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Demokratie

Wie ein rechter Shitstorm funktioniert

Illustration von Nats Analyse.

Rechte Mobs ziehen auf Twitter immer wieder über UserInnen her. Wie das aussieht und was man dagegen tun kann.

Es war mal wieder so weit: Auf Twitter habe ich etwas getwittert und rechte UserInnen waren so aufgebracht, dass sie mich tagelang mit Kommentaren bombardiert haben. Die Auslöser von solchen „Shitstorms“ sind einigermaßen beliebig. Ich hatte schon welche für die Erkenntnis, dass es meist Männer sind, die Frauen umbringen. Oder im jetzigen Fall dafür, dass ich Konservativen und Rechtsextremen durchaus geteilte Ideale bescheinigt habe. Auch andere UserInnen sind immer wieder Ziel orchestrierter Attacken.

Die Methodik ähnelt sich immer wieder:

Schritt 1: Ein Einflussreicher und großer rechter bis rechtsextremer Account findet oder durchsucht systematisch linke Accounts nach Aufreger-Tweets. Die Tweets können Tage, Monate oder sogar Jahre alt sein. 

Schritt 2: Dieser Account zitiert scheinbar harmlos diesen Tweet (das wird oft als „Drüberkommentar“ oder „Drüko“ bezeichnet). Wichtig: der Zweck ist nicht die Auseinandersetzung, sondern nur der Ausdruck des Missfallens. Formulierungen lauten in etwa so: „Wie blöd kann man sein?“, „Der hat echt gar nix verstanden“ oder „Was für wirre Ansichten. Typisch links.“

Schritt 3: Die FollowerInnen des rechten Accounts verstehen die Message sofort. Sie beginnen im Sekundentakt unter den zitierten Tweet zu kommentieren. Sehr schnell wird aus bloßem Missfallen handfester Menschenhass. Aussehen, Intellekt, Beruf etc. werden deutlich abfällig kommentiert.

Schritt 4: Schnell hat jemand ein Foto gegoogelt und getweetet, worauf sich sehr schnell nur noch auf das Äußere eingeschossen wird, besonders bei Frauen.

Schritt 5: Jemand macht Screenshots von Inhalten des betroffenen Accounts – für alle, die von dem geblockt sind, damit auch diese UserInnen ihren Hass ergießen können.

Schritt 6: Die ersten UserInnen breiten ihren Hass direkt unter dem Tweet (und nicht nur unter dem Anfangs-„Drüko“) aus.

Schritt 7: Die FollowerInnen beginnen damit, den Tweet selbst zu zitieren und rufen so immer mehr UserInnen dazu auf, sich an dem linken Account abzuarbeiten.

Schritt 8: Screenshots davon, dass man geblockt wurde machen die Runde. Mangelnde Meinungsfreiheit wird beklagt. Ein Block wird als moralischer Sieg gewertet.

Schritt 9: Die Causa wird auf andere soziale Netzwerke (etwa Reddit oder Facebook-Gruppen) gespielt, sodass immer mehr Leute sich auf die linke Person einschießen. Es geht überhaupt nicht mehr um den ursprünglichen Tweet. Die Kommentare werden immer derber und strafrechtlich relevanter.

Schritt 10: Irgendwann beginnen Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Erst verklausuliert („Du darfst dich nicht wundern, wenn…“), irgendwann auch offen.

Schritt 11: Wenn sich der angegriffene Account wehrt, gibt es oft dröhnendes Schweigen von den Koryphäen des polit-medialen Diskurses, die als ordnendes Korrektiv und Vorbild über Blasen der Sozialen Medien hinaus gelten. Vielmehr bleibt das Raunen, ob der Account es nicht doch irgendwie provoziert hat.

Schritt 12: Als betroffene Person tritt man den Rückzug an, sperrt die eigenen Tweets für die Öffentlichkeit, löscht vielleicht den Account. Dann räumt man auf, blockt HassuserInnen, macht Screenshots von strafrechtlich Relevantem.

Schritt 13: Beim Wiedereinstieg in die Social Media-Öffentlichkeit: Risiko wieder in einen Shitstorm zu gelangen und alles von vorn zu erledigen.

Was kann man da dagegen tun?

  1. Solidarität ist das Um und Auf. Ein Shitstorm exponiert und lähmt. Er soll beschämen („Du hast etwas gravierend falsch gemacht!“) und vereinzeln. Dementsprechend ist es wichtig, dass dem betroffenen Account beigesprungen wird. Umso mehr Einfluss man hat, umso wichtiger ist, sich schützend vor kleinere Accounts zu stellen. 

  2. Schritt 3 bis 13 kann man sich ersparen, wenn man frühzeitig den Account, von dem der Shitstorm ausgeht mit der Chrome-Erweiterung Twitter Blockchain belegt. Diese bewirkt, dass der Account samt all seiner FollowerInnen sehr schnell blockiert ist. Das ist eine radikale (ich habe etwa auf einen Schwung 31.000 Accounts geblockt), aber eine sehr wirksame Maßnahme. Alle Leute, die aufgerufen sind am Shitstorm teilzunehmen, sind so geblockt. Mitunter blockt man aber auch Zeitungen und Personen, die dem rechten Account nur aus Interesse folgen. Das ist ein Kollateralschaden, von dem man sich überlegen muss, ob man ihn in Kauf nimmt.

  3. Darüber reden. Man hat nichts falsch gemacht, wenn man in einen rechten Shitstorm gerät. Es ist wichtig, das zu bearbeiten und sich auszutauschen. 

Rechte Shitstorms sind mühsam, Kosten Zeit und Nerven (und Geld). Es geht nicht darum, ob man die betroffene Person zu hundert Prozent super findet, sondern dass es eine inakzeptable Vorgehensweise ist, gegen die man sich gemeinsam stellt. 

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