Was treiben die Jugendlichen in den Jugendzentren?
Wenn es in der Öffentlichkeit um Jugendliche geht, sprechen in der Regel Erwachsene über sie. Meistens passiert das, wenn es Probleme oder Unverständnis gibt. In Jugendzentren sprechen sie auch selbst – und ihnen wird zugehört.
Ein Jugendzentrum am Rande Wiens. Dort, wo die große Stadt auf das flache Land trifft. Vorstadt, große Wohnbauten, weite Wege, – jene Gegend, die in anderen Großstädten Europas Problemzone ist, in der rot-weiß-roten Hauptstadt weniger. An der Wand hängen Plakate zu diversen Themenwochen – die handeln etwa von Diskriminierung. Für Jugendliche gibt es einen Tischfußballtisch, Tischtennis, die allgegenwärtigen Playstations mit Fußballsimulationen, Rückzugsräume, Beratung. Vornehmlich Burschen scharen sich um die Angebote. Was sie in erster Linie finden: Einen Raum, in dem sie nichts konsumieren müssen.
Jugendzentren: Orte, um zu bleiben
„Ich gehe schon arbeiten, bin aber ein sehr sozialer Mensch, darum komme ich hier sehr gerne her“, erzählt ein Besucher. Für ihn ist es nicht einfach, neben dem Arbeiten auch noch Freundschaften zu pflegen. Deshalb meint er etwas traurig, in diesem Jahr sei oft wenig los gewesen. Das bestätigen die Jugendarbeiter:innen. Der lange Sommer hat es den meisten ermöglicht, im Freien abzuhängen. Man musste nicht irgendwo drinnen sein. Das Team vom Jugendzentrum ist dann ebenfalls vermehrt draußen unterwegs, um mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten und gemeinsame Aktivitäten im öffentlichen Raum zu setzen.
Obwohl die Welt voll ist mit Vorkommnissen, die die Jugendlichen auch betreffen, sind politische Themen hier laut den Jugendarbeiter:innen nicht gleich als solche erkennbar. Es geht um klassische Fragen für das Alter: Stress in der Schule, die Suche nach Ausbildungsstellen und auch, wo es sein muss, Hilfe bei Behördenschreiben. Wenn die Eltern sich schwertun, dann kann so ein Anschreiben an eine Lehrstelle eben im Jugendzentrum besser aufgesetzt werden.
Für alle da sein
Die Klient:innen der Jugendarbeit kommen überwiegend nicht gerade aus den einfachsten Verhältnissen. Das Bundesweite Netzwerk der Offenen Jugendarbeit in Österreich (bOJA) spricht von einer „vielfach nicht erfolgsverwöhnten Schulerfahrung“, von Jugendlichen „die eine schwierige Berufswahl treffen müssten, in einer pubertären und familientechnisch prekären Situation wären und wenige Orientierungspunkte hätten, um Selbstbewusstsein aufzubauen“. Also alles andere als junge Menschen mit Startvorteilen.
„Wir als Offene Jugendarbeit bieten den Jugendlichen Räume, in denen sie sich gerne aufhalten und mit uns Jugendarbeiter:innen und anderen jungen Menschen über ihre Themen sprechen können“, erklärt Lukas Mayer, Jugendarbeiter und Leiter einer Einrichtung, im Gespräch mit MOMENT.at. „Gleichzeitig ist es auch wichtig, Freiräume zu schaffen, um mal nicht an Probleme und Ängste zu denken, sondern Spaß zu haben und Lebensfreude zu vermitteln.“
Wichtiger Faktor in der Erziehung
Genau darum sind Jugendzentren für viele so wichtig. Wer das Ziel Universität vor Augen hat und durch die Eltern finanziert bekommt, hat andere Freizeitgestaltungsmögl
Bildung gehört in Österreich zum Erbgut – es hängt viel davon ab, wer deine Eltern sind. Wenn die Eltern niedrigere Bildungsabschlüsse haben, gilt das meist auch für die Kinder. Zudem hat die Familie tendenziell auch weniger Geld. Das macht fast alles schwieriger. Auch Freizeit- und auch Bildungsausgaben müssen dann verringert werden. Jugendarbeit steuert dagegen, so Mayer: „Wir setzen sowohl indoor als auch outdoor Angebote, bei denen Jugendliche die Möglichkeit haben, Teilhabe, Selbstwirksamkeit und Anerkennung zu erleben.“
(C) Mili Badic
Hundertausende Kontakte
Das Angebot bzw. die Nachfrage nach Jugendzentren ist groß. Der Verein Wiener Jugendzentren hatte an allen Standorten im letzten Jahr über eine halbe Million Kontakte. Insgesamt 29 Jugendzentren, sechs mobile Einrichtungen oder auch die Parkbetreuung sind für die Jugendlichen da. 15.000 Jugendliche nutzen die Angebote regelmäßig. Der größte Teil ist zwischen 10 und 19 Jahren alt – gemessen an der Gesamtzahl an Wiener:innen ist in dem Alter ist das ein hochgerechnet jede:r zwölfte. In der Offenen Jugendarbeit gilt das Prinzip der „kritischen Parteilichkeit“. Die Betreuer:innen stehen parteilich auf der Seite der Jugendlichen, kritisieren, aber wenn notwendig, gewisse Verhaltensmuster, ohne die Person als Ganzes abzuwerten.
