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Ungleichheit
Kapitalismus

Was ist das Problem mit Bill Gates?

Bill Gates bei einem Besuch bei der Europäischen Kommission: Was ist das Problem mit Bill Gates?
Bill Gates bei einem Besuch bei der Europäischen Kommission 2023, um über den Green New Deal zu sprechen – Foto: European Commission/Lukasz Kobus
Bill Gates ist einer der reichsten Menschen der Welt und wird oft als selbstloser Wohltäter dargestellt. An diesem Image ist einiges nicht richtig, meint der US-amerikanische Journalist Tim Schwab. Er hat ein Buch über das geschrieben, was er als "Das Bill-Gates-Problem" bezeichnet. Mit MOMENT.at spricht er über Bill Gates, die Bill & Melinda Gates Fundation, Superreiche und Philanthropie.

MOMENT.at: Es gibt viele Milliardäre, die spenden: Warum ist gerade Bill Gates interessant?

Tim Schwab: Bill Gates ist in der Klasse der Milliardäre einzigartig, weil er als der “gute Milliardär” bekannt ist. Im US-amerikanischen Diskurs gibts eine Debatte über die Frage, ob es Milliardäre überhaupt geben sollte. Ein bekanntes Argument für die Existenz von Milliardären ist Bill Gates als Person. Man erzählt dann folgende Geschichte über ihn: Er ist einer der reichsten Menschen der Welt, tut aber Gutes. Er gibt sein ganzes Vermögen her und ist dabei sehr effektiv. Er rettet Leben, hilft armen Menschen. Er ist wahrscheinlich effizienter als der Staat. Aufgrund dieser Erzählung ist er für mich interessant.

MOMENT.at: Kann er mit seinem Geld nicht tun, was er will?

Schwab: Ich habe im Laufe meiner Recherche gemerkt, wie viele unserer öffentliche Mittel in die Förderung der wohltätigen Arbeit der Bill & Melinda Gates Foundation fließen. Wenn Milliardäre in den USA karitative Spenden machen, bekommen sie massive Steuerbegünstigungen. Und es gibt noch andere Arten, auf welche öffentliche Mittel aus vor allem reichen Nationen in die Foundation fließen. Daher sollten wir Mitspracherecht in der Frage haben, wie sie ausgegeben werden. Außerdem kauft Bill Gates mit der Foundation Einfluss. Er kann so beispielsweise im Gesundheits- und Bildungswesen mit der Foundation seine eigene politische Agenda durchsetzen. Das Modell ist “Der reichste Mann bekommt die lauteste Stimme.”. 

MOMENT.at: In welchen Sektoren engagiert sich die Stiftung?

Schwab: Am meisten ist er wohl in der Gesundheit armer Menschen engagiert. Aber die Bill & Melinda Gates Foundation ist auch in Sektoren wie Bildung, landwirtschaftlicher Entwicklung, Klimawandel, künstlicher Intelligenz, aktiv. Es geht um viele Sektoren, die uns alle betreffen.

Bill Gates hat eine sehr enge Ansicht, wie die Welt funktionieren sollte. Es geht um die Vorherrschaft des Privatsektors, marktbasierte Lösungen, Patente im intellektuellen Eigentum, Unternehmenspartnerschaften.

MOMENT.at: Wie groß ist der Einfluss von Bill Gates auf das Weltgeschehen in diesen Sektoren?

Schwab: In landwirtschaftlicher Entwicklung in Subsahara-Afrika können die Milliarden der Bill & Melinda Gates Foundation viel bewegen. Es ist wohl nicht übertrieben, zu sagen, dass Bill Gates einer der einflussreichsten Akteure in landwirtschaftlicher Politik in vielen afrikanischen Staaten ist. Dasselbe gilt im Gesundheitswesen, wenn man Krankheiten betrachtet, die hauptsächlich arme Menschen betreffen. Dazu gehören Malaria und Tuberkulose. Pharma-Unternehmen sind oft nicht daran interessiert, an diesen Krankheiten zu arbeiten, da man damit kein Geld verdienen kann. Also investiert die Foundation Milliarden und übt Einfluss darauf aus, wie Forschung, Entwicklung, Politikgestaltung aussieht.

