stehen, 2017 nicht in den Nationalrat kamen. Die Parteien sind deshalb eher vorsichtig. Sie fürchten, dass sie an der Wahlurne bestraft werden. Sie scheuen große Schritte. Da gibt es viel Luft nach oben.

Moment: Wird den Menschen klarer, dass etwas mit dem Klima nicht stimmt, weil es Gruppen wie Fridays For Future gibt? Oder sind es die bereits jetzt zu spürenden Folgen der Erderwärmung?

Uhl-Hädicke: Es ist Beides. Ein ganz großer Punkt ist Greta Thunberg und Fridays For Future. Sie haben geschafft, dass die Klimakrise präsenter wird. Sie haben geschafft, dass die Medien über die Klimakrise berichten. Und wir spüren immer mehr, wie sich die Klimakrise auswirkt. Es gibt immer mehr Hitzewellen, Dürren und schwere Unwetter in Österreich. Außerdem merken die Menschen, dass es wirkt, wenn sie für Klimaschutz demonstrieren. Wenn sie vorher versucht haben, ihren Lebensstil zu ändern, mussten sie oft feststellen, dass sie damit allein waren. Da bekommt man schnell ein Gefühl der Ohnmacht. Jetzt machen viel mehr Menschen mit.

Hinter dem Hass auf Greta Thunberg steht ein ganzes Netzwerk, das gezielt versucht, ihr die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Moment: Gleichzeitig wird Greta Thunberg von vielen angefeindet. Der 16-Jährigen schlägt offener Hass entgegen. Warum fühlen sich Menschen durch sie so herausgefordert?

Uhl-Hädicke: Weil sie unangenehme Wahrheiten anspricht und weil es für Menschen im ersten Moment angenehmer erscheint, sich weiter wie bisher zu verhalten. Derzeit hat man scheinbar eine hohe Lebensqualität. Sich zu verändern, zu verzichten, sehen viele als Verlust dieser Lebensqualität. Oder: Viele wissen ja schon, dass irgendwas mit dem Klima nicht passt. Aber im Alltag ist es doch leichter, das zu verdrängen. Greta Thunberg sprich das klar an. Man muss aber auch  hinschauen, von wo diese hasserfüllten Stimmen gegen sie kommen. Das sind ja nicht nur private Einzelmeinungen. Da steht ein ganzes Netzwerk dahinter, das gezielt versucht, ihr die Glaubwürdigkeit abzusprechen. 

Moment: Aber warum? Was ist deren Motiv?

Uhl-Hädicke: Wenn wir eine Meinung haben und dann eine Info erhalten, die dieser Meinung und unserem Weltbild nicht entspricht, dann erleben wir einen inneren Zwiespalt, einen Widerspruch in unserem Denken. Und den müssen wir irgendwie lösen. Wir können diese Information dann beleuchten und beispielsweise entscheiden, dass sie sinnvoll ist. Beispiel Rauchen: Eine Raucherin erfährt, Rauchen ist nicht gesund, es ist sogar lebensgefährlich krebserregend. Was macht sie dann? Das erste wäre, sie hört mit dem Rauchen auf. Das ist aber sehr schwierig. Eine andere Lösung ist: Sie spielt die Quelle herunter, von der sie diese Information bekommen hat. Das ist bei Greta Thunberg passiert. Nicht der Information über die Klimakrise wird widersprochen, sondern sie als Person, als Überbringerin der Nachricht, wird angegriffen. Man sagt dann, es sei nicht so schlimm, sie sei hysterisch oder gesteuert von einer dahinterstehenden Gruppe. 

Moment: Wie kann ich Menschen begegnen, die so aggressiv auf Greta reagieren? Wie kann ich sie vielleicht überzeugen, dass es notwendig ist zu handeln?

Uhl-Hädicke: Zunächst muss man unterscheiden, ob man es mit Privatpersonen zu tun hat oder einem organisierten Netzwerk. Dort stehen oft Trolle dahinter. Also Menschen, die schlicht provozieren wollen und kein Interesse haben, über die Klimakrise zu diskutieren. Wenn Privatpersonen abwehrend und ablehnend reagieren, sollte man schauen, woher das kommt. Meist fühlen sie sich selbst angegriffen – in einem Bedürfnis verletzt. Man sollte dann schauen, ob man etwas gemeinsam hat, Werte und Interessen teilt. Was ich ganz wichtig finde: Es wird viel diskutiert, wie man mit Leugnern der Klimakrise umgeht. Aber eigentlich ist das eine sehr kleine Gruppe. Der größte Teil erkennt den Klimawandel an. Die wissen, dass etwas nicht passt. Sie haben sich aber trotzdem noch nicht endgültig entschlossen, im großen Stil etwas zu ändern.

