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Klimakrise

Was spricht gegen den Lobau-Tunnel?

Der Lobau-Tunnel: Er ist schon lange heiß diskutiert und schwer umstritten. Doch er wird die gewünschten Ziele nicht erreichen und einer Verkehrswende im Weg stehen. Das zeigen die Daten des Momentum Instituts.

 
 

Extremwetterereignisse nehmen zu. Immer schmerzlicher erfahren wir, was die Klimakrise bedeutet. Wissenschaftler:innen betonen, dass der menschengemachte Klimawandel solche Katastrophen wahrscheinlicher macht. Kaum jemand zweifelt mehr daran, wie wichtig es ist, die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten. Länder und Städte sprechen sich für Maßnahmen gegen den Klimawandel aus, für CO2-Reduktion, Klimaneutralität bis zum Jahre 2040. Doch sie handeln nicht danach.

Wenn es darum geht, gewohnte Ideen zu verändern, klammern sich viele an ihnen fest. Das zeigt auch die aktuelle Debatte um den Lobau-Tunnel und damit den Verkehr in Wien.

Der Verkehrssektor als Emissionstreiber in Österreich

Wollen wir den Klimawandel stoppen, müssen wir den Treibhausgasausstoß reduzieren. Und zwar schnell und drastisch. Im Verkehrssektor in Österreich passiert genau das Gegenteil. Seit 1990 sind die Abgase im Verkehrssektor um über 74 Prozent gestiegen.

 
Das Diagramm zeigt die Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen in Österreich nach Sektoren seit dem Jahr 1990. Während in der Abfallwirtschaft, im Gebäudesektor, in der Landwirtshaft und im Energie- und Industriesektor die Emissionen teilweise deutlich gesunken sind, stiegen die Emissionen im Verkehrssektor um über 74 %.

Das ist auch einer der Kritikpunkte am Bau des Tunnels, der unter dem Nationalpark Donau-Auen durchführen soll. Nachdem Klimaschutz- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) eine Prüfung sämtlicher Bauvorhaben angekündigt hat – auch den Bau des Lobau-Tunnels – wird diese Kritik wieder laut und das Projekt steht einmal mehr im Zentrum der öffentlichen Debatte.

Mehr Straßen führen zu mehr Verkehr

Der gewünschte Effekt des Tunnels ist eine Entlastung des Straßenverkehrs in Wien. Für einzelne Straßenzüge mag das stimmen, doch mit dem Blick auf die ganze Stadt wäre das Gegenteil der Fall. Das zeigt auch ein aktueller Policy Brief des Momentum Instituts.

Die Verkehrsforschung weiß: mehr Straßen führen zu mehr Verkehr. Das Phänomen nennt man induzierten Verkehr. Menschen, die zuvor wegen langen Staus oder schlechter Straßenanbindungen auf das Auto verzichtet haben, nutzen dieses dann. Somit steigt der Verkehr an und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zurück.

Der Lobau-Tunnel mitsamt Autobahn würde laut Berechnungen dafür sorgen, dass in Wien jeden Tag 83.000 Kilometer mehr mit Autos zurückgelegt werden.

 
Die Abbildung zeigt eine Karte Wiens auf der die Unterschiede der Verkehrsströme zwischen dem reinen Bevölkerungswachstumsszenario und dem Szenario mit Bau des Lobautunnels abgebildet sind. Dabei wird ersichtlich, dass es lediglich auf der Praterbrücke sowie auf der A4 zu nennenswerten Entlastungen kommen würde.

Die Verkehrsanalyse der TU-Wien zeigt die Be- und Entlastungen des Wiener Verkehrssystems durch den Bau des Lobau-Tunnels und der Stadtstraße. Die Entlastungen sind grün dargestellt, während die Belastungen rot dargestellt sind. Je dicker die Linie, desto größter die Be- bzw. Entlastung. Auf der Karte sind lediglich Nettoveränderungen von über 1000 Fahrzeuge pro Tag dargestellt. Während sich in der Innenstadt kleinere Be- und Entlastungen ergeben, wird im 22. Bezirk das niederrangige Straßennetz leicht entlastet. Nennenswerte Entlastungen von mehr als 5000 Fahrzeugen pro Tag finden sich lediglich auf der Praterbrücke (A23) und auf der A4. Dafür steigt die Belastung durch den Lobau-Tunnel und die Stadtstraße. Insgesamt überwiegen die Belastungen die Entlastungen.

Das widerspricht jedoch den Verkehrszielen, die sich die Stadt Wien selbst auferlegt hat. Denn der Anteil des Autoverkehrs bis 2025 soll von aktuell 27 Prozent auf 20 sinken. Bis 2050 sollen es sogar weniger als 15 Prozent sein. Dabei wird der Lobau-Tunnel keine Hilfe sein. Im Gegenteil.

Sozial ungerechte Verkehrspolitik

Verkehrswissenschaftler:innen betonen, dass die Abhängigkeit vom Auto ein selbst-geschaffenes Problem ist. Zu lange wurde auf den Ausbau von Straßen gesetzt, anstatt auf den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln. Genau dieser Fehler droht sich mit dem Lobau-Tunnel zu wiederholen.

Das ist auch eine sozialpolitische Frage. Denn der Tunnel und eine Auto-lastige Verkehrspolitik kommen viel mehr den wohlhabenderen Gesellschaftsschichten zugute. Denn ärmere Menschen besitzen viel seltener Autos. In Wien besitzt in den unteren beiden Einkommensfünftel nicht einmal die Hälfte der Haushalte ein Auto. Rund 64 Prozent dieser Haushalte könnten den Lobautunnel somit gar nicht nutzen. Im reichsten Einkomensfünftel hingegen besitzen fast 80 Prozent der Haushalte ein Auto. Der Tunnel kommt also vor allem den reichen Haushalten zugute, während ärmere davon kaum profitieren.

 
Das Balkendiagramm zeigt den Anteil jener wiener Haushalte, die einen PKW besitzt nach Einkommensfünfteln. Während nur rund 30 % der Haushalte im ärmsten Einkommensfünftel einen PKW besitzt sind es im reichsten Einkommensfünftel fast 80 %. Vom Lobau-Tunnel profitieren damit vor allem reichere Haushalte.

Wie Verkehr nachhaltig gestaltet werden kann

Um den Verkehr fit für das 21. Jahrhundert zu machen und die eigenen Ziele zu erreichen, schlägt das Mometum Institut vor, das Radnetz und die öffentlichen Verkehrsmittel auszubauen. Große Straßenbauprojekte wie der Lobau-Tunnel dürfen dafür nicht umgesetzt werden. Außerdem sollten Verkehrsabgaben ökologisiert und eine C02-Steuer eingeführt werden. So kann das Problemkind Verkehrssektor nachhaltiger gestaltet, der CO2-Ausstoß reduziert und die dringend notwendigen Ziele erreicht werden.

Mehr zu den Daten auf der Website des Momentum Instituts.

 

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