MOMENT.at: Ist es nicht beeindruckend, was er dort geleistet hat?

Schwab: Ja, Vermögen und Einfluss sind beeindruckend. Aber was wir verstehen müssen, ist, dass hier die Perspektive eines superreichen Mannes in Seattle beeinflusst, wie afrikanische Landwirtschaft, wie Tuberkulose und Malaria, und all die anderen Sektoren organisiert werden sollen. Bill Gates hat eine sehr enge Ansicht, wie die Welt funktionieren sollte. Es geht um die Vorherrschaft des Privatsektors, marktbasierte Lösungen, Patente im intellektuellen Eigentum, Unternehmenspartnerschaften. Gates überträgt diesen Ethos auf seine philanthropische Arbeit. Aber ich denke, dass der wichtigste Glaube von Bill Gates sich aus seiner Selbstüberschätzung ergibt. Er meint, stets Recht zu haben, rechtschaffend und legitimiert dazu zu sein, jedes Problem zu lösen.

Ich habe in meiner Recherche herausgefunden, dass er damit nicht besonders effektiv ist. Es gibt sogar Organisationen, welche die Bill & Melinda Gates Foundation bitten, ihnen nicht mehr zu helfen, da sie bei ihnen so viel Schaden verursacht. 

Viele Menschen fragen sich, warum es schlecht sein sollte, dass Bill Gates sein Geld hergibt.

MOMENT.at: Was sollte statt des Treibens von Bill Gates passieren?

Schwab: Letztendlich ist es die Rolle des öffentlichen Sektors, sich beispielsweise um das Gesundheitswesen, öffentliche Bildung, und den Zugang zu Nahrung zu kümmern. Wir müssen die Rolle und Einfluss von privaten Milliardären auf Sektoren wie diese überdenken. Ein Weg, das zu ändern, ist das Steuerwesen. Es ist pervers, dass wir in den USA Milliarden an Steuerbegünstigungen an beispielsweise Bill Gates vergeben, wenn er privates Geld an seine Stiftung spendet, wo er die Finanzen noch immer kontrolliert.

MOMENT.at: Warum werden ihm keine Grenzen gesetzt? Und wie könnte das aussehen?

Schwab: Es ist zum einen einfach so ein gutes Narrativ: Bill Gates hat all dieses Geld verdient und spendet es jetzt. Viele Menschen fragen sich, warum es schlecht sein sollte, dass Bill Gates sein Geld hergibt. Warum sollte man das regulieren? Wenn man aber versteht, dass Bill Gates durch seine Philanthropie politischen Einfluss ausübt, und nicht einfach karitativ tätig ist, ändert sich die Sache plötzlich. 

Wenn wir über Lösungen nachdenken, müssen wir eines verstehen: Das eigentliche Bill-Gates-Problem besteht aus extremem Wohlstand. Bill Gates ist eine Fallstudie davon, was passiert, wenn wir Menschen erlauben, derart reich zu werden. Sie werden damit politischen Einfluss ausüben. Die echte Lösung für das Bill-Gates-Problem ist eine Änderung unserer Wirtschaft und des Steuerwesens, damit ein solcher Wohlstand verhindert wird. 

MOMENT.at: Wie grenzt du dich von Verschwörungstheorien über Bill Gates ab?

Schwab: In meinem Buch spreche ich kontroverse Themen wie Impfungen und Verhütungsmittel an: ich argumentiere jedoch dafür, dass Impfungen wichtig sind und Leben retten und dass Verhütungsmittel ebenso wichtig sind und Frauen einfachen Zugang und Wahl haben sollten. 

Verschwörungstheorien waren sehr schlecht für den öffentlichen Diskurs. Aber ich denke, dass die Bill & Melinda Gates Foundation von Verschwörungstheorien profitiert hat, da sie Gates’ Kritiker stark abgewertet hat. Die Realität der Bill & Melinda Gates Foundation ist besorgniserregend genug, man muss nicht extra Verschwörungstheorien erfinden.

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