Einfach ist diese Arbeit nicht immer. Ortswechsel weiter in die Stadt hinein. Ein weiterer Jugendtreff, unweit eines bekannten Einkaufszentrums. „Manche Klischees über uns stimmen“, sagt da ein Bursche. Zum Beispiel? „Viele haben Waffen mit dabei, das stimmt.“ Welche Waffen er damit meint? Pfeffersprays zur Selbstverteidigung zum Beispiel. Mehr lässt er nicht aus sich herauslocken. Ist das ein häufiges Problem oder will da jemand bewusst cool rüberkommen? Schwer überprüfbar. (Die offizielle Anzeigenstatistik bei jugendlicher Gewalt
Unterstützung in schwieriger Lebensphase
„Junge Menschen sind mit einer Vielzahl an Veränderungen, Entwicklungsaufgaben und gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert“, führt Mayer aus. „Die Instrumente zur Bewältigung dieser Phase müssen sie erst erlernen. Das ist in seiner Gesamtheit sehr herausfordernd und, wie die meisten Lernprozesse, nicht immer nur von Erfolgen geprägt. Dazu gab es eine Pandemie, Kriege, Teuerungen. Jugendliche sind zum Glück widerstandsfähig, dennoch brauchen sie gerade in krisenhaften Zeiten Orientierung und Zuversicht.“
Im nächsten Raum bieten die Jugendarbeiter:innen eine Gesprächsrunde an. Dort kann man über aktuelle Themen diskutieren. Solche Gesprächssettings sind bewusst offen gestaltet, Jugendliche können, müssen sich aber nicht einklinken. „Ich hab jetzt einen Prozess gewonnen“, sagt einer in der Runde plötzlich, als er von seinem Smartphone aufblickt. Weswegen? Die Polizei dürfte ihm etwas vorgeworfen haben, was genau, verrät er nicht. „Die Polizei hat mich angehalten, fünf Kollegen haben gesagt, ich hätte das und das gemacht. Das hat aber nicht gestimmt und ich konnte es beweisen“, freut er sich. Er würde deshalb sogar Geld zurückbekommen. Aber es sei zu wenig, um sich dafür anzustrengen. Haken darunter, weiter machen. Wichtiger sei ihm jetzt, seine Installateurslehre weiterzumachen.
Es geht auch einfach nur um Spaß und Ruhe
Natürlich geht es in Jugendzentren aber nicht immer nur um Probleme und Sorgen. Kinder und Jugendliche haben das Recht, auch einmal ohne Geld auszugeben, herumzusitzen und einfach nichts zu machen. Der Jugendliche, der von den Waffen gesprochen hat, macht etwa eine Lehre als Zahntechniker. Das füllt seinen Tag schon ziemlich aus. In der Freizeit will er eben mit seinen Freunden abhängen. Und die sind auch alle hier. Der eine „Kollege“ neben ihm geht in eine HAK, verbringt seine Freizeit ansonsten in einem Kampfsportklub. Der Dritte mit im Bunde lernt Kfz-Mechatroniker. Hobbies? Bei ihm eigentlich Fehlanzeige, weil der Alltag schon sehr anstrengend sei.
Manche Geschichte erschreckt zuerst und wendet sich am zweiten Blick dann doch. So schlimm wie das Bild von Jugendlichen medial ab und an gezeichnet wird, ist es ganz und gar nicht. Mayer meint dazu durchaus emotional: „Eine ganze Altersgruppe als faul, problematisch und sowieso schwierig zu bezeichnen, ist ein seiner Undifferenziertheit natürlich stigmatisierend für junge Menschen. Daher sehe ich das als Jugendarbeiter sehr kritisch. Mir liegt hier in einigen Medien auch zu oft ein negativer Fokus auf der Gruppe der Jugendlichen.“
Letztlich ist es die Aufgabe der Erwachsenen und der Gesellschaft, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit es Jugendlichen gut geht und sie sich entfalten können. Die Jugendzentren sind für viele ein Ort, an dem das geht.