Moment: Wie kann ich mich dennoch motivieren und tatsächlich etwas tun?

Uhl-Hädicke: Das wichtigste ist: Stück für Stück! Wer sich gleich zu Beginn zu viel vornimmt, verliert schnell den Mut und gibt auf. Vielleicht auch nicht mit dem Bereich anfangen, der am schwersten fällt. Beispiel Fleischessen: Jemand isst total gern Fleisch. Der kann sich überhaupt nicht vorstellen aufzuhören. Er sollte dann nicht gleich versuchen Veganer zu werden, sondern Tage einführen, an denen er kein Fleisch isst. Er kann alternative Gerichte ausprobieren, Dinge erkunden, zu denen er bisher keinen Zugang hatte, die vegetarische Küche zum Beispiel. Sehr wichtig ist das eigene Umfeld: Dort kann er sich Ideen holen. Das heißt jetzt nicht, man soll sich einen neuen Freundeskreis suchen. Man kann auch über Social Media ein Umfeld suchen, das einem hilft. 

Moment: Rauchen beispielsweise ist zunehmend unpopulär. Je mehr innerhalb einer Gruppe das aufgeben, desto eher hören irgendwann alle auf. Ist dieser Effekt auch beim Klimaschutz da?

Uhl-Hädicke: Ja und nein! Was bei Rauchen und beim Klimaschutz ähnlich ist: Es inzwischen normal nicht zu rauchen. In Deutschland hat in den 70er Jahren noch die Hälfte der Jugendlichen geraucht, jetzt ist es einstellig. Dasselbe beim Umweltschutz: Es ist bei den Menschen angekommen, dass wir ein Problem haben. Der große Unterschied ist: Wenn ich mit dem Rauchen aufhöre, dann habe ich sehr wahrscheinlich die negativen Folgen abgewendet, die kommen würden, wenn ich weiterhin rauche. Beschließe ich, jetzt klimafreundlich zu handeln, dann heißt es noch nicht, dass es etwas bringt. Denn es braucht die Handlungen der Vielen.

Es zeigte sich: Wer etwas über die Klimakrise liest, stimmt fremdenfeindlichen Aussagen danach eher zu.

Moment: Sie forschen darüber, warum Menschen besonders in der Klimakrise oft abwehrend reagieren und nicht handeln, obwohl sie es eigentlich besser wissen. Was geschieht da?

Uhl-Hädicke: Es geht darum, wie Personen mit existenziellen Bedrohungen umgehen. Nehmen wir an, sie sitzen in der Früh beim Kaffee und schlagen die Zeitung auf. Dort lesen sie dann etwas über die Klimakrise und welche schlimmen Folgen die hat. Das ist eine Bedrohung für sie. Unmittelbar danach verfallen sie in eine Art Schockstarre. Sie unterbrechen, was sie gerade tun, sind plötzlich in Alarmbereitschaft. Sie brauchen nun etwas, das Ihnen hilft, diese Starre zu lösen, um ihren Alltag weiterzuleben.Moment: Was werde ich also tun?

Uhl-Hädicke: Einmal können sie direkt reagieren. Sie lesen eine Schlagzeile und beschließen, dass sie von nun an klimafreundlicher leben. Sie verzichten auf Fleisch, fahren nur noch mit dem Rad in die Arbeit. Häufig gelingt das aber nicht. Irgendwie müssen sie aber trotzdem mit der Bedrohung umgehen.Oft hat das überhaupt nichts damit zu tun, woher die Bedrohung kommt, sondern ist symbolisch. Das geht bis hin zum Nationalismus. In Tests haben wir Personen etwas zur Klimakrise lesen lassen. Danach wurden sie gefragt, ob sie bestimmten Aussagen zustimmen. Zum Beispiel: Es ist nicht gut für unsere Kultur, wenn wir uns mit anderen mischen. Wir würden besser dastehen, wenn sie draußen gelassen würden. Dabei zeigte sich: Wer zuvor etwas über die Klimakrise liest, stimmt diesen fremdenfeindlichen Aussagen danach eher zu.

