Wer profitiert von der Panikmache rund um das "Pensionsloch"?
Liest man Berichte und Kommentare von manchen Medien zu den Pensionen, bekommt man richtig Angst. Ein riesiges „Pensionsloch“ drohe uns zu verschlingen! Das Pensionsloch erinnert ein wenig an Nessie, das Monster von Loch Ness, einem See im schottischen Hochland.
Jeder kennt sie, manche sind ganz fest überzeugt davon, sie gesehen zu haben. Aber geben kann es sie in der Form gar nicht. Denn aus wissenschaftlicher Sicht kann dort ein so großes Tier gar nicht leben, weil der See kaum Sauerstoff enthält. Doch warum gibt es Nessie noch immer? Für ihren schottischen Bezirk ist sie der Wirtschaftsfaktor Nummer 1. Tourismus, Souvenirartikel, Museumsbesuche – mit Nessie machen Wirtschaftstreibende ein gutes Geschäft.
Das „Pensionsloch“ ist ein gutes Geschäft
Mit den Pensionen ist es gar nicht so unähnlich. Wer glaubt, dass er später keine staatliche Pension mehr bekommen wird, kriegt Angst. Angst, dass man am Ende des Lebens hilflos ohne Geld dasteht, verarmt, und tatsächlich in ein Loch fällt. Mit so etwas lässt sich ein Geschäft machen. Zahllose Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister stehen schon in den Startlöchern. Privatpensionen bedeuten schließlich Provisionen. Ein ganzer Wirtschaftszweig kann davon leben.
Gelingt es, dass jeder Mensch in Österreich mit dem nötigen Kleingeld eine Privatpension abschließt, wäre das ein noch nie da gewesenes Bombengeschäft. Rekord-Bonuszahlungen, Vorstands-Gehaltserhöhungen, und die Aktienkurse der Unternehmen wären auf Jahrzehnte gesichert. Weil die angebliche „Kostenexplosion“ im staatlichen Pensionssystem gerade noch „abgewendet“ wird, explodieren die Gewinne der Privatpensions-Anbieter und die „Zuwendungen“ an deren Eigentümer.
Mehr Geld für Pensionen? Fiktion oder Realität?
Abseits von irgendwelchen Löchern. Wie sieht es tatsächlich aus? Gibt es also Finanzierungsbedarf, damit auch alle Jungen später noch ihre Pension bekommen? Wahr ist: In den nächsten zehn Jahren gehen mehr Menschen in Pension als noch heute. Zum Beispiel der Jahrgang 1964, der innerhalb der nächsten sieben Jahre aus dem Arbeitsleben ausscheidet.
1964, inmitten des österreichischen Wirtschaftswunders und vor der Erfindung der Anti-Baby-Pille, kamen 130.000 Menschen auf die Welt. So viele Menschen in Österreich wie nie zuvor und wie nie wieder danach. In den Jahrzehnten bis heute wanderten außerdem ein paar Menschen ins Land ein, weswegen alle Jahrgänge der späten Siebziger mit über 140.000 Personen in den Ruhestand marschieren.
Es ist nur logisch, dass es etwas mehr kostet, wenn ein paar extra-große Jahrgänge in Pension gehen. Bis 2030 muss die Gesellschaft daher (weniger) als ein Fünfzigstel ihrer Wirtschaftsleistung mehr für Pensionen aufwenden, so die Gutachten der Pensionsexpert:innen und Ökonom:innen. Doch danach fällt dieser Aufwand wieder etwas ab und bleibt für die vierzig Jahre beständig stabil.
Denn nach kommen zwar geburtenschwache österreichische Jahrgänge. Aber gleichzeitig sind jährlich Tausende Menschen nach Österreich eingewandert – aus Deutschland, aus manchen osteuropäischen Nachbarländern, dem Balkan, der Türkei und auch aus dem Nahen Osten. Sie alle haben Österreich verjüngt. Sie schupfen die Pflege im Land (und schuften in ihr). Gerade für ältere Pensionisten ist das besonders entscheidend.
Das Fazit ist: Bis 2030 wird es mehr ältere Menschen geben. Statt 2 von 10 werden es knapp unter 3 von 10 sein. Es ist nur logisch, dass vom gesamten Kuchen, der Wirtschaftsleistung, für Pensionisten künftig daher ein größerer Teil des Kuchens reserviert werden muss. Manche Wirtschaftsbranchen werden daher wachsen, wie zum Beispiel die Pflege. Dort werden mehr Menschen gegen Gehalt ihre Dienstleistungen erbringen.
Pensionen und Pflege: Eine politische Frage des Willens
Entscheiden müssen wir uns daher, wie wir diese Leistungen finanzieren wollen. Die Bürger:innen verlangen neben einem ausgezeichneten staatlichen Pensionssystem auch eine ausgezeichnete Pflege im Alter, genauso wie die beste Qualität in der Gesundheit: beste Behandlungen, Medikamente und technische Geräte bei Ärzt:innen und in Spitälern.
Bei den Pensionen selbst wiederum halten sich die zusätzlichen Ausgaben überraschenderweise in Grenzen. Die gesamten Ausgaben für das Pensionssystem werden von 13,5% der Wirtschaftsleistung auf 15,2% steigen. Angesichts der stark steigenden Zahl der Älteren fällt der Zuwachs sehr gering aus. Alles, was in den nächsten Jahren nicht durch Pensionsbeiträge gedeckt ist, übernimmt zudem das allgemeine Budget. Mit 1,7% der Wirtschaftsleistung ist das zwar nicht erfreulich, aber zur Not finanzierbar.
Hinsehen bei Privilegien
Helfen – in die Gegenrichtung wirken – werden im Budget jedenfalls aber die niedrigen Zinsen, die uns schon 2019 ein Nulldefizit beschert haben. Die Zinsausgaben des Staates sinken in den nächsten Jahren weiter, das spart einige Milliarden ein. Genauer hinschauen sollte man aber bei den Pensionen der Selbstständigen. Ihre Beiträge zum Pensionssystem sind niedriger als die der Unselbstständigen, weil ihnen der Staat einfach einen Teil zuschießt. Solche Privilegien wird man sich in Zukunft eher nicht mehr leisten können.
Genauso wie die Senkung der Gewinnsteuern für die reichsten Unternehmensbesitzer im Land, die ab 2023 gut eine Milliarde im Jahr kosten wird. Lustige Steuergeschenke für jene, die es am wenigsten brauchen, gefährden tatsächlich das Budget.
Was sind die tatsächlichen Budgetlöcher?
Klar ist auch: Es wird wohl etwas mehr Steuern und Abgaben brauchen, um neben einer älter werdenden Gesellschaft auch die Investitionen zur Bekämpfung der Klimakrise anzugehen. Die Steuerprivilegien, die einige wenige vermögende Personen derzeit genießen, sind massiv: Es gibt im Land keine Vermögensteuer, keine Erbschaftsteuer, niedrige Konzernsteuern und niedrige Grundsteuern. All das könnte tatsächlich die Nachhaltigkeit des staatlichen Budgets über die nächsten Jahrzehnte gefährden.
Aber dann muss der Schuldige auch klar benannt werden: die Steuerlücke bei den Vermögenden im Land. Und nicht herbei fantasierte Pensionslöcher.