Moment: Aber die Bedrohung durch die Klimakrise hat doch gar nichts damit zu tun, ob man Angst vor Fremden hat und sie ablehnt. Was soll das?

Uhl-Hädicke: Das ist richtig! Diese Handlungen sind irrational und auch ganz unterschiedlich. So werden Personen, die nicht der Norm entsprechen, dann viel negativer gesehen. Aktivisten zum Beispiel. Oder es wird danach gefordert, Verbrecher härter zu bestrafen. Selbst Richter haben höhere Strafmaße festgelegt, nachdem sie zuvor diese Bedrohung erlebt hatten.

Moment: Wieso passiert das?

Uhl-Hädicke: Bedroht zu werden, ist ein extremer Kontrollverlust. Indem wir uns dann auf unsere Werte konzentrieren, unsere Weltanschauung und den Gruppen, zu denen wir gehören, gibt uns das Kontrolle zurück. Es hilft uns mit der Situation umzugehen.

Moment: Das scheint gerade bei der Klimakrise noch unsinniger zu sein. Eigentlich müssten wir doch zusammen dafür kämpfen, die Erderwärmung aufzuhalten.

Uhl-Hädicke: Genau! Das geht nur gemeinsam. Meine Untersuchungen zeigen aber: Lesen Menschen etwas zur Klimakrise, ändert es sehr oft nichts an ihrer Bereitschaft, sich zu verändern. Oft sind sie danach sogar noch weniger dazu bereit.

Moment: Also führt ein Zuviel an Informationen über die Klimakrise bei vielen sogar zu noch größerer Ohnmacht?

Uhl-Hädicke: Die Konsequenzen der Klimakrise sind einfach bedrohlich. Die Forschung konnte bereits verschiedene Wege identifizieren, wie Menschen mit existentiellen Bedrohungen erfolgreich umgehen können. Die Klimakrise scheint etwas Besonderes zu sein. Die etablierten Strategien funktionieren offenbar nicht. Die Klimakrise löst scheinbar ein zu großes Ohnmachtsgefühl aus. Wichtig ist, dass die Personen nicht allein gelassen werden. Sie müssen die Kontrolle zurückerhalten. Da ist es wichtig, nicht nur zu zeigen, wie sich die Klimakrise auswirkt, sondern auch, was man tun kann.

Manche finanziellen Anreize im Klimaschutz bringen nur etwas, wenn sie hoch genug sind.

Moment: Österreich diskutiert gerade heftig um die CO2-Steuer. Ist Druck auf den Geldbeutel der einzige Weg der funktioniert?

Uhl-Hädicke: Nein, gar nicht! Im Gegenteil. Man muss sogar aufpassen. Manche finanziellen Anreize bringen nur etwas, wenn sie hoch genug sind. Eine Steuer ist ja nur am ersten Blick ein finanzieller Hebel. Psychologisch wird damit auch bewertet, wie gut oder schlecht ein Verhalten ist. Habe ich jetzt einen Anreiz für umweltfreundliches Verhalten, heißt das: Das umweltschädigende Verhalten ist okay, aber das umweltfreundliche ist besser und du bekommst Geld. Ist das umweltschädigende Verhalten aber verboten, dann ist die Botschaft: Das ist schlecht und das andere ist die Norm. Das löst bei uns ganz andere Dinge aus.
 

Moment: Heißt das, man sollte noch viel mehr fordern, als nur eine Steuer?

Uhl-Hädicke: Man muss aufpassen, wie man sie einführt. Natürlich wird sie auf Widerstand stoßen. Es muss geschaut werden, dass die Personen mit geringen Einkommen nicht draufzahlen. Aber es funktioniert auch nicht mehr mit der reinen Freiwilligkeit. Im schwedischen Göteborg wurde eine City-Maut eingeführt. Der Widerstand dagegen war extrem hoch. Aber ein halbes Jahr später hatten die Leute sie akzeptiert. Denn sie haben gesehen: Es funktioniert und sie haben die positiven Konsequenzen erlebt. Das ist wichtig. Man muss spüren, dass es wirkt.

Zur Person: Isabella Uhl-Hädicke ist Umweltpsychologin im Umweltmanagement der Universität Salzburg. Sie ist Obmann-Stellvertreterin des Climate Change Centre Austria (CCCA). In ihrer Forschung geht sie der Frage nach, unter welchen Bedingungen sich Menschen für Informationen zur Klimakrise öffnen und unter welchen sie auf Widerstand gehen.